Quietschen
Wer wohl zuerst quietscht? Angela Merkel? Und wie wird sich das anhören? Schrill oder staatsmännisch gedämpft? Wird vielleicht Horst Seehofer quietschen wie eine länger nicht geölte Modelleisenbahn-Lok vor der Einfahrt in den Pappmaché-Tunnel? Seit Andrea Nahles, medial befördert zum einzigen Kerl in der SPD, für die Koalitionsverhandlungen quietschvergnügt die Parole ausgegeben hat, man werde „verhandeln, bis es quietscht auf der anderen Seite“, blickt die Welt mit anderen Augen auf die GroKo-Geburtswehen.
Was kann da rauskommen? Man wird genau hinhören, ob es nur knirscht und kracht in den Verhandlungen. Ob es zwitschert (Twitter), piepst (Statement Scheuer oder Altmaier im Morgenmagazin) – oder ob es, nun ja: wirklich quietscht, also nervtötend und unerträglich wird. Fehlalarme nicht ausgeschlossen: Wenn Kauder mit Kreppsohlen über den Flur läuft, beispielsweise, oder Dobrindt denkt.
Dieser Nahles hat jedenfalls ein Gespür dafür, das Gewürge um ein Breitreten des Sondierungspapiers zur Koalitionsvereinbarung lautmalerisch aufzumotzen. Andere sprechen nur nach – also von Nachbesserungen und Nachverhandlungen und Nachjustierungen, was an der Basis ungefähr so attraktiv klingt wie Mütterrentensplitting oder Hebesatzabgeltungsverschiebung.
Quietschen aber ist ein origineller Kampfbegriff, der zwar nett daherschaukelt wie eine Quietschente auf der Spree und leicht anrüchig wabert wie Quietschkäse, aber wahrhaftig ordentlich Drohpotenzial birgt. Die Union soll aus dem letzten Loch pfeifen unter dem Druck der SPD, sie soll um Gnade winseln, dass Schulzens starker Arm den Schwitzkastengriff lockert oder Stegner wenigstens für zwei Minuten mal den Raum verlässt.
Was Andrea Nahles womöglich in ihrer leidenschaftlichen Rede nicht bedacht hat, ist, dass manche Menschen auch vor schierer Begeisterung quietschen. Es wird also in jedem Fall nach Abschluss der GroKo-Verhandlungen ein Kampf um die Deutungshoheit ausbrechen.
Sicher ist: Die Zeiten, als Regierungsbildungen noch wie geschmiert liefen, sind vorbei.