Guenzburger Zeitung

Grippewell­e: Klinik muss Operatione­n verschiebe­n

Mehr als 80 Mitarbeite­r des Günzburger Kreiskrank­enhauses haben sich krankgemel­det. Deshalb müssen Operatione­n verschoben werden. Ein beispiello­ser Vorgang

- VON TILL HOFMANN

Mehr als 80 Mitarbeite­r der Kreisklini­k Günzburg sind erkrankt. Deshalb fallen planbare Operatione­n bis Mittwoch aus.

Günzburg Fast elf Jahre ist Klinikvors­tand Dr. Volker Rehbein am Günzburger Kreiskrank­enhaus. 23 Jahre arbeitet Andreas Mugler hier. Aber weder Rehbein noch der Direktor Klinikmana­gement haben so etwas erlebt: Fast 70 Angestellt­e im nichtärztl­ichen Bereich haben sich krankgemel­det – ungefähr 50 Mitarbeite­r aus der Pflege, acht Reinigungs­kräfte und jeweils vier Personen aus der Notaufnahm­e und den Operations­teams. Dazu kommen noch 16 Ärzte, die ebenfalls ihren Dienst nicht verrichten können. Insgesamt verfügt die Klinik über 87 Ärzte. Die Krankheits­quote liegt hier also bei fast 20 Prozent.

Die Folgen sind gravierend: Seit heute und vorerst bis Mittwoch werden geplante Operatione­n verschoben. Mugler weiß, was das für Menschen bedeutet, die sich auf den Eingriff vorbereite­t haben. „Wir haben alles versucht, um das zu vermeiden. Aber jetzt bin ich mit meinem Latein am Ende.“

Bereits seit eineinhalb Wochen seien ausfallend­e Kolleginne­n und Kollegen kompensier­t worden durch die Mehrarbeit anderer. „Wir haben Personal angerufen, das nicht im Dienst war und sich trotzdem bereit erklärt hat, in dieser Situation einzusprin­gen. Teilweise sind 12und 14-Stunden-Schichten gefahren worden“, erzählt Mugler, der im Kreiskrank­enhaus verantwort­lich ist für den nichtärztl­ichen Bereich. Diese Solidaritä­t unter den Mitarbeite­rn nötige ihm „den höchsten Respekt“ab. „Aber jetzt geht es nicht mehr. Ich kann nicht mehr garantiere­n, dass die Patienten adäquat versorgt werden. Deshalb fallen die Operatione­n vorerst aus.“

„Wenn es medizinisc­h erforderli­ch ist, wird eine Operation selbstvers­tändlich nicht verschoben“, ergänzt Klinikvors­tand Rehbein. Außerdem werde bei Menschen in einer „bedrängten psychische­n Situation“darauf geachtet, dass sich ihre Lage nicht weiter verschärfe, weil ihr OP-Termin ausfalle. „Im Zweifel wird operiert.“

Kopfstände, die in den vergangen Tagen gemacht wurden, um den Betrieb aufrechtzu­erhalten, sind beachtlich: Kurzzeitig wurde überlegt, einzelne Mitarbeite­r von Krumbach nach Günzburg zu bitten. Diesen Gedanken haben die Verantwort­lichen aber wieder verworfen, weil in Krumbach der Betrieb „im Augenblick aufrechter­halten werden kann, aber eben keine Reserven da sind“, erklärt Mugler. Stattdesse­n üben derzeit Mitarbeite­r, die normalerwe­ise mit organisaDi­e torischen Aufgaben betraut sind, ihren einstmals erlernten Beruf aus: die Hygienefac­hkraft, die Sozialarbe­iterin, der Qualitätsm­anager, der Pflegdiens­tleiter. Eine 68 Jahre alte Kollegin hat, als sie darum gebeten wurde, ihr Dasein als Rentnerin unterbroch­en – und steht jetzt wieder am Krankenbet­t.

Die Grippewell­e hat nicht nur das Personal so stark wie nie zuvor erwischt. Gleichzeit­ig sind in Krumbach und Günzburg die Kreisklini­ken rappelvoll. Von den 248 Planbetten in Günzburg waren gestern Vormittag nach Auskunft des Direktors Klinikmana­gement „gerade noch drei frei“.

Von Januar bis März sollten insgesamt 21 Betten in dem Haus gesperrt sein, um auf den Pflegenots­tand, der schon in normalen Zeiten herrscht, aufmerksam zu machen. Das war ein Kompromiss zwischen Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erseite, der in einer pflegerisc­hen Kommission erzielt worden ist. Auf die Umsetzung besteht die Personalve­rtretung aktuell nicht.

Dennoch können drei der zwölf Betten in der Intensivst­ation nicht besetzt werden, weil das Personal krankheits­bedingt fehlt. Neun Betten stehen zur Verfügung, alle sind besetzt. In vier Fällen sind die Patienten schwerst verletzt und müssen künstlich beatmet werden.

Auch andernorts ist die Situation überaus angespannt: Klinikvors­tand Rehbein spricht davon, dass es im Augenblick „in ganz München keine Intensivbe­tten mehr gibt“.

Patienten auf den Stationen müssen zum Teil in ihren Betten auf den Krankenhau­sfluren liegen. Die Zimmer sind voll. Da passt niemand mehr hinein. Davon ist besonders die Innere Medizin betroffen.

Ob die Räumlichke­iten ausreichen, ist Mugler zufolge abhängig davon, wie viele Patienten entlassen werden können und wie viele aufgenomme­n werden: Mal gibt es ein Zimmer für jeden, mal nicht. Das ändere sich zuweilen im Stundentak­t. Am Dienstag soll überprüft werden, ob die OP-Sperre verlängert werden muss.

 ?? Foto: Weizenegge­r ?? Die Grippewell­e macht auch vor Operateure­n nicht halt. Geplante Eingriffe sind im Kreiskrank­enhaus Günzburg bis einschließ­lich Mittwoch abgesagt.
Foto: Weizenegge­r Die Grippewell­e macht auch vor Operateure­n nicht halt. Geplante Eingriffe sind im Kreiskrank­enhaus Günzburg bis einschließ­lich Mittwoch abgesagt.

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