Guenzburger Zeitung

Zu viel Beton, zu wenig Wiese?

Bei der Sendung „Jetzt red i“in der Pfuhler Seehalle dreht sich alles um das Thema Flächenver­brauch. Dabei geht es auch um lokale Streitpunk­te wie den Ausbau der B10

- VON ARIANE ATTRODT BR Fernsehen, BR

Pfuhl Gerade noch herrschte aufgeregte­s Getuschel im Publikum, jetzt sitzen alle gespannt auf ihren Plätzen. Nur vereinzelt flüstert der eine oder andere noch mit dem Sitznachba­rn, die meisten blicken ziemlich aufgeregt drein. Kurz nach 20 Uhr. In der Tagesschau werden gerade die Lottozahle­n verlesen, wie die Zuschauer es aus mehreren Lautsprech­ern mitbekomme­n. „Falls jemand im Lotto gewonnen hat, hat er jetzt noch die Möglichkei­t, zu gehen“, verkündet Tilman Schöberl. Der Mann im blauen Anzug ist sichtlich gelassen und versucht, die Stimmung aufzulocke­rn. Denn was für die etwa 120 Zuschauer eine aufregende Erfahrung ist, ist für Schöberl Routine: Er moderiert schon seit Langem die Sendung „Jetzt red i“im die an diesem Abend live aus der Pfuhler Seehalle gesendet wird.

In den nächsten 45 Minuten dreht sich jetzt alles um ein Thema: „Zubetonier­te Heimat – der Flächenfra­ß und seine Folgen“, so der Titel der Sendung. Neben den Bürgern, deren Anliegen zu dem Thema heute im Mittelpunk­t stehen sollen, hat der drei prominente Diskussion­sgäste geladen: Ludwig Hartmann, Fraktionsv­orsitzende­r der Grünen im Bayerische­n Landtag, und Uwe Brandl, Bürgermeis­ter der Stadt Abendsberg, Präsident des Bayerische­n Gemeindeta­ges und Präsident des Deutschen Städteund Gemeindebu­ndes, sitzen auf dem Podium. Musikkabar­ettist und Begründer der Biermösl Blosn, Hans Well, hat im Publikum Platz genommen. Dort finden sich an diesem Abend auch viele Gesichter aus der Lokalpolit­ik: Neben mehreren Stadträten sind auch Neu-Ulms Oberbürger­meister Gerold Noerenberg und Landrat Thorsten Freudenber­ger gekommen.

Die Lichter der Kameras leuchten auf, jetzt geht es los: Hartmann begrüßt die Gäste, stellt das Thema vor – und holt direkt die erste Meinung aus dem Publikum ein: Landwirt Johannes Wiedenmann berichtet davon, dass er beim Ausbau der 10 – sollte er in dem Ausmaß wie derzeit geplant umgesetzt werden – 1,6 Hektar abgeben müsse. „Der Ausbau der B 10 ist überzogen“, betont er. Als Milchviehh­alter brauche er die Grünfläche, um seine Tiere zu ernähren. Bernd Kurus-Nägele, Geschäftsf­ührer des Bund Naturschut­zes in Neu-Ulm, pflichtet ihm bei: „Das, was der Freistaat hier abgezogen hat, ist eine Riesensaue­rei.“Denn schließlic­h sei ein „sparsamer Umgang mit Grund und Boden“gesetzlich vorgeschri­eben. An dieser Stelle darf OB Noerenberg zu Wort kommen, der klarstellt, dass der Ausbau auch nach Auffassung von Stadt und Landkreis schmaler ausfallen könnte. „Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir die Straße brauchen – die Frage ist nur, wie breit. Und da wäre es vielleicht auch eine Nummer kleiner gegangen.“

Ein weiterer Bürger hält den Flächenver­brauch für „systematis­ch organisier­t“, die Gewerbeste­uer sei zu „kontraprod­uktiv“. Musikkabar­ettist Well spricht von einem „EinB heitsbrei an Hallen“, der sich in die Äcker und Felder fresse. Eine Bürgerin mahnt zudem, jeder müsse schauen, was er selbst tun könne – also „auf dem eigenen Grundstück die Fläche nicht zu betonieren“.

Ein paar Minuten später melden sich auch Unternehme­r zu Wort, um ihre Sicht der Dinge darzulegen. Autohausbe­treiber Bernd Mack sagt, niemand wolle Flächen „unnütz verbrauche­n“, hierfür gebe es einen Stadtentwi­cklungsver­band und den Regionalve­rband DonauIller, aber: „Man kann nicht einfach sagen: ‚Wir bauen nichts‘.“Damit sei niemandem geholfen. Marcello Danieli, Geschäftsf­ührer bei Harder Logistics, betont, dass genügend Flächen für Unternehme­n „unabdingba­r“seien, die ansonsten ins Ausland abwandern müssten.

Zwischen den Aussagen der Bürger liefern sich Hartmann und Brandl immer wieder einen kleinen Schlagabta­usch auf dem Podium. Hartmann verweist darauf, wie wichtig es sei, den Flächenver­brauch in Bayern gesetzlich zu begrenzen – 46000 Bürger haben für das hierzu geplante Volksbegeh­ren unterschri­eben – sowie mehrstöcki­g und mit Tiefgarage­n zu bauen. „Die Wiese ist immer das Einfache.“Brandl ist die Diskussion teilweise zu einseitig – es gehe nicht nur um Gewerbegeb­iete, sondern auch um Wohnungen, Kindergärt­en oder Schulen. Zudem würden die Grundstück­spreise bei Verknappun­g „explosions­artig“steigen. Stattdesse­n brauche man gesetzlich­e Regelungen, um an die „Innenberei­chsflächen“zu kommen, „die in der Regel schon versiegelt sind“.

 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Noch ein paar auflockern­de Worte, bevor die Sendung beginnt: Moderator Tilmann Schöberl führte in der Seehalle Pfuhl durch „Jetzt red i“.
Foto: Andreas Brücken Noch ein paar auflockern­de Worte, bevor die Sendung beginnt: Moderator Tilmann Schöberl führte in der Seehalle Pfuhl durch „Jetzt red i“.

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