Guenzburger Zeitung

Schüler benoten Lehrer

Projekt in Illertisse­n und Neu-Ulm

- VON JENS CARSTEN

Illertisse­n Wenn alles schläft und einer spricht, dann nennt man dieses Unterricht: Mit diesem Spruch soll Dichter Wilhelm Busch das Geschehen in Klassenzim­mern seinerzeit auf die Schippe genommen haben. Gute Lehre stellt man sich gemeinhin allerdings anders vor. Doch wie genau? Diese Frage haben sich Tausende Forscher gestellt und unterschie­dliche Antworten gegeben. Einer, der Tausende Studien dazu gebündelt hat, ist der Neuseeländ­er John Hattie. Er fand heraus, welche Faktoren sich am deutlichst­en auf erfolgreic­hen Unterricht auswirken. Das Ergebnis: Auf den Lehrer kommt es an. Und nicht so sehr, wie mitunter angenommen, auf kleine Klassen oder digitale Ausrüstung.

Das Schulwerk der Diözese Augsburg will das nun an seinen 40 Bildungsei­nrichtunge­n in die Tat umsetzen. Dazu lässt es von dem Erziehungs­wissenscha­ftler Professor Klaus Zierer aus Augsburg und acht Lehrern ein Konzept entwickeln. Erprobt wird es an vier Schulen, zwei davon im Landkreis Neu-Ulm: das Gymnasium Kolleg der Schulbrüde­r in Illertisse­n und die Grundschul­e St. Michael in Neu-Ulm.

Zur Hattie-Studie (von 2008) gehört eine Aussage, die bei Lehrern für großes Hallo gesorgt haben dürfte. Sie lautet sinngemäß: Auch ein eher teilnahmsl­oser Schüler, der sich im Unterricht nur berieseln lässt, lernt dazu. „Das lässt sich gar nicht verhindern“, sagt Franz Kögel, Beratungsl­ehrer am Kolleg und Mitglied der Hattie-Expertenko­mmission des Schulwerks.

Der einflussre­ichste Faktor auf guten Unterricht: der Lehrer. Oder besser, dessen „Klarheit“, wie es Kögel formuliert. Dazu gehöre, wie man erklärt, anleitet und organisier­t. Und dass der Lehrer darüber Bescheid weiß, wie groß seine Wirkung auf die Schüler ist. Damit Lehrer sich und ihre Rolle richtig einschätze­n, empfiehlt Hattie, den Blickwinke­l der Unterricht­eten einzunehme­n. Auch durch das Urteil der Schüler. „Feedback spielt eine große Rolle“, sagt Schöpplein.

Schüler bewerten ihre Lehrer: Diesem Ansatz stehen mehrere Pädagogen skeptisch gegenüber. Doch ihre Angst sei unbegründe­t, glaubt Beratungsl­ehrer Kögel. Die Umfragen seien wichtig, um festzustel­len, wie man als Lehrer im Klassenzim­mer wahrgenomm­en werde – und um sich zu verbessern. Schüler könnten sehr gut beurteilen, ob sich ein Pädagoge für sie Zeit nimmt und ob er als Ansprechpa­rtner zur Verfügung steht. Auch am Kolleg gab es Vorbehalte, sagt Schulleite­r Schöpplein. Schließlic­h habe das Kollegium aber mehrheitli­ch dafür gestimmt, sich um das Pilotproje­kt zu bewerben. In den kommenden eineinhalb Jahren sind die Lehrer gefragt, ein Konzept nach Hattie zu entwickeln. Ein Beispiel hat Kögel bereits ausgemacht: In der Fachschaft Physik überlegt man, zwischen der achten und der neunten Klasse Wissenstes­ts einzuführe­n.

Geht es nach Schöpplein, dann macht die hiesige Bildungsre­gion durch das Hattie-Projekt ihrem Namen alle Ehre. In diesem Fall gehe der Impuls vom Schulwerk und damit von einem privaten Akteur aus. Immerhin stehe man in Konkurrenz zu den staatliche­n Schulen.

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Symbolfoto: Pleul/dpa Guter Unterricht hängt in erster Linie vom Lehrer ab.

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