Liebe zwischen Bruder und Schwester vor Gericht
Warum nur einer der beiden Angeklagten eine Strafe erhielt, das zweite Verfahren aber eingestellt worden ist
Günzburg Wenn nahe Verwandte körperlich miteinander verkehren, ist das ein Fall für die Justiz. Gestern hat sich das Amtsgericht Günzburg mit diesem Straftatbestand befasst. Angeklagte waren Bruder und Schwester im Alter von 41 und 43 Jahren. Den beiden wurde ihre geschlechtliche Beziehung vorgeworfen. Die ziemlich kurze Verhandlung ging am Ende recht milde für die Angeklagten aus.
So ganz einfach war es für Amtsgerichtsdirektor Walter Henle nicht, das Verfahren im üblichen Rahmen in Gang zu bringen. Für den angeklagten Bruder war Rechtsanwalt Klaus Eickelpasch (Gundelfingen) als Verteidiger statt des eigentlich benannten aber krankheitsbedingt ausgefallenen Kollegen eingesprungen. Der Anwalt erklärte, sein Mandant werde nur über seine persönlichen Verhältnisse Aussagen machen, nicht aber zum Vorwurf selbst.
Staatsanwalt Rafael Ruisinger beschuldigte die beiden Geschwister des einvernehmlichen Geschlechtsverkehrs in der Wohnung des Bruders. Was einer gewissen Pikanterie nicht entbehrt, waren doch die zwei zu diesem Zeitpunkt Anfang vergangenen Jahres noch verheiratet. Schwierig wurde die Frage an die 43-jährige Schwester, ob sie denn Angaben machen wolle: „Ich will nix mehr dazu sagen“, reagierte die recht abwesend wirkende Frau. „Auch nicht zu ihren persönlichen Verhältnissen“, startete Richter Henle einen zweiten Versuch: „Was wollen Sie denn wissen“, kam zurück. Bei der Polizei war die Angeklagte noch etwas auskunftsfreudiger, hielt ihr Henle vor. Eine Angehörige hatte die Beischlafbeziehung angezeigt. Die Frau bestätigte ihre Alkoholabhängigkeit und befindet sich seit Heiligabend 2017 in geschlossenem Vollzug des Bezirkskrankenhauses Günzburg. Richter Henle bot wegen ihrer Suchtkrankheit die Einstellung des Verfahrens an, zumal die Frau im vergangenen Jahr bereits wegen Trunkenheit im Straßenverkehr vier Monate im Gefängnis verbrachte. „Ich möchte nicht noch mal in Haft“, sagte sie kleinlaut. Der Richter gab ihr mit auf den Weg, dass sie nach der Entlassung aus dem BKH nicht wieder mit ihrem Bruder schlafen sollte.
Beim Mitangeklagten ist der Alkoholismus offensichtlich noch problematischer. Die Polizei hatte ihn nicht vernehmen können, weil er besoffen war, zitierte Richter Henle aus den Akten, das sei eine Art Dauerzustand bei dem 41-Jährigen. „Das war schon heftig“, räumte der gelernte aber arbeitslose Maurer ein, habe aber inzwischen nachgelassen. Eine stationäre Therapie wegen seiner Abhängigkeit hat der Mann bisher nie versucht. Um eine Bestrafung des Geschlechtsverkehrs unter Verwandten komme er nicht herum, sagte der Richter.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich 2008 mit dem juristisch umstrittenen Paragrafen 173 befasst und ihn als verfassungskonform eingestuft. Das Angebot einer Geldauflage von 500 Euro zur Einstellung des Verfahrens erwies sich als schwierig, denn der Angeklagte verfügt nur über ein Hartz-IV-Einkommen. Deshalb verdonnerte Richter Henle den 41-Jährigen zu 80 Stunden gemeinnütziger Arbeit. „Wenn sie die nicht leisten, sehen wir uns wieder“, warnte er den Mann.