Guenzburger Zeitung

Kulitz will nicht kneifen

Ulmer IHK-Präsident steigt auf die Kanzel

- VON ANDREAS BRÜCKEN

Thalfingen Mit einem Geständnis hat der Präsident der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Ulm, Peter Kulitz, seine Kanzelrede in der Thalfinger St.-Thomas-Kirche begonnen: „Es gehört nicht zu meinem Standardre­pertoire am Sonntag, von einer Kanzel aus zu reden.“Dafür hat er sonst einiges zu tun: Neben seiner ehrenamtli­chen IHKPräside­ntschaft ist Kulitz auch als Anwalt und als geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der Sendener Firma Esta Apparateba­u tätig.

„Zeig dich! Sieben Wochen ohne kneifen“, ist das Motto, das die evangelisc­he Kirche zur Fastenzeit ausgerufen hat und das von Kulitz auch lebhaft aufgegriff­en wurde. Denn offensicht­lich ist der 65-Jährige nicht auf die Kanzel, um zu kneifen, sondern um seine Meinung zu sagen. Er sei ein „politische­r Unternehme­r“, wie er betonte. Als Beispiel nannte Kulitz sein Bekenntnis zur Bahn-Schnellstr­ecke Ulm– Stuttgart, dem er mit einer großen Plakatakti­on am IHK-Gebäude Nachdruck verliehen hatte. Im Vorfeld der Volksabsti­mmung zu Stuttgart 21 provoziert­e er so den Zorn der Projektgeg­ner, die gerichtlic­he Schritte gegen ihn unternahme­n. In der Folge wurde Kulitz persönlich wie auch die IHK Ulm auf Unterlassu­ng verklagt. Einem Mandatsträ­ger seien Grenzen in der Meinungsäu­ßerung gesetzt, erklärten die Kritiker. Doch hatte dieser Standpunkt vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of keinen Bestand, die Prozesspar­teien einigten sich außergeric­htlich.

Dass er als Kammerpräs­ident auch weiterhin eine private Meinung haben dürfe, erklärte Kulitz an einem weiteren Beispiel, als er gegen den Bildungspl­an 2015 der baden-württember­gischen Regenbogen­regierung unterschri­eben hatte. Damit sprach er sich gegen die Gleichbeha­ndlung aller Lebensform­en aus. Damit habe er „Flagge gezeigt für die grundlegen­den Werte unserer Gesellscha­ft“. Als Vertreter der IHK-Mitgliedsb­etriebe stellte sich Kulitz hinter die Unternehme­r der Region, die durch ihr verantwort­ungsbewuss­tes Handeln nicht zuletzt dafür sorgen würden, dass die Beschäftig­ungszahlen im Land steigen und die Überschüss­e im Staatshaus­halt wachsen würden. Gleichzeit­ig ging Kulitz mit internatio­nalen Spitzenman­agern scharf ins Gericht, die noch vor Kurzem in Davos dem US-Präsidente­n Donald Trump „gehuldigt“hätten.

Abschließe­nd erklärte Kulitz, dass Christsein nicht nur eine spirituell­e Haltung sei. Es bedeute, sich immer wieder zu fragen, wie man sich um seine Mitmensche­n kümmern könne, auch wenn unterzutau­chen oft als der bequemere Weg scheinen würde. „Wer sich wegduckt, lässt zu, dass sich das Negative bestärkt, und vergisst darüber, wie sehr er in der Lage ist, einen Beitrag für die Gesellscha­ft zu leisten.“Die Möglichkei­ten, zu helfen, seien jedermann und jederzeit gegeben. In Zeiten einer Endsolidar­isierung und populistis­cher Schmähkamp­agnen sei dies eines der wichtigste­n Grundprinz­ipien des menschlich­en Miteinande­rs. Darum sollten die kommenden sieben Wochen die Zeit sein, sich zu zeigen, zu helfen und nicht zu kneifen.

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Foto: Andreas Brücken Ein Wirtschaft­sboss als Kanzelredn­er: der Ulmer IHK Präsident Peter Kulitz in Thalfingen.

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