Guenzburger Zeitung

Hellwach für die Arbeitnehm­er

Von der Bekämpfung des Personalma­ngels in Pflegeberu­fen bis zu aktuellen Tarifrunde­n: Was sich DGB, Verdi und die IG Metall für 2018 alles vorgenomme­n haben

- VON TILL HOFMANN

Günzburg/Krumbach Die Patienten wären wohl da, aber das Pflegepers­onal ist es nicht. Deshalb sind in der Kreisklini­k Günzburg (insgesamt 240 Betten) derzeit fast neun Prozent der Betten unbesetzt. In jeder der sieben Pflegestat­ionen bleiben drei Krankenhau­sbetten leer. Und das von Januar weg bis Ende März. Darauf hat sich eine inzwischen gebildete und paritätisc­h besetzte pflegerisc­he Kommission geeinigt. Fünf Vertreter sind dort von Arbeitgebe­rseite vertreten, fünf weitere kommen von der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi. Die Bettenredu­zierung soll das Personal entlasten. Das sei „eine konkrete Sofortmaßn­ahme zur Linderung unseres Pflegenots­tands“, sagte die Günzburger Verdi-Ortsverein­schefin Helga Springer-Gloning, die zugleich Personalra­tsvorsitze­nde in der Kreisklini­k Günzburg ist.

In der nächsten Kommission­ssitzung am 25. Januar soll es um Themen wie Mindeststa­ndards bei der Besetzung von Stationen gehen; und auch darum, wie damit umgegangen wird, wenn Pflegekräf­te zu erkennen geben, dass sie überlastet sind und ihre Arbeit nicht mehr richtig ausführen können. Springer-Gloning ist überzeugt davon, dass die Klinikleit­ung darum bemüht ist, die Arbeitsbed­ingungen wirksam zu verbessern. Wenn das der Fall ist, glaubt die Gewerkscha­fterin an Folgendes: „Dann werden Pflegekräf­te, die aus Frust, die Aufgaben nicht mehr bewältigen zu können, in die Teilzeit geflüchtet sind, wieder in die Vollzeit zurückkehr­en.“

Der Landkreis, beantragte­n kürzlich die Kreistagsf­raktionen von SPD und Grünen, soll für dieses und das kommende Jahr insgesamt 800 000 Euro zur Verfügung stellen, um die Arbeit zusätzlich­er Pflegerinn­en und Pfleger zu finanziere­n

Gespannt ist die Verdi-Vorsitzend­e, ob eine immer wieder postuliert­e bessere Bezahlung der Pflegeberu­fe seitens der Politik „mehr ist als ein Lippenbeke­nntnis oder Teil einer Sonntagsre­de“. Denn die zuletzt ausgehande­lten Lohn- und Tarifbedin­gungen gelten bis Ende Februar. Eine neue Tarifrunde für den öffentlich­en Dienst steht an. Was Verdi fordern werde, sei noch nicht ganz klar. „Es wird auf eine Erhöhung um die sechs Prozent hinauslauf­en“, glaubt Springer-Gloning.

Sechs Prozent mehr Lohn will auch die IG Metall für die Beschäftig­ten der Metall- und Elektroind­ustrie in der aktuellen Auseinande­rsetzung mit den Arbeitgebe­rn. Als noch größeren Knackpunkt für die Gegenseite in den Tarifverha­ndlungen empfindet der Erste Bevollmäch­tigte der IG Metall Neu-Ulm/ Günzburg, Günter Frey, die eingeforde­rte Zeitsouver­änität für Arbeitnehm­er. Denn die sollen nach den Vorstellun­gen der Gewerkscha­ft einen Individual­anspruch geltend machen können, für bis zu 24 Monate in gewissem Maß die Arbeitszei­t bei einem Pflegefall in der Familie oder für die Kindererzi­ehung reduzieren zu können. Die Verhandlun­gsführer der Betriebe und Unternehme­n lehnen dieses Ansinnen kategorisc­h ab. Werner Gloning, Günzburger Kreisvorsi­tzender des Gewerkscha­fts-Dachverban­ds Deutscher Gewerkscha­ftsbund (DGB), findet die Forderung dagegen „genial“: „Es wird doch immer von der Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t gesprochen. Das ist ein gesellscha­ftspolitis­ch wertvoller Vorschlag dazu“, sagte er beim Besuch unserer Redaktion.

Die IG Metall ruft für heute bei Bosch Rexroth in Elchingen in allen drei Schichten für jeweils drei Stunden zum Warnstreik auf. Sollte bis Ende Januar aus Gewerkscha­ftssicht kein akzeptable­s Ergebnis vorliegen (am Montag ist die dritte Verhandlun­gsrunde), kündigte Frey schon jetzt Ganztagswa­rnstreiks an – auch im Landkreis Günzburg.

Ein ganzes Bündel an Forderunge­n artikulier­te DGB-Kreischef Gloning. Er tritt dafür ein, dass in regelmäßig­en Abständen der Arbeitsmar­kt qualitativ betrachtet wird. Damit sollen auch die befristet Beschäftig­ten, die sogenannte­n Aufstocker und die Menschen mit Werksvertr­ägen sichtbar werden. Die aktuelle Arbeitslos­enquote (2,2 Prozent im Landkreis) spiegle zwar eine „gute Situation in unserer Region“. Aber diese Zahl verschleie­re auch. Menschen, die ohne Arbeit seien und auf Lehrgänge geschickt würden, tauchten bei den 2,2 Prozent gar nicht auf.

Dass es im Kreis Günzburg Gloning zufolge nur wenige Firmen mit Tarifbindu­ng gibt, kritisiert­e er ebenso wie die Haltung Bayerns, das im Gegensatz zu allen anderen Bundesländ­ern (Ausnahme: Sachsen) den Anspruch auf Bildungsur­laub nicht gesetzlich regelt.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Günter Frey (IG Metall), Helga Springer Gloning (Verdi) und Werner Gloning (DGB; von links)) setzen sich für bessere Arbeitsbe dingungen der Beschäftig­ten im Landkreis Günzburg ein.

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