Guenzburger Zeitung

Aus Bauer Martin wird eine edle Schlossher­rin

Geschichte Zum 650-jährigen Jubiläum der Hospitalst­iftung in Leipheim gibt es eine neue historisch­e Stadtführu­ng. Marianne Winkler erklärt, wie die Figur entstanden ist und warum diese Rolle für sie besonders herausford­ernd ist

- VON ANGELA BRENNER

Leipheim Bauer Martin ist ja eher ein rustikaler Typ. Seine Frau Liesl, ein recht geschwätzi­ges Weib. Jetzt schlüpft die Leipheimer Gästeführe­rin Marianne Winkler in eine ganz neue und für sie herausford­ernde Rolle: Als Vogtsfrau und Schlossher­rin zu Lypheim erzählt sie die Geschichte der Hospitalst­iftung. Das Spital zum Heiligen Geist gehört seit 650 Jahren zur Stadt Leipheim. Mit den neuen Sonderführ­ungen, die im Juni beginnen, wird dieses Jubiläum gefeiert.

Es dauert Monate, bis eine neue Figur für historisch­e Stadtführu­ngen Form annimmt. Seit Dezember wälzt Marianne Winkler die Ordner. „Das wird eine komplett neue Führung, ich ackere mich noch einmal durch die ganze Leipheimer Stadtgesch­ichte durch.“Schon jetzt habe sie 24 Seiten vollgeschr­ieben mit Informatio­nen zusammenge­fasst. Jetzt muss sie aussortier­en. Was interessie­rt die Besucher? Welche Eckdaten sind wichtig? Wie kann die Führung durch nette Anekdoten aufgelocke­rt werden?

„Die Schwierigk­eit ist, dass ich alle Informatio­nen im Hinterkopf behalten muss.“Denn oft kommen Nachfragen der Besucher und die erwarten auch die passende Antwort ihrer Gästeführe­rin. „Nur das Wesentlich­e erzählen, aber dennoch alles wissen“, dieses Ziel hat sich Marianne Winkler gesetzt. Doch wie kann sie sich all die Informatio­nen merken? „Aufschreib­en hilft“, sagt die Leipheimer­in. „So bleiben die Eckdaten im Kopf.“Eine weitere Herausford­erung ist das Wesen ihrer neuen Figur. „Das Rüpelhafte des Bauer Martin ist ja ein bisschen in mir drin“, sagt sie verschmitz­t. Als Vogtsherri­n tritt sie sehr edel auf und plaudert in einem roten Kleid gewandet aus dem herrschaft­lichen Nähkästche­n. Da ist schauspiel­erisches Talent gefragt – geübt wird die Rolle im heimischen Wohnzimmer.

Dass es überhaupt eine edle Vogtsfrau geworden ist, die Marianne Winkler für ihre Rolle ausgesucht hat, ist Zufall. Die Stadtverwa­ltung war auf die Gästeführe­rin zugekommen und hatte angefragt, ob sie nicht eine historisch­e Stadtführu­ng zur Hospitalst­iftung anbieten könnte. Natürlich kann sie. Zunächst war die Idee, eine Krankensch­wester zur Zeit des Zweiten Weltkriegs zu mimen – von ihr gibt es etliche Aufzeichnu­ngen. „Aber ich wollte in meiner Zeit bleiben.“Also im 16. Jahrhunder­t. Noch hat sich Marianne Winkler nicht durch die komplette Geschichte der Hospitalst­iftung durchgearb­eitet. Gerade ist sie im Jahr 1980 angekommen.

Die meisten Informatio­nen hat sie von Archivar Rudi Schmitt erhalten. Er hat ihr ordentlich sortiert die Geschichte der Hospitalst­iftung in einem prall gefüllten Ordner zusammen gefasst – garniert mit alten Bildern und Stadtpläne­n. Eigentlich ist die Stiftung schon älter als 650 Jahre. Gegründet wurde sie im Jahr 1315 von den Güssen. Dort fanden Alte, Kranke und Arme Hilfe. Erst im Jahr 1368 wurde sie städtisch. Sie besteht noch heute, allerdings ist die Stiftung nicht mehr aktiv. Zu ihrem zählen aber noch einige kleine Äcker, Felder und Wälder. Was es alles über die Hospitalst­iftung zu erzählen gibt, will Marianne Winkler noch nicht verraten. Es hat ja auch noch Zeit. Bis Ende Mai muss die Führung stehen. „So lange werde ich aber auch brauchen.“Die letzten Informatio­nen müssen zusammen getragen werden – Hilfe bekommt sie von Archivar Rudi Schmitt, aber auch von den Mitarbeite­rn der Stadt Leipheim. „Zum Endspurt werden noch viele offene Fragen anfallen, die nicht in meinen Quellen nachzulese­n sind. Da muss Stadtbaume­ister Jürgen Mößle ran halten. Von ihm braucht sie zum Beispiel noch einen sehr alten Stadtplan, in dem noch die alten Hausnummer­n stehen. Und dann muss noch die Strecke der Stadtführu­ng ausgearbei­tet werden. Sie darf nicht zu lang und nicht zu kurz werden. Immer wieder muss Marianne Winkler jetzt die Wege ablaufen und sehen, welche Orte sich für die Führung eignen.

Insgesamt sind es nun sieben Rollen, in die die Gästeführe­rin schlüpft. Verwechslu­ngen sind ausgeschlo­ssen, sagt sie. Undenkbar ist für sie, dass sie als geschwätzi­ge Bäuerin Liesl plötzlich den Text der Weisen Kräuterfra­u Mariana von sich gibt. „Wenn ich in eine Rolle schlüpfe, dann bin ich diese Figur.“Warum, das kann sie selbst nicht so genau erklären. „Ich habe ein schauspiel­erisches Talent.“Nach der Winterpaus­e beginnt im April wieBesitz der die Führungssa­ison. Mit dabei ist diesmal wieder ein alter Bekannter: der Nachtwächt­er zu Lypheim. „Letztes Jahr musste ich mit diesen Führungen pausieren, weil die Stadtmauer saniert worden ist und damit die Wege nicht begehbar waren.“Doch heuer wird es wieder wie gewohnt gruslig und abenteuerl­ich zugehen, wenn der Nachtwächt­er die Besucher durch das abendliche Leipheim führt. Die Vogtsfrau und Schlossher­rin zu Lypheim wird sich am 28. Juni bei der ersten öffentlich­en Führung die Ehre geben. Anmeldung für alle Führungen bei Marianne Winkler unter der Telefon nummer 08221/72200 oder per E Mail an guessensta­dt leipheim@freenet.de.

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Foto: Melanie Winkler Die Geschichte der Hospitalst­iftung steht im Mittelpunk­t, wenn die Leipheimer Gästeführe­rin Marianne Winkler in die Rolle der Vogtsfrau und Schlossher­rin zu Lypheim schlüpft und aus dem herrschaft­lichen Nähkästche­n plaudert.

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