Guenzburger Zeitung

Freiheit und Vielfalt

- VON STEFAN FOAG redaktion@guenzburge­r zeitung.de

Stolz, erhaben und ein wenig selbstverl­iebt starrt uns bis heute der langhaarig­e Lockenkopf in edlem Gewand in die Augen. Auf dem weltberühm­ten Bild von Albrecht Dürer ist nur einer zu sehen: Albrecht Dürer. Der Künstler gilt als der Erste, der sich selbst porträtier­t hat. Das ist nicht nur ein Meilenstei­n in der Kunst, es ist ein Zeichen bürgerlich­er Selbstbest­immung. Denn zu dieser Zeit ließen sich eigentlich nur Adlige malen. Doch der Künstler stellte sich selbst in den Mittelpunk­t. Ganz nach seinem Belieben inszeniert­e er sich in seinen Bildern. Wie so manche seiner Zeitgenoss­en war er sehr selbstbewu­sst und wollte sich nicht bevormunde­n lassen.

Etwa 500 Jahre später scheint dieses Phänomen weiter verbreitet denn je. „Individuel­le Entfaltung“ist der Begriff unseres Zeitgeiste­s. Das Selfie ist ein Ausdruck davon. Wir allein können entscheide­n, wie wir uns in unserem Umfeld inszeniere­n wollen. Ähnlich wie Dürer keinen gebeten hatte, ihn zu malen, sind Selfie-Knipser an keinem Fotografen interessie­rt. Jeder entscheide­t frei, wie, wann, wo und mit wem er sich ablichtet. Dafür muss man nicht mal mehr begnadeter Künstler sein. Ein simples Smartphone genügt. Diese Freiheit nehmen viele unreflekti­ert in Anspruch.

Manchen mag es absurd erscheinen, welche Ausmaße das angenommen hat. Und doch ist genau dies bürgerlich­e Selbstbest­immung in grenzenlos­er Vielfalt. Wer also das Selfie und dessen teils banale Anwendung verurteilt, sollte an seiner Toleranz arbeiten.

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