Späte Einigung bei der Gesundheit
Koalitionsvertrag Georg Nüßlein hat in zwei Arbeitskreisen für die CSU in Berlin mitverhandelt. Mit den Ergebnissen ist der Abgeordnete zufrieden – auch weil seine Forderungen im Papier stehen
Günzburg/Berlin Jetzt liegt es noch an den SPD-Mitgliedern, ob es eine Neuauflage der Großen Koalition tatsächlich geben wird. Die Politiker von CDU, CSU und SPD haben in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch die letzten großen inhaltlichen Brocken aus dem Weg geräumt – und sich auf die Verteilung der Ressorts in der neuen Bundesregierung geeinigt. Einer, der sowohl beim Jamaika-Modell als auch während der Koalitionsverhandlungen mit den Sozialdemokraten am Tisch saß, ist der 48-jährige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein aus Münsterhausen. Die vergangenen Wochen, sagt Nüßlein im Gespräch mit unserer Zeitung, seien an die Substanz gegangen und seien zum Teil zermürbend gewesen. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch habe er sich „um halb drei Uhr in der Früh absentiert“. Doch letztlich habe sich der wenige Schlaf gelohnt, um zu einem „inhaltlich ausgewogenen Koalitionsvertrag“zu kommen. Die Vereinbarung sei ein Beleg dafür, „dass Politik doch etwas bewegen kann“.
In vielen Dingen, bilanziert Nüßlein, hat sich die Union sehr gut positionieren können. Als Verhandlungsführer für die CSU im Bereich Gesundheit hat er nach eigenen Angaben noch Dienstagnacht mit der SPD-Bundestagsfraktionschefin Andrea Nahles, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer an Formulierungen gearbeitet. Für Nüßlein war wichtig, „dass es zu keiner Bürgerversicherung kommt“. Eine Kommission soll eruieren, ob und wie die Honorarordnungen von privat wie gesetzlich Versicherten reformiert werden können. „In den Medien ist bereits herumgegeistert, dass eine gemeinsame Honorarordnung für die gesetzliche und die private Krankenversicherung vorbereitet werden soll. Das stimmt nicht. Eine gemeinsame Honorarordnung ist nicht beschlossen worden“, sagt Nüßlein. Die Honorarordnungen beider Versicherungssysteme „sind zu verschieden. Deshalb kann man sie auch nicht kreuzen“.
Für die gesetzlich Versicherten werde an vielen Stellen etwas getan, erläutert der CSU-Gesundheitsexperte: Derzeit seien beispielsweise Fachärzte am Quartalsende „eher zurückhaltend bei der Terminvergabe, wenn sie an Kassenpatienten nicht mehr so viel zu verdienen scheinen“. Künftig soll es Nüßlein zufolge eine wöchentliche Mindestzeit geben, die gesetzlich Versicherten eingeräumt werden müsse. Der Politiker gab die Größenordnung mit „25 Stunden“an. Die Vergütung für „sprechende Medizin“und ärztliche Versorgung in ländlichen Regionen werde angehoben. Außerdem sollen die bereits eingerichteten Terminservicestellen von Hausärzten auf Fach- und Kinderärzte ausgedehnt werden. Damit soll die Vermittlung eines Behandlungstermins innerhalb einer gewissen Zeit garantiert werden.
Nüßlein erwähnt gegenüber unserer Zeitung zwei zentrale Forderungen, die er in dem Koalitionspapier unterbringen konnte und die „den Patienten konkret weiterhelfen werden“: Zum einen soll es auf dem flachen Land grundsätzlich keine Zulassungssperren für Neuniederlassungen von Ärztinnen und Ärzten geben. Der planerische Versorgungsgrad einer Region dürfe nicht mehr der begrenzende Maßstab sein. „Wenn es im Landkreis Günzburg angeblich genügend Fachärzte gibt und es dennoch Monate dauert, bis der Patient einen Termin hat, dann ist das nicht mehr nachvollziehbar.“Die bislang gültige Regelung, über die im Freistaat die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) wacht, ist für den CSU-Gesundheitspolitiker „ein Instrument aus der Planwirtschaft, das abgeschafft gehört“.
Für noch relevanter hält der stellvertretende CDU-/CSU-Fraktionsvorsitzende, dass in den Krankenhäusern die Pflegepersonalkosten künftig nicht mehr Teil der Fallpauschalenvergütung sein sollen. „Wir nehmen die Pflegepersonalkosten aus dem Preiswettbewerb heraus und decken künftig wieder die tatsächlichen Personalkosten der einzelnen Krankenhäuser“, sagt Nüßlein. Damit würden die Krankenhäuser in diesem zentralen Bereich finanziell deutlich entlastet und erhalten das notwendige Geld für eine gute pflegerische Versorgung.
Mit der Ressortverteilung ist der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, der auch im Energie-Arbeitskreis verhandelt hat, „für die CSU zufrieden“. Bayerns Noch-Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer gelte für den Posten des Innenministers (erweitert um die Felder Bau und Heimat) als gesetzt. Mit diesem und dem Entwicklungsministerium könne „Flüchtlingspolitik aus einem Guss“gemacht werden. Da könnte mit Gerd Müller, der im Kreis Günzburg aufgewachsen ist, der alte auch durchaus der neue Minister sein. „Er hat sehr gute Chancen. Ein schwäbischer Bundesminister ist gut für die Region.“Als innerparteiliche Konkurrentin gilt Dorothee Bär.
Die Honorarordnungen „kann man nicht kreuzen“