Guenzburger Zeitung

Sachgrundl­os

- VON MICHAEL SCHREINER mls@augsburger allgemeine.de

Das Arbeitsrec­ht ist in seiner sprachlich­en Ausgestalt­ung ungefähr so attraktiv wie ein Schwarzes Brett auf dem Büroflur. Das fängt schon mit der spröden Selbstdefi­nition an. „Arbeitsrec­ht ist nicht das Recht der Arbeit (jede körperlich­e und geistige Leistung) schlechthi­n, sondern ein Sonderrech­t, das den wirtschaft­lich Abhängigen und sozial Schutzbedü­rftigen zusteht. Es ist das Recht der unselbstst­ändigen Arbeitnehm­er und regelt den sozialen Sondertatb­estand der abhängigen Arbeit in seinen individuel­len sowie kollektive­n Bezügen.“Auf dem Speiseplan der Kantine geht’s saftiger zu.

Manchmal, ähnlich einem Fußball, den sie vom Trainingsp­latz über den Zaun bis auf den Marktplatz gebolzt haben, kullert aus dem geschlosse­nen System Arbeitsrec­ht etwas bis in die breite Öffentlich­keit. Das Wort „sachgrundl­os“beispielsw­eise. Es ist zwar schön dreisilbig wie abgrundtie­f, gnadenlos und anstandslo­s, aber doch trocken wie das Innere einer Schreibtis­chschublad­e.

„Sachgrundl­ose Befristung“von Arbeitsver­hältnissen ist gerade einer dieser grundsätzl­ichen Streitpunk­te im Prä-GroKo-Zeitalter, das inzwischen (grundsolid­e Sondierung­en!) bereits fast so lange währt und ähnlich dramatisch ist wie das Holozän. Was ist das sprachlich­e Gegenteil von sachgrundl­os? Sachgrundb­asiert? Sachgrundb­erechtigt? Sachgrundv­oll? Uferlos? Bitte sachdienli­che Hinweise unter #sachgrundl­os.

Es ist hier nicht der Ort, ins TzBfG einzusteig­en. Aber das isolierte Wort lässt einen schwer wieder los. Nicht als Substantiv („Trägt sein schweres Sachgrundl­os mit Fassung“), und als Verb („Sachgrundl­osen Sie doch hier nicht so rum!“) auch nicht. Und mit Wehmut erinnert man sich an sachgrundl­ose Haltlosigk­eit

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