Rettungswagen stehen häufiger in der Werkstatt
Nach einer Vorgabe der Krankenkassen müssen die Fahrzeuge länger genutzt werden. Das bringt Probleme
Landkreis Für die Jahre 2017 bis 2020 haben die Kostenträger festgelegt, dass die Fahrzeuge im Rettungsdienst in Bayern später als bislang gegen neue getauscht werden dürfen. Bisher mussten beispielsweise normale Rettungswagen mindestens vier Jahre genutzt werden, die Obergrenze lag bei acht Jahren und 220000 Kilometern. Nach der Änderung liegt die Untergrenze für Fahrzeuggenerationen ab dem Jahr 2013 bei fünf Jahren, die Obergrenze wurde auf- und die Kilometergrenze auf 260 000 angehoben.
Alexander Faith, Rettungsdienstleiter beim Günzburger Kreisverband des Roten Kreuzes (BRK), erwartet Auswirkungen erst ab Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres, weil dann Fahrzeuge ausgewechselt werden müssten. So ist für die Wache in Jettingen für November ein neuer Rettungswagen vorgesehen, der schon einen neuen Motor bekommen hat. Faith ist skeptisch, ob das Fahrzeug dann gewechselt werden kann. Es wird im November wohl gut 360000 Kilometer gefahren sein. Aber schon jetzt zeige sich, dass die Wagen häufiger in der Werkstatt und damit nicht für den Dienst zur Verfügung stehen.
Dann kann zwar auf Reservefahrzeuge zurückgegriffen werden, aber auch deren Zahl ist endlich. Es treten bislang zwar keine größeren Defekte auf, aber auch die Reparatur kaputter Tragen oder Trittbretter braucht Zeit. Es liege auf der Hand, dass die Anfälligkeit mit steigendem Alter der Fahrzeuge größer werde. Und auch wenn während des Diensts ein Reifenwechsel nötig ist, kann der Wagen währenddessen nicht eingesetzt werden. Verschärfen könnte sich die Lage, weil das neue Rettungsdienst-Gutachten für manche Gebiete mehr Fahrzeuge empfiehlt (wir berichteten). Da dies in der aktuellen Kostenkalkulation nicht berücksichtigt werden konnte, fürchtet Faith, dass neue Wagen zulasten des Austauschs vorhandener gehen. Die Grenzen sind nicht nur für Rettungswagen, sondern auch für andere Fahrzeuge angehoben worden, nur für Intensivtransportund Baby-Notarztwagen sind sie nicht so gravierend.
Auch die Johanniter, die eine Wache in Kötz betreiben, merken bereits die Folgen der Änderung. Sprecherin Kerstin Biedermann sagt, es müsse wesentlich mehr Geld in die Fahrzeug-Reparatur gesteckt werden. Repräsentative Zahlen ließen sich zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht nennen. „Die Kassen wollen sparen und legen es auf die Rettungsdienstorganisationen um.“Die Organisation des Ersatzes nehme zudem viel Zeit in Anspruch. Es gebe im Rettungsdienst insgesamt „unglaublich viele Probleme“, die von den engagierten Mitarbeitern ausgebügelt werden müssten. Das und das ständige Unterbieten
der verschiedenen Organisationen bei den Gehältern bei Neuausschreibungen von Wachenstandorten führe zu viel Frust und mache es sehr schwer, Personal zu finden. Doch so lange die Beschäftigten wegen ihres Berufsethos engagiert sind und es nur deshalb zu keinen Ausfällen bei den Diensten komme, laufe alles so weiter wie bislang. Hier sei die Politik gefragt, endlich etwas zu ändern.
Die private Däubler Ambulanz in Gundremmingen ist von den Regelungen hingegen nicht betroffen, sagt Geschäftsführer Thomas Geiger. Sie sei nicht an die Vorgaben der Krankenkassen gebunden, die Fahrzeuge würden selbst finanziert.
Der Abteilungsleiter Rettungsdienst beim BRK-Landesverband, Thomas Stadler, bestätigt die Einschätzungen seiner Kollegen auf Kreisebene: „Seit 2017 haben wir bayernweit die ersten Fahrzeuge dieser Generation, welche im fünften Betriebsjahr sind, so auch drei in Günzburg. Dies führt zu den geschilderten Ausfällen und einem erheblichen zusätzlichen Organisationsund Steuerungsaufwand vor Ort in den Kreisverbänden.“Die Vorhaltung werde sichergestellt, indem Reserve-, Leih- und organisationseigene Fahrzeuge eingesetzt werden. Das sei bei anderen Rettungsdienst-Organisationen nicht anders. Ob Kosten gespart werden, lasse sich noch nicht beurteilen, „gegen potenzielle Einsparungen beim verzögerten Regelersatz von Fahrzeugen müssen Reparaturen, Aufwendungen für Ersatzfahrzeuge und unser erhöhter Managementaufwand in Form von Arbeitszeit gerechnet werden“. Der Kreisverband erhalte nach aktueller Planung in diesem Jahr drei neue Rettungswagen, wodurch jene mit hoher Kilometerleistung getauscht werden sollen. Mit den Kostenträgern sei vereinbart, dass Fahrzeuge, die nach dem neuen Rettungsdienstgutachten nötig werden, möglichst zusätzlich beschafft werden. Zuvor sei es so gewesen, dass Ersatzfahrzeuge genutzt wurden und Bestandswagen länger in Betrieb blieben.
Ein Sprecher des bayerischen Innenministeriums erklärt, dass es auf die Verhandlungen zwischen Kostenträgern und Rettungsdienst keinen Einfluss habe. Laufzeiten der Einsatzfahrzeuge hätten aber keinen Einfluss auf die Versorgung der Bevölkerung: Bei einem Ausfall müsse ein Ersatz verfügbar sein, dazu seien die „Durchführenden des Rettungsdienstes verpflichtet“. Einen Zusammenhang mit dem Rettungsdienst-Gutachten sieht der Sprecher nicht. Im Gegensatz zum meist hauptberuflich organisierten Landrettungsdienst gebe es bei der ehrenamtlich geprägten Berg-, Höhlenund Wasserrettung hingegen eine Kostenerstattung vom Staat.
Ein Sprecher der kommunalen Unfallversicherung betont, dass sein Haus im Gegensatz zur Angabe des Innenministeriums nicht in die Finanzierung des Rettungsdienstes involviert sei. Aber unabhängig von der Laufzeit gebe es die Pflicht, die Fahrzeuge regelmäßig auf ihre Verkehrssicherheit zu überprüfen. Und wenn die Wagen länger genutzt werden, könne das ja auch dazu führen, dass in den neu beschafften Fahrzeugen neue Technologien für mehr Sicherheit enthalten sind.
Die Arbeitsgemeinschaft (Arge) der Krankenkassenverbände in Bayern verweist bei der Anfrage unserer Zeitung zunächst auf das Rote Kreuz, antwortet dann aber selbst, wenn auch knapp. Arge und Rotes Kreuz hätten sich einvernehmlich auf die Anpassung der Nutzungsdauer des Fuhrparks geeinigt, die neuen Regelungen orientierten sich an den Laufzeitgarantien der Fahrzeughersteller. Zudem gebe es eine Pauschale für unvorhergesehene Ersatzbeschaffungen.
„Die Kassen wollen sparen und legen es auf uns um.“Kerstin Biedermann, Johanniter