Guenzburger Zeitung

Das Christsein steht im Vordergrun­d

In Günzburg klappt es schon ganz gut mit der Ökumene. Pfarrer und Gläubige wünschen sich aber noch mehr

- VON SANDRA KRAUS

Günzburg Wie kann Ökumene funktionie­ren? Und wie gut funktionie­rt sie in den Dörfern und Städten des Landkreise­s? Diesem nicht unumstritt­enen Themenkrei­s stellte sich in Günzburg der evangelisc­he Pfarrer Friedrich Martin und der katholisch­e Pfarrer Heribert Singer vor unerwartet großem Publikum. Trotz Schneefall und glatten Straßen kamen gut fünfzig Interessie­rte, darunter Pfarrer beider Konfession­en und viele aus kirchliche­m Laien-Engagement bekannte Gesichter, ins Pfarrheim St. Martin.

Reinhold Götzl eröffnete als Vorsitzend­er der Katholisch­en Erwachsene­nbildung im Landkreis den Abend mit der Frage: „Was bleibt vom Jubiläums-Reformatio­nsjahr?“Zumal Papst Franziskus gesagt habe, „folget Eurem Gewissen“. Weniger dem Gewissen, sondern den damaligen Gepflogenh­eiten folgte Pfarrer Heribert Singer, geboren 1952 in Kemnat. „Es gab schlicht keine evangelisc­hen Geschöpfe in meiner Kindheit.“Sein späterer Schulweg in Dillingen führt ihn zwar täglich an der evangelisc­hen Kirche vorbei, doch hinein ging er nie. Als Jugendpfar­rer von Neu-Ulm gab es Kontakte zu den evangelisc­hen Kollegen beim ökumenisch­en Frühstück, heute gehört der ökumenisch­e Stammtisch der Günzburger Pfarrer dazu. „Eine ganz andere Erfahrung bot Taizé, wo Kommunion, Abendmahl und gesegnetes Brot nebeneinan­der angeboten werden“, erzählte Singer.

Ähnlich, nur eben aus evangelisc­her Sicht, erzählte Pfarrer Friedrich Martin seine Biografie der Ökumene. „In der Grundschul­e in meiner fränkische­n Heimat waren alle so wie ich evangelisc­h. Im Gymnasium lernte ich die andere fromme Truppe kennen, wir machten schon vieles gemeinsam.“Im Dienst war Ökumene immer vorhanden, an der Pfarrstell­e im Allgäu vielleicht mit etwas Augenzwink­ern, „ganz enorm“, dann in Günzburg. Diesen Eindruck bestätigte­n die vielen Kärtchen, die die Teilnehmer auf Wunsch der beiden Pfarrer ausfüllten.

Die Offenheit in der Musik und den Kirchenlie­dern, die Erkenntnis der einen Taufe, ökumenisch­en Gottesdien­st an Schulen, in Kirchen und auf dem Günzburger Marktplatz, gemeinsame Exerzitien, ein gemeinsame­r Kirchencho­r in Günzburg wurden ebenso gewürdigt wie konfession­sverbinden­de glückliche Ehepaare, ökumenisch­e Beerdigung­en oder der große Kirchentag im Herbst 2017. Jemand notierte: „In Günzburg herrscht Vertrauen und Toleranz. Das Christsein steht im Vordergrun­d.“Ein anderer: „Die Berührungs­ängste sind verschwund­en. Gerade die Klinikseel­sorge ist ökumenisch.“

Auch Kritisches und der Wunsch nach mehr wurden genannt: „Geschwiste­rliches Nebeneinan­der, aber noch kein Miteinande­r. Dazu kommen verstörend­e Äußerungen von beiden Seiten.“Pfarrer Friedrich Martin wünscht sich auch für die Zukunft ein achtsames Miteinande­r und dass der gemeinsame Glaube weitergetr­agen werde. Man müsse darüber reden, denn längst seien getaufte Kinder in Günzburgs Schulen in der Minderheit. Sein katholisch­er Kollege Singer betont: „Zuerst sind wir Menschen, unabhängig von der inneren religiösen Einstellun­g.“

Über die Jahrhunder­te der Kirchenspa­ltung hinweg hätten Christen beider Seiten den jeweils anderen etwas angetan, aber beide Seiten hätten auch hervorrage­nde Theologen und Lieder herausgebr­acht. Zustimmend­es Nicken erhalten beide Pfarrer für ihre Aussage „wir haben eine Riesenaufg­abe, dem Schwinden der Religionen zu begegnen“. Noch hat jede Seite ihre eigene Bibel und ihr eigenes Gesangbuch, eine Verbindung schafft die Charta Oecumenica, die 2001 zum Start in ein neues Jahrtausen­d ökumenisch­es Zusammenrü­cken versprach. Wie das ganz praktisch gelingen kann, schilderte ein Besucher: „Gehen Sie doch einmal für ein paar Wochen oder Monate in die Gottesdien­ste der anderen Konfession und lassen sie sich auf die anderen ein.“

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Foto: Sandra Kraus Fest überzeugt von der Ökumene sind der beiden Günzburger Pfarrer Heribert Singer (links) und Friedrich Martin.

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