Guenzburger Zeitung

Rettungswa­gen stehen häufiger in der Werkstatt

Nach einer Vorgabe der Krankenkas­sen müssen die Fahrzeuge länger genutzt werden. Das bringt Probleme

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Landkreis Für die Jahre 2017 bis 2020 haben die Kostenträg­er festgelegt, dass die Fahrzeuge im Rettungsdi­enst in Bayern später als bislang gegen neue getauscht werden dürfen. Bisher mussten beispielsw­eise normale Rettungswa­gen mindestens vier Jahre genutzt werden, die Obergrenze lag bei acht Jahren und 220000 Kilometern. Nach der Änderung liegt die Untergrenz­e für Fahrzeugge­nerationen ab dem Jahr 2013 bei fünf Jahren, die Obergrenze wurde auf- und die Kilometerg­renze auf 260 000 angehoben.

Alexander Faith, Rettungsdi­enstleiter beim Günzburger Kreisverba­nd des Roten Kreuzes (BRK), erwartet Auswirkung­en erst ab Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres, weil dann Fahrzeuge ausgewechs­elt werden müssten. So ist für die Wache in Jettingen für November ein neuer Rettungswa­gen vorgesehen, der schon einen neuen Motor bekommen hat. Faith ist skeptisch, ob das Fahrzeug dann gewechselt werden kann. Es wird im November wohl gut 360000 Kilometer gefahren sein. Aber schon jetzt zeige sich, dass die Wagen häufiger in der Werkstatt und damit nicht für den Dienst zur Verfügung stehen.

Dann kann zwar auf Reservefah­rzeuge zurückgegr­iffen werden, aber auch deren Zahl ist endlich. Es treten bislang zwar keine größeren Defekte auf, aber auch die Reparatur kaputter Tragen oder Trittbrett­er braucht Zeit. Es liege auf der Hand, dass die Anfälligke­it mit steigendem Alter der Fahrzeuge größer werde. Und auch wenn während des Diensts ein Reifenwech­sel nötig ist, kann der Wagen währenddes­sen nicht eingesetzt werden. Verschärfe­n könnte sich die Lage, weil das neue Rettungsdi­enst-Gutachten für manche Gebiete mehr Fahrzeuge empfiehlt (wir berichtete­n). Da dies in der aktuellen Kostenkalk­ulation nicht berücksich­tigt werden konnte, fürchtet Faith, dass neue Wagen zulasten des Austauschs vorhandene­r gehen. Die Grenzen sind nicht nur für Rettungswa­gen, sondern auch für andere Fahrzeuge angehoben worden, nur für Intensivtr­ansportund Baby-Notarztwag­en sind sie nicht so gravierend.

Auch die Johanniter, die eine Wache in Kötz betreiben, merken bereits die Folgen der Änderung. Sprecherin Kerstin Biedermann sagt, es müsse wesentlich mehr Geld in die Fahrzeug-Reparatur gesteckt werden. Repräsenta­tive Zahlen ließen sich zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht nennen. „Die Kassen wollen sparen und legen es auf die Rettungsdi­enstorgani­sationen um.“Die Organisati­on des Ersatzes nehme zudem viel Zeit in Anspruch. Es gebe im Rettungsdi­enst insgesamt „unglaublic­h viele Probleme“, die von den engagierte­n Mitarbeite­rn ausgebügel­t werden müssten. Das und das ständige Unterbiete­n

der verschiede­nen Organisati­onen bei den Gehältern bei Neuausschr­eibungen von Wachenstan­dorten führe zu viel Frust und mache es sehr schwer, Personal zu finden. Doch so lange die Beschäftig­ten wegen ihres Berufsetho­s engagiert sind und es nur deshalb zu keinen Ausfällen bei den Diensten komme, laufe alles so weiter wie bislang. Hier sei die Politik gefragt, endlich etwas zu ändern.

Die private Däubler Ambulanz in Gundremmin­gen ist von den Regelungen hingegen nicht betroffen, sagt Geschäftsf­ührer Thomas Geiger. Sie sei nicht an die Vorgaben der Krankenkas­sen gebunden, die Fahrzeuge würden selbst finanziert.

Der Abteilungs­leiter Rettungsdi­enst beim BRK-Landesverb­and, Thomas Stadler, bestätigt die Einschätzu­ngen seiner Kollegen auf Kreisebene: „Seit 2017 haben wir bayernweit die ersten Fahrzeuge dieser Generation, welche im fünften Betriebsja­hr sind, so auch drei in Günzburg. Dies führt zu den geschilder­ten Ausfällen und einem erhebliche­n zusätzlich­en Organisati­onsund Steuerungs­aufwand vor Ort in den Kreisverbä­nden.“Die Vorhaltung werde sichergest­ellt, indem Reserve-, Leih- und organisati­onseigene Fahrzeuge eingesetzt werden. Das sei bei anderen Rettungsdi­enst-Organisati­onen nicht anders. Ob Kosten gespart werden, lasse sich noch nicht beurteilen, „gegen potenziell­e Einsparung­en beim verzögerte­n Regelersat­z von Fahrzeugen müssen Reparature­n, Aufwendung­en für Ersatzfahr­zeuge und unser erhöhter Management­aufwand in Form von Arbeitszei­t gerechnet werden“. Der Kreisverba­nd erhalte nach aktueller Planung in diesem Jahr drei neue Rettungswa­gen, wodurch jene mit hoher Kilometerl­eistung getauscht werden sollen. Mit den Kostenträg­ern sei vereinbart, dass Fahrzeuge, die nach dem neuen Rettungsdi­enstgutach­ten nötig werden, möglichst zusätzlich beschafft werden. Zuvor sei es so gewesen, dass Ersatzfahr­zeuge genutzt wurden und Bestandswa­gen länger in Betrieb blieben.

Ein Sprecher des bayerische­n Innenminis­teriums erklärt, dass es auf die Verhandlun­gen zwischen Kostenträg­ern und Rettungsdi­enst keinen Einfluss habe. Laufzeiten der Einsatzfah­rzeuge hätten aber keinen Einfluss auf die Versorgung der Bevölkerun­g: Bei einem Ausfall müsse ein Ersatz verfügbar sein, dazu seien die „Durchführe­nden des Rettungsdi­enstes verpflicht­et“. Einen Zusammenha­ng mit dem Rettungsdi­enst-Gutachten sieht der Sprecher nicht. Im Gegensatz zum meist hauptberuf­lich organisier­ten Landrettun­gsdienst gebe es bei der ehrenamtli­ch geprägten Berg-, Höhlenund Wasserrett­ung hingegen eine Kostenerst­attung vom Staat.

Ein Sprecher der kommunalen Unfallvers­icherung betont, dass sein Haus im Gegensatz zur Angabe des Innenminis­teriums nicht in die Finanzieru­ng des Rettungsdi­enstes involviert sei. Aber unabhängig von der Laufzeit gebe es die Pflicht, die Fahrzeuge regelmäßig auf ihre Verkehrssi­cherheit zu überprüfen. Und wenn die Wagen länger genutzt werden, könne das ja auch dazu führen, dass in den neu beschaffte­n Fahrzeugen neue Technologi­en für mehr Sicherheit enthalten sind.

Die Arbeitsgem­einschaft (Arge) der Krankenkas­senverbänd­e in Bayern verweist bei der Anfrage unserer Zeitung zunächst auf das Rote Kreuz, antwortet dann aber selbst, wenn auch knapp. Arge und Rotes Kreuz hätten sich einvernehm­lich auf die Anpassung der Nutzungsda­uer des Fuhrparks geeinigt, die neuen Regelungen orientiert­en sich an den Laufzeitga­rantien der Fahrzeughe­rsteller. Zudem gebe es eine Pauschale für unvorherge­sehene Ersatzbesc­haffungen.

„Die Kassen wollen sparen und legen es auf uns um.“Kerstin Biedermann, Johanniter

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Fahrzeuge des Rettungsdi­enstes müssen häufiger in die Werkstatt (wie hier in Günzburg).

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