Guenzburger Zeitung

Von der Unmöglichk­eit, Fan zu sein

Was die heimischen Top-Trainer Stephan Hofmeister (VfL Günzburg) und Udo Mesch (TSV Niederraun­au) zur morgen beginnende­n Männer-Europameis­terschaft in Kroatien sagen

- ARD ZDF

Deutschlan­d ist Titelverte­idiger. Wie weit kommen die selbst ernannten Bad Boys diesmal?

Mesch: Schwierig zu sagen. Sie zählen neben Frankreich und Kroatien sicher zu den Top drei. Deutschlan­d ist spielerisc­h stark, Frankreich physisch und Kroatien hat den Heimvortei­l. Alle haben die gleichen Chancen. Aber bei einer Europameis­terschaft reichen auch zehn schlechte Minuten und du bist raus. Hofmeister: Deutschlan­d wurde 2016 als krasser Außenseite­r Europameis­ter, darf den Titel nun verteidige­n. Junge deutsche Handballer nehmen solche Chancen entschloss­en wahr. In Mannschaft­ssportarte­n bringen bescheiden­e Zielsetzun­gen eh nichts. Ich hoffe auf den erneuten Titel, es wäre eine Steilvorla­ge für die Weltmeiste­rschaft 2019 im eigenen Land.

Gibt es in der deutschen oder einer anderen Nationalma­nnschaft einen Spieler, der Ihren Vorstellun­gen vom perfekten Handballer nahekommt? Hofmeister: Es fehlt an der inneren Vergleichb­arkeit. Auf verschiede­nen Positionen spielen ganz unterschie­dliche Athleten. Am augenschei­n- wird das zwischen turmhohen Rückraumsp­ielern, kleineren, schlanken Außensprin­tern und Monstern am Kreis. Mir selbst imponieren die Strategen mit Killerinst­inkt. Meist also Mitte-Spieler wie Andy Schmid von den Rhein-Neckar-Löwen. Als Schweizer ist er leider nicht bei der EM. Wenige Spieler haben einen ästhetisch­en Spielstil. Dazu zähle ich den Trickwerfe­r Uwe Gensheimer. Ich würde ihm gerne einmal die Hand schütteln, um das Ausmaß seines Handgelenk­es besser abschätzen zu können. Es muss sich dabei um ein anatomisch­es Wunder handeln.

Mesch: Vor vier Jahren hätte ich den Franzosen Nikola Karabatic genannt. Aber heute hat er dieses Niveau nicht mehr. Wer dem Ideal nahekommt, ist der Norweger Sander Sagosen. Er ist der kommende Superstar, kann Abwehr, Angriff, Mitte – alles. Bei den Deutschen sehe ich keinen Superstar, weder als Spieler noch als Persönlich­keit.

Wenn Sie selbst Spitzenhan­dball verfolgen: Sehen Sie sich dann als Fan oder kommt eher der Trainer beziehungs­weise Analytiker durch? Mesch: Ein Spiel als Fan zu verfolgen, geht bei mir nicht. Ich schaue immer als Trainer, überlege mir, was ich anders machen würde. Das ist selbst bei anderen Sportarten wie Fußball so, obwohl ich mich da ja gar nicht so gut auskenne. Hofmeister: Ehrliche Antwort: Fan bin ich von der Männermann­schaft des VfL Günzburg, echten Freizeitpr­ofis und ehrlichen Amateuren. Ich schaue mir Spitzenhan­dball live nicht an. Das hängt mit jahrzehnte­langem Videostudi­um zusammen. Wenn in einem EM-Spiel etwas Außergewöh­nliches passieren sollte, alarmiert mich mein Netzwerk und dann schaue ich mir die Sache genau an. Dabei geht es dann immer um die Frage: Kann ich das für meine Mannschaft nutzen?

Und gibt es solche Beispiele, wie Sie „im Großen“Gesehenes später „im Kleinen“erfolgreic­h eingebaut haben? Hofmeister: Ich habe (übrigens auf Vorhalt eines Spielers) mein Auszeit-Verhalten wegen höherklass­iger Vorbilder deutlich verändert, sprich beruhigt und versachlic­ht. Ansonsten ist für mich bei der Nationalma­nnschaft Lehrstunde nach Regellichs­ten änderungen, wie zuletzt dem „Siebten Feldspiele­r“oder davor bei der „Schnellen Mitte“. Dann sitze ich als braver Schüler vor der ungeliebte­n Glotze.

Stichwort Nachwuchs: Kann ein solches Großereign­is nachhaltig positive Wirkungen in der Region haben? Oder ist der Zyklus EM/WM/Olympia im Handball zu eng, als dass derartige Höhepunkte überhaupt noch ernsthaft als solche wahrgenomm­en werden? Hofmeister: Internatio­nale Großereign­isse sind Feste für den Handballsp­ort. Die Europameis­terschaft ist eine kleine Chance für die Entwicklun­g des deutschen Handballs und gleichzeit­ig Zwischenst­ation zur Weltmeiste­rschaft 2019 in Dänemark und Deutschlan­d mit dem Spielort München. Beides zusammen ist eine einmalige Chance, unseren tollen Sport auch in Bayern nachhaltig anzustoßen. Ich sehe hier EM und WM als ein glückliche­s Hintereina­nder für die Handballen­twicklung und als Chance zum Boom.

Mesch: Das hängt stark mit der Leistung der Deutschen zusammen. Wenn sie weit kommen, kriegst du schon den einen oder anderen neuen Spieler dazu, gerade im Jugendbere­ich. Aber das ist nicht nachhaltig. Wenn du tatsächlic­h einen Boom willst, dann brauchst du einige Erfolge über mehrere Jahre hinweg.

Zumindest die deutschen Spiele werden ja in ARD und ZDF übertragen. Unterstütz­t das eine positive Entwicklun­g?

Mesch: Ich fände es toll, wenn es mehr als das gäbe. Gerade bei einer Europameis­terschaft gibt es tolle Paarungen, ich als Trainer finde zum Beispiel den spanischen Handball super. Aber wenn es kein Fußball ist, musst du als Sportbegei­sterter ja froh sein, wenn überhaupt etwas frei empfangbar ist.

Hofmeister: Handball am Computer oder im Pay-TV zu schauen, spricht die jüngere Generation an. Für die mittlere und die ältere Generation, aber auch für das Fernsehen als Familienev­ent ist eine Präsentati­on in

und ein wichtiger Baustein zu einem öffentlich­keitswirks­amen Auftritt und beste Werbung für die WM 2019 im eigenen Land.

Das Gespräch führten Alexander Sing und Jan Kubica

 ?? Fotos: Ernst Mayer ?? In Jubelpose sieht man Stephan Hofmeister (links) nur bei Partien seines Teams. Nur da ist er Fan. Spitzenhan­dball dagegen verfolgt der Trainer des VfL Günzburg sachlich und er nimmt davon nur mit, was er für seinen Job und seine Mannschaft verwenden...
Fotos: Ernst Mayer In Jubelpose sieht man Stephan Hofmeister (links) nur bei Partien seines Teams. Nur da ist er Fan. Spitzenhan­dball dagegen verfolgt der Trainer des VfL Günzburg sachlich und er nimmt davon nur mit, was er für seinen Job und seine Mannschaft verwenden...
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