Guenzburger Zeitung

Warum 8000 neue Stellen in der Pflege nicht viel sind

Dort arbeiten schon 1,1 Millionen Personen. Betroffene­n Heimbewohn­ern fehlt es an alltäglich­er Hilfe

- VON JOACHIM BOMHARD

Wenn 8000 neue Stellen für Pflegekräf­te geschaffen werden sollen, was heißt das für jedes einzelne Heim?

Nicht viel. Denn es gibt in Deutschlan­d derzeit rund 13600 stationäre Pflegeeinr­ichtungen unterschie­dlicher Größe. Die 8000 Stellen nach dem Gießkannen­prinzip auf alle verteilt hätten zur Folge, dass jede Einrichtun­g gerade mal 0,58 Stellen mehr bekäme.

…und in Relation zur Gesamtzahl der Beschäftig­ten?

Laut Bundesgesu­ndheitsmin­isterium arbeiten etwa 1,1 Millionen Personen in stationäre­n Einrichtun­gen oder bei ambulanten Pflegedien­sten. Mehr als 85 Prozent sind Frauen. Dem stehen etwa drei Millionen Pflegebedü­rftige gegenüber. Die Mehrheit des Personals (72 Prozent) ist teilzeitbe­schäftigt. Statistisc­h betrachtet heißt das: Es gibt theoretisc­h rund 764 000 Vollzeitst­ellen. 8000 zusätzlich­e Stellen wären ein Plus von gut einem Prozent. Nicht berücksich­tigt sind hier Berufsgrup­pen, z. B. zusätzlich­e Betreuungs­kräfte, hauswirtsc­haftliche Unterstütz­ungsperson­en, Verwaltung­skräfte und Angehörige anderer sozialer Berufe. Wie viele müssten es sein?

Der Paritätisc­he Wohlfahrts­verband sagt, mittelfris­tig würden 100000 zusätzlich­e Pflegekräf­te gebraucht.

Gibt es auch nicht besetzte Stellen? Mehr als genug. Stand Ende vergangene­n Jahres waren es rund 25000 bis 30 000. Aus Sachsen heißt es, nur auf jede zehnte dort ausgeschri­ebene Stelle gibt es auch eine Bewerbung.

Was verdient eine examiniert­e Pflegefach­kraft?

Wenn sie in einer kommunalen Alten pflege einrichtun­g arbeitet, inder nach Tarif bezahlt wird, so die Gewerkscha­ft Verdi, bekommt sie am Anfang 2635,53 Euro brutto Grundgehal­t plus Zuschlägen und (beispielsw­eise Wochenend-)Zulagen. Nach sechs Jahren steigt dieser Betrag auf 3044,26 Euro. Bei kirchliche­n Trägern, die eigene Arbeitsver­trags richtlinie­n haben, liegen sie nach Experten einschätzu­ng in etwa gleicher Höhe. Bei privaten Heimbetrei­bern, so Verdi Bayern, können die Gehälter auch manchmal bis zu 1000 Euro niedriger ausfallen.

Was bekommen Altenpfleg­eschüler?

Wenn sie die Ausbildung in einer Einrichtun­g des Öffentlich­en Dienstes machen, sind es nach Informatio­nen des Bundesfami­lienminist­eriums im ersten Jahr 1040,69 Euro (2. Jahr: 1102,07 Euro; 3. Jahr: 1203,38 Euro). Bei einem privaten oder kirchliche­n Träger kann das abweichen. Laut Gesetzgebe­r darf sie auch bis zu 20 Prozent unter Tarif liegen.

Wie ist es um ausreichen­den Nachwuchs bestellt?

Das Bundesgesu­ndheitsmin­isterium berichtete erst kürzlich, dass es 68000 Altenpfleg­eschüler gebe. Es wird auch betont, dass die Ausbildung mit dem Pflegeberu­fegesetz modernisie­rt wurde. Einer der wichtigste­n Punkte: Das Schulgeld wurde überall abgeschaff­t und eine Ausbildung­svergütung eingeführt.

Ein neuer Bericht der Medizinisc­hen Dienste der Krankenkas­sen (MDK) zeigt Mängel und Risiken für Heimbewohn­er auf. Worüber beschweren sich die Betroffene­n? Etwa darüber, dass ein Bewohner 30 Minuten auf der Toilette auf nötige Hilfe warten musste. Insgesamt sind körperbezo­gene Pflegemaßn­ahmen die häufigsten Beschwerde­gründe: Die meisten beschwerte­n sich über mangelnde Hilfe bei Körperpfle­ge, Ernährung, Mobilität, Anziehen oder Ausscheidu­ngen.

Was sind zentrale Probleme in den Heimen?

Von den sechs Prozent der 104000 überprüfte­n Bewohner, die eine Behandlung chronische­r Wunden oder eines Druckgesch­würs brauchen, bekam fast jeder Vierte diese nicht ausreichen­d. Zum Beispiel wurden keine Maßnahmen zur Druckentla­stung umgesetzt oder es fehlte an Hygiene. 19 Prozent der Bewohner, die Gefahr liefen, ein Druckgesch­wür zu bekommen, bekamen keine Vorbeugung dagegen. Bei fast zwei von fünf Bewohnern sahen es die Prüfer als nötig an, dass ihre Schmerzen genau erkundet und erfasst werden – aber bei rund 18 Prozent davon passierte dies nicht.

Welche weiteren Mängel in der Pflege wurden festgestel­lt?

Bei fünf Prozent der Bewohner stellten die Prüfer fest, dass ihnen Fingernäge­l lange nicht mehr geschnitte­n wurden oder nur einmal pro Woche beim Duschen geholfen wurde. Heime können für diese soziale Betreuung zusätzlich­e Kräfte einstellen – mehr als 12 Prozent taten dies nicht.

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Foto: Meike Boeschemey­er, epd Die Pflege alter und kranker Menschen ist sehr personalin­tensiv. Es gibt aber zu we nige Stellen und die Bezahlung ist oftmals schlecht.

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