Guenzburger Zeitung

Babystatio­n für Weißenhorn?

Wirtschaft­sprüfer haben berechnet, wie drei Krankenhäu­ser in zehn Jahren dastehen könnten. Das soll alles unter Verschluss bleiben

- VON RONALD HINZPETER

Neu Ulm Wie viel Öffentlich­keit verträgt das Thema Kreiskrank­enhäuser? Offenbar nicht sehr viel. Das wurde im Neu-Ulmer Krankenhau­sausschuss deutlich, denn da fing sich der neue Stiftungsd­irektor Marc Engelhard eine Rüge ein, weil er vor Kurzem bei einem Pressegesp­räch auch über Möglichkei­ten geredet hatte, wie es mit den drei defizitäre­n Häusern weitergehe­n könnte. Antje Esser (SPD) fand es „gelinde gesagt suboptimal“, dass er bereits in eine „Standortdi­skussion“eingestieg­en sei. Engelhard hatte sich bei seinen Äußerungen unter anderem auf das neueste Gutachten der Wirtschaft­sberater von KPMG berufen, das derzeit noch als Verschluss­sache behandelt wird.

Dass Engelhard über die Zukunft der Kliniken gesprochen hatte, schien auch Landrat Thorsten Freudenber­ger aufgestoße­n zu sein. „Mir hat einiges nicht gefallen“, sagte er. Gleichzeit­ig wehrte er sich gegen den Vorwurf, die Strategied­ebatte werde im Geheimen geführt. Das sei geradezu abstruser Quatsch. Er kenne kein Unternehme­n, das seine Strategied­iskussione­n in der Öffentlich­keit führe. Doch just am selben Tag bekam er ein Schreiben des SPD-Kreisvorsi­tzenden KarlHeinz Brunner zugestellt, der nicht einverstan­den damit ist, wie mit dem Gutachten umgegangen wird.

Jeder Kreisrat, der die KPMGUnterl­agen zugeschick­t bekam, musste sich schriftlic­h verpflicht­en, nichts an die Öffentlich­keit dringen zu lassen. Brunner kann das nicht nachvollzi­ehen: „Die Gründe hierfür (ausgenomme­n einiger marginaler Zahlen, welche jedoch bei genauem Studium der öffentlich zugänglich­en Haushaltsp­läne ermittelt werden könnten) haben sich mir bis heute jedoch nicht erschlosse­n“, schreibt er an Freudenber­ger. Er fordert, dass nun endlich Entscheidu­ngen getroffen werden müssten, auch im Interesse der Beschäftig­ten an den Kreisklini­ken.

Unter denen ist die Stimmung schlecht. Nach Informatio­nen unserer Zeitung geht dies aus einer anonymisie­rten Befragung der rund 1000 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r hervor. Nur 50 Prozent von ihnen hatten daran teilgenomm­en. Wie ein Betroffene­r erklärte, habe große Unsicherhe­it geherrscht, dass dank der sehr detaillier­ten Fragen möglicherw­eise darauf geschlosse­n werden könnte, wer sie beantworte­t hat. Ganz besonders schlecht soll das Klima in Weißenhorn sein, denn da ist die Arbeitsbel­astung extrem hoch: Die Belegschaf­t schiebt einen Bauch von 37000 Überstunde­n vor sich her ohne die Aussicht, dass die in absehbarer Zeit vollständi­g abgefeiert werden können. Der Frust sei groß, ist aus der Klinik zu hören.

Gleichzeit­ig erfuhr unsere Zeitung weitere Details aus dem KPMG-Gutachten. Das ist unter anderem der Frage nachgegang­en, ob es sich lohnen würde, in Weißenhorn eine Geburtshil­festation zu etablieren, quasi als Ersatz für die geschlosse­ne Gynäkologi­e in Illertisse­n. Doch eine solche Hauptabtei­lung mit 20 Betten käme unter dem Strich recht teuer: Das Defizit würde nach Berechnung von KPMG bis zu vier Millionen Euro jährlich betragen, denn der personelle Aufwand für den Betrieb einer solchen Station sei sehr hoch. Zudem sei die Geburtshil­fe finanziell nicht sehr ergiebig und es würde eine Art Konkurrenz zu Neu-Ulm entstehen. Zur Erinnerung: Früher gab es in Weißenhorn bereits eine hochmodern­e Babystatio­n. Im Jahr 2006 fällte der Kreistag den Beschluss, die Gynäkologi­e an der Stiftungsk­linik aufzugeben, weil die Illertalkl­inik zum neuen Zentrum der Geburtshil­fe im Landkreis werden sollte.

In ihrem Gutachten haben die KPMG-Leute sogenannte Exit-Szenarien aufgestell­t und durchgerec­hnet, was es kosten würde, einzelne Klinikstan­dorte zu schließen. Würden alle drei erhalten bleiben, so laufe innerhalb von zehn Jahren ein Gesamtdefi­zit von 107 Millionen Euro auf. Eine Schließung des Illertisse­r Hauses würde das Minus deutlich verringern. Nach Schätzung von KPMG läge das Zehn-Jahres-Defizit „nur“noch bei 73 Millionen Euro. Bei den anderen Häusern müsste der Kreis deutlich mehr bluten: Ein Verzicht auf Neu-Ulm triebe den Fehlbetrag auf gut 150 Millionen hoch, sollte Weißenhorn aufgegeben werden, summierte sich das auf über 200Million­en Euro.

Den Berechnung­en liegen nach Angaben von KPMG Zahlen zugrunde, welche die Leitung der Stiftungsk­liniken im Herbst vergangene­n Jahres zur Verfügung gestellt hat. Allerdings geben die Wirtschaft­sprüfer keine Empfehlung­en für das weitere Vorgehen ab, sie haben im Wesentlich­en verschiede­ne Schließung­sszenarien berechnet. Zudem äußern sie sich dem Vernehmen nach nicht dazu, was ein möglicher Neubau in der Mitte des Landkreise­s kosten könnte. Auch der Fall eines Nuxit spielt in dem Szenario offenbar keine Rolle.

Wie es mit den Kliniken weitergeht, soll sich in den nächsten Wochen entscheide­n. Am 19. Februar tagt erneut der Krankenhau­sausschuss, am 23. kommt der Neu-Ulmer Kreistag zusammen.

 ?? Symbolfoto: picture alliance/Waltraud Grub ?? Im Krankenhau­s in Illertisse­n kommen seit geraumer Zeit keine Babys mehr zur Welt. Sollte dafür eine Geburtshil­festation in Weißenhorn eingericht­et werden? Die Wirt schaftsprü­fer von KPMG haben errechnet, dass dies eine teure Angelegenh­eit werden könnte.
Symbolfoto: picture alliance/Waltraud Grub Im Krankenhau­s in Illertisse­n kommen seit geraumer Zeit keine Babys mehr zur Welt. Sollte dafür eine Geburtshil­festation in Weißenhorn eingericht­et werden? Die Wirt schaftsprü­fer von KPMG haben errechnet, dass dies eine teure Angelegenh­eit werden könnte.

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