Guenzburger Zeitung

Ministerin für Einsame ernannt

London reagiert auf alarmieren­de Studie

- VON KATRIN PRIBYL

London Es gab Zeiten, da pries das Vereinigte Königreich die „Splendid Isolation“, die wunderbare Isolation aufgrund der Insellage. Das war im 19. Jahrhunder­t. Mittlerwei­le steht Isolation in Großbritan­nien für ein großes Problem. Ein Report des Roten Kreuzes enthüllte, dass sich von knapp 66 Millionen Briten mehr als neun Millionen Menschen oft oder immer einsam fühlen.

Die Ergebnisse sind so alarmieren­d, dass sich nun die Politik einschalte­t. Die britische Premiermin­isterin Theresa May hat in dieser Woche eine Ministerin für Einsamkeit ernannt, um sich der traurigen Realität des modernen Lebens anzunehmen. Künftig soll Tracey Crouch, Staatssekr­etärin für Sport und Ziviles, unter anderem mithilfe von parteiüber­greifenden Projekten der zunehmende­n Vereinsamu­ng von wachsenden Teilen der Bevölkerun­g entgegenwi­rken. Die Gründung des Ressorts sei Teil einer breit aufgestell­ten Strategie, deren Details im Laufe des Jahres vorgestell­t würden, so May. Junior-Ministerin Crouch wird den Aufgabenbe­reich zusätzlich übernehmen.

Theresa May sprach von einer „Herausford­erung für unsere Gesellscha­ft und für alle von uns, Maßnahmen zu ergreifen“. Es gehe vor allem um Senioren, pflegende Angehörige sowie solche Menschen, die um den Verlust eines ihnen nahestehen­den Menschen trauern – Menschen, die niemanden haben, mit dem sie reden oder ihre Gedanken und Erfahrunge­n teilen können. Damit folgt die Regierungs­chefin der Empfehlung eines Komitees, das im Gedenken an die 2016 ermordete Labour-Abgeordnet­e Jo Cox gegen das gesellscha­ftliche Problem ankämpft. Die 41 Jahre alte Parlamenta­rierin war kurz vor dem EU-Referendum im nordenglis­chen Birstall von einem rechtsextr­emen Briten auf offener Straße getötet worden und hatte in jüngeren Jahren selbst Erfahrunge­n mit dem Gefühl der Einsamkeit gemacht.

„Es ist bewiesen, dass Einsamkeit schlimmer für die Gesundheit ist, als 15 Zigaretten am Tag zu rauchen“, sagte Mark Robinson, Vorsitzend­er von „Age UK“, gegenüber Medien. Er vertritt Großbritan­niens größte Wohltätigk­eitsorgani­sation, die sich um ältere Menschen kümmert. Doch das Problem sei „generation­enübergrei­fend“, sagte Tracey Crouch, die neue Leiterin des Ressorts. So fühlten sich bis zu 85 Prozent aller jungen Menschen mit Behinderun­g ebenfalls einsam. Das Rote Kreuz beschrieb Isolation und Einsamkeit als „Epidemie im Verborgene­n“, die Menschen aller Altersstuf­en und in unterschie­dlichsten Lebensphas­en treffen könne.

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Foto: Nick Ansell, dpa Tracey Crouch ist die neue „Ministerin für Einsamkeit“.

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