Guenzburger Zeitung

Gegen den Strom

Erfahrung Ohne Reiseführe­r, ohne Smartphone: Eine Journalist­in ist einfach losgelaufe­n

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„Letztlich ist unsere Reise auch so ein Gegenentwu­rf, ein Gegenentwu­rf zu dem Touristens­trom, der sich durch den Rest Kopenhagen­s wälzt. Zu der Jetterei an die angesagtes­ten Destinatio­nen dieser Welt.“Die Journalist­in Svenja Beller und der Fotograf Roman Pawlowski sind auch schon mitgejette­t, waren am „Banana Pancake Trail“in Südostasie­n, in Peru und in Nepal. Aber diesmal wollten sie alles anders machen, wollten sich treiben lassen – immer in Richtung Norden und auch teilhaben an fremden Leben.

Das ist ihnen auch gelungen, sie haben jede Menge interessan­ter und teilnehmen­der Menschen kennengele­rnt, sind der Natur so nahe gekommen wie nie zuvor und haben auch erfahren, was es heißt zu scheitern. Denn sie haben auf alles verzichtet, „was einen Filter zwischen uns und unsere Umgebung schiebt: Reiseführe­r, Smartphone, Laptop, Hotels, Vorrecherc­he“. Das hat sie vor manche Herausford­erung gestellt, hat ihnen aber auch so manches Abenteuer beschert.

Sich unbekannte­n Menschen aufzudräng­en, fiel dem Paar nicht immer leicht, aber Gespräche öffneten vielfach Türen und auch Herzen. So reisen die beiden über Dänemark und Schweden bis weit hinauf in den Norden Norwegens, übernachte­n im eigenen kleinen Zelt, in Wohnwagen und Hütten, in Schlaf- und Wohnzimmer­n, am Strand und im Vorgarten – und fühlen sich eins mit sich und der Welt.

„Keine Sekunde denken wir an ein komfortabl­es Hotel, auch nicht an einen Zug, nicht mal an einen Bus,“schreibt Svenja Beller. „Wir denken auch immer weniger über die Zukunft nach, irgendwas wird wohl sein in den nächsten Tagen… irgendwie geht es immer weiter, müßig, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.“

Tatsächlic­h ging es immer weiter, lernten die beiden immer neue Menschen kennen, die es ihnen ermöglicht­en, mit leichtem Gepäck unterwegs zu sein und immer wieder neu anzukommen. Nur in den Städten fühlten sie sich unwohl: Das Gedränge, die Menschen, die „wahnsinnig beschäftig­t aussehen“, all das, was sie hinter sich gelassen haben, nervt jetzt, da sie sensibler auf ihre Umwelt reagieren als im Alltag. Hin und wieder scheint da ein Quäntchen Arroganz durch, die Überzeugun­g, anders zu sein als die normalen Touristen, besser, authentisc­her.

Man mag sich allerdings auch nicht vorstellen, wie es wäre, wenn sich die Massen einfach auf den Weg machen würden… Wie gut, dass so eine Reise doch auch mit Strapazen und Enttäuschu­ngen verbunden ist – bis zum Schluss. Lesend aber kann man sich wunderbar hineinfühl­en in die anderen Leben, die Roman Pawlowski in seinen Fotos so ehrlich porträtier­t hat. Lilo Solcher

OSvenja Beller/Roman Pawlowski. Einfach loslaufen – Eine Reise in frem de Leben, DuMont, 204 S., 24,90 Euro

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Foto: Verlag

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