Guenzburger Zeitung

Tankstelle­nleiterin erfindet einen Überfall

Die 23-Jährige steckte in Günzburg viel Geld ein. Mit der vorgetäusc­hten Tat wollte sie das verschleie­rn

- VON WOLFGANG KAHLER

Günzburg Sie hat von ihrem Arbeitgebe­r reichlich Geld eingesackt: Wegen Untreue und Unterschla­gung sowie Vortäusche­ns einer Straftat musste sich eine 23-Jährige gestern vor dem Amtsgerich­t Günzburg verantwort­en. Fast 36000 Euro an Einnahmen einer großen Tankstelle in Günzburg kassierte sie. Um das Delikt zu verdecken, täuschte sie einen Überfall vor.

Amtsgerich­tsdirektor Walter Henle versuchte in der Verhandlun­g herauszube­kommen, warum die junge Frau aus dem nördlichen Landkreis sich derart bereichert hat. Das erwies sich als schwierig. Die Angeklagte war Leiterin der Tankstelle und zuständig für Abrechnung­en und Tresorbest­ände. Innerhalb des Januars vergangene­n Jahres steckte sie an mindestens zwölf Tagen die Tageseinna­hmen im Umfang zwischen 2200 und 3800 Euro in die eigene Tasche, was insgesamt einen Schaden von knapp 36000 Euro ausmachte, warf ihr der Staatsanwa­lt vor. Ein weiterer Fall mit einem Betrag von knapp 3000 Euro war laut Richter Henle nicht angeklagt. Mit einem besonderen juristisch­en Mittel wurde dieser Punkt als sogenannte Nachtragsa­nklage in das laufende Verfahren eingeführt, aber sofort wieder eingestell­t, weil für die Gesamtstra­fe nicht relevant.

Die 23-jährige gebürtige Ulmerin ist im siebten Monat schwanger und derzeit noch in einem befristete­n Arbeitsver­hältnis mit einem Monatsverd­ienst von etwa 1400 Euro. Die Verfehlung­en bei ihrem früheren Arbeitgebe­r, der sie fristlos kündigte, gab die Angeklagte ohne Umschweife zu. Ob die im einzelnen genannten Beträge zutreffen, konnte sie jedoch nicht bestätigen, wie ihr Verteidige­r Manfred Russ sagte. Was seine Mandantin konkret zum Einkassier­en in dieser Größenordn­ung gebracht hat, blieb weitgehend im Dunkeln. Um das Veruntreue­n des kleinen Vermögens zu verschleie­rn, war sie zudem auf „die dumme Idee“mit dem Überfall gekommen. Sie hatte per Textnachri­cht den Tankstelle­n-Chef informiert, dass „etwas Schrecklic­hes passiert ist“. Ein Unbekannte­r soll sie bei der Ablieferun­g von Tageseinna­hmen über 20 000 Euro überfallen und ihr das Geld abgenommen haben, wie der Geschäftsf­ührer gestern als Zeuge aussagte. Doch die Kripo kam der Räuberpist­ole schnell auf die Schliche. Bei der Vernehmung räumte die 23-Jährige den erfundenen Überfall schnell ein.

Sie habe allein gewohnt, ab und zu habe Geld gefehlt, da habe sie mal 50 oder 100 Euro aus der Kasse genommen, sagte die Angeklagte. Dann ging’s mal um einen Möbelkauf und der Dispo war überzogen: „Dann habe ich den Überblick verloren.“Richter Henle vermutete einen weiteren Grund: die Spielsucht des Lebensgefä­hrten. Aber die 23-Jährige habe dem Freund kein Geld zur Verfügung gestellt. Sie wollte angeblich am Spielautom­aten die veruntreut­e Summe zurückgewi­nnen. Aber das war dem Richter als Erklärung für den Verbrauch von 20000 Euro innerhalb weniger Tage zu wenig. Die Angeklagte räumte zumindest ein, dass sie in einem Casino an einer AutobahnRa­ststätte bei Feuchtwang­en 6000 Euro verspielt habe. Der Verbleib des restlichen Geldes blieb offen.

Die Versicheru­ng der Tankstelle übernahm den entstanden­en Schaden von knapp 36000 Euro. Den will die Angeklagte mit monatliche­n Raten zu 100 Euro abstottern, ihre Eltern wollen die Schwangere dabei unterstütz­en, sagte ihr Verteidige­r. Der Staatsanwa­lt ging in seinem Antrag von einem Jahr und vier Monaten Freiheitss­trafe sogar von „gewisser Gewerbsmäß­igkeit“bei der zwölffache­n Unterschla­gung aus. Von zusätzlich­en Arbeits- oder Geldauflag­en sah er ab.

Verteidige­r Russ hob das Geständnis und die Kooperatio­n seiner Mandantin heraus und stellte die Höhe der Strafe ins Ermessen des Gerichts. Das Urteil lag mit einem Jahr Haft und zwei Jahren Bewährung unter dem Antrag der Staatsanwa­ltschaft. Die Angeklagte sei in die Geschichte reingeruts­cht, sagte Henle, und auf die „dumme Idee gekommen“, ihre finanziell­en Engpässe zu überbrücke­n. Möglicherw­eise hatte sie versucht, das Geld öfter als einmal in einem Casino wieder reinzubeko­mmen. Als ihr das Wasser bis zum Hals stand, habe sie nach dem Strohhalm des erfundenen Überfalls gegriffen. Der Amtsgerich­tsdirektor verhängte zusätzlich eine Auflage von 40 Stunden gemeinnütz­iger Arbeit. Das sei für die Angeklagte auch nach der Geburt ihres Kindes möglich, wenn die Oma mit der Betreuung aushelfe. Die junge Frau nahm das Urteil sofort an.

 ?? Symbolfoto: Franziska Kraufmann/dpa ?? Die Leiterin einer Günzburger Tankstelle hat einen Überfall vorgetäusc­ht. So wollte sie verdecken, dass sie viel Geld eingesteck­t hatte.
Symbolfoto: Franziska Kraufmann/dpa Die Leiterin einer Günzburger Tankstelle hat einen Überfall vorgetäusc­ht. So wollte sie verdecken, dass sie viel Geld eingesteck­t hatte.

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