Ein Fotospaziergang zu den verborgenen Ecken der Stadt
Wie eine besondere Fotoaktion die Markgrafenstadt Burgau aus ganz anderen Blickwinkeln zeigt – nicht nur für die Fotografen
Burgau Sonntagnachmittag, es ist kalt und trüb, aber trocken. Die Temperaturen befinden sich gerade einmal etwas über dem Gefrierpunkt. Im Rahmen seiner Ausstellung im Burgauer Schloss hat der Fotoklub Burgau-Gundremmingen zu einem Fotospaziergang durch die Stadt eingeladen. „Die heimlichen Ecken, zu denen man normalerweise gar nicht hinkommt“, sagt Yvonne Göppel, die Vorsitzende des Fotoklubs, die den Spaziergang führen wird. Knapp 20 Teilnehmer haben sich im Schloss eingefunden, alles Burgauer. „Vielleicht entdecken wir etwas, was wir noch gar nicht kennen“, sagen Christine und Jürgen Scharlach. Eine Kamera haben sie aber nicht mitgenommen. Für einen Burgauer mit der Canon-Spiegelreflex ist der Grund ein anderer: „Mal ein bisschen unter die Leute kommen und vielleicht doch etwas Neues sehen“, meint er.
Der Spaziergang beginnt bei dem Rundweg um das Schloss, hoch über den Dächern der Markgrafenstadt, mit dem Blick zu den Türmen des Stadttores, des alten Rathauses sowie der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt. Sommer und Sonne wären zwar schöner, dafür aber gibt es keine hässlichen Schatten. Und vor allem: Dadurch, dass die Bäume keine Blätter tragen, ist auch der Blick nur selten versperrt, wie beispielsweise zu der Kreuzigungsgruppe oben an der Loretokapelle. „Achten Sie auf die Details“, wendet sich Yvonne Göppel an die Teilnehmer und zeigt auf einen von Pilzen überwachsenen Baumstumpf am Boden. Tatsächlich: Durchaus ein schönes Motiv, wenn man sich diesen genauer ansieht, ihn dann im Bild richtig platziert und darauf achtet, wo sich die Sonne gerade befindet. Göppel gibt Tipps: „Das Wichtigste am Fotografieren ist das Gucken“, rät sie und formt ihre Finger zu einem Fenster zum Durchschauen. Eben sich zunächst ein Bild vom Bild zu machen. Durch den Sucher oder das Display der Kamera sehe man oft das eine oder andere Störende nicht. Das Ergebnis: Das Bild ist mit dem Heck eines Autos oder mit einer Mülltonne verhunzt.
Der Spaziergang geht weiter, die Treppen an der ehemaligen Sparkasse hinunter zur Stadtstraße und im Anschluss die nächsten bei der Ex-Lammbrauerei auf die Mühl- straße. Ach ja, die Treppen von Burgau, von denen es ja eine ganze Menge gibt: Auch hier kann sich ein schönes Motiv ergeben. Bei der Brücke über die Mindel zur Bleichstraße deutet Göppel zur Stadtpfarrkirche und zum Fresko an der Ostseite. Die Brücke ist einer der wenigen Plätze Burgaus, von denen es überhaupt zu sehen ist.
Schade, dass nicht Sommer ist. Dann wären auf der anderen Seite an den Häuserzeilen entlang der Mindel die Blumenkästen schöne Blickfänge. An kleinen, gepflegten Vorgärten vorbei geht es rechts ab auf die Bleichstraße. „Schauen Sie nach rechts und nach links und auch einmal zurück, was hinter Ihnen liegt“, ermuntert Göppel die Teilnehmer. „Stand da jetzt einmal ein Haus oder nicht“und „Da sieht man ja wieder die Loretokapelle“, stellen diese beim Blick über die Ensembles aus Dächern, Giebeln und Erkern fest. Man unterhält sich und erfährt, warum die Bleichstraße so heißt und dass dort früher der „Ziegler“war.
Dass es hier sogar eine Kammfabrik gab, wissen die wenigsten. Für den einen oder anderen war auch der Fußweg bei der Seniorenwohnanlage vor zur Mindelstraße bisher ein unbekannter. Der Blick schweift über das bemooste Dach eines alten Stadels, die Holzstapel daneben und zu den Enten, die sich in der Mindel tummeln. Irgendwie romantisch und ein schönes Bild.
Es geht wieder zurück. Neben der ehemaligen Stadtwirtschaft zeigt Yvonne Göppel auf den Boden, wo sich Gräser und Moose durch den inzwischen aufgebrochenen Asphalt gekämpft haben: Könnte auch ein gutes Motiv sein. Zurück im Schlosshof zeigt sich tatsächlich die Sonne, sie taucht Haldenwang und sein Schloss in ein besonderes Licht. Und beim genauen Blick noch einmal zum Kirchturm der Stadtpfarrkirche stellt man fest, dass dieser zwar schief ist, aber unterhalb der Mitte wieder etwas gerader wird.
Die Teilnehmer, ob mit oder ohne Kamera, sind sich einig: Fährt man mit dem Auto durch Burgau, ist es unmöglich, die vielen kleinen Dinge zu erkennen. „Ein ganz anderes Burgau“hat Christine Scharlach erlebt. Für manchen bot dieser Spaziergang auch die Gelegenheit, das eine oder andere Unbekannte im Bild festzuhalten. Nur eines störte tatsächlich: die vielen schwarzen, gelben und blauen Mülltonnen.