Ein „halber Norweger“aus Krumbach
Josef Knöpfle ist vom Skilanglauf besessen. Wie er zu dem nordischen Sport kam, wo er überall unterwegs war und warum der 76-Jährige die schmalen Bretter noch lange anschnallen will
Krumbach Pustertaler, Gsieser, Koasa, Ganghofer, König Ludwig, Engadiner, Birkebeiner, Vasa: Was klingt wie eine Sammlung von Käsesorten, sind in Wahrheit europäische Skilanglauf-Klassiker mit Längen zwischen 30 und 90 Kilometern, von Italien bis Schweden. Und der Krumbacher Josef Knöpfle hat sie alle gemeistert, teilweise sogar bis zu 36-mal. Demnächst feiert er seinen 77. Geburtstag und denkt noch längst nicht daran, die schmalen Bretter, die für ihn die Welt bedeuten, in die Ecke zu stellen. Erst am vergangenen Wochenende hat er wieder 30 Kilometer in der klassischen Technik beim Volkslauf im Südtiroler Gsiesertal in Angriff genommen und mit Platz zehn (2:28:13 Stunden) unter 23 Startern in seiner Altersklasse erneut ein respektables Ergebnis erzielt.
Josef Knöpfle ist halt ein Langlauf-Besessener. Dabei ist er so was wie ein „Spätberufener“. Erst im Alter von 37 Jahren stand der ehemalige Fußballer des SV Wattenweiler erstmals auf den schmalen Brettern. In Südtirol machte er in den 70er-Jahren auf Schuppenski die ersten Gehversuche und fand gleich Gefallen am Langlaufen. Ein paar Jahre später musste er bei einer Langlauftour mit italienischen Freunden erkennen, wie viel schneller doch Wachsskier sind und hat sich umgehend Selbige angeeignet. Bereits eine Woche danach gewann er die Landkreismeisterschaft.
Doch allein mit neuen Skiern war es nicht getan. Die richtige Vorbereitung ist beim Langlauf das A und O. Welches Wachs für welche Schneebeschaffenheit und wie lange muss die Abstoßzone sein, um dem Ski beim Abstoßen den richtigen Halt zu verleihen und dennoch beim anschließenden Gleiten keine Abstriche machen zu müssen? Knöpfle brachte sich dieses Wissen selbst bei, freilich nicht ohne LehrgeldErfahrungen. „Einmal musste ich bei einem Lauf gleich dreimal nachwachsen“, erinnert sich Knöpfle.
Und so kann er nur allzu gut verstehen, welch schwierigen Job die Techniker zurzeit bei den Langlaufwettbewerben in Pyeongchang leisten. „Wachsen ist eine Wissenschaft für sich“, weiß der 76-jährige Krumbacher. Erst recht dann, wenn es – wie bei Olympia – um Hundertstelsekunden geht. „Ein falscher Griff in die Wachskiste und du bist ausgeliefert“, sagt Knöpfle. Selbst bei den Profis komme das hin und wieder mal vor, schließlich gehe es hier um Nuancen.
Doch ein schneller Ski allein macht noch keinen Medaillengewinner. Auch derjenige, der sie anschnallt, muss gut sein. Und darin sieht Knöpfle einen entscheidenden Vorteil der Skandinavier, auch gegenüber den Deutschen. Weil gerade in Norwegen die klimatischen Voraussetzungen passten, dort Skilanglauf Volkssport und Tradition sei und selbst Einjährige schon auf Langlaufskiern stehen, würden dort die Talente nicht ausgehen. Dazu komme wirtschaftliche Stärke, was wiederum zur Folge habe, dass auch das nötige Geld für den Aufwand, der für Langlauf betrieben wird, zur Verfügung steht. Und noch einen wichtigen Aspekt sieht Knöpfle in der Vorherrschaft der Skandinavier im Langlauf: „Erfolge schaffen Idole und spornen die Jugend an.“
Der Flachländer Knöpfle weiß wovon er spricht, schließlich sieht er sich als „halben Norweger“. Bei Laufveranstaltungen hat er schon vor vielen Jahren Kontakte zu Gleichgesinnten aus dem hohen Norden geknüpft, oft ist er immer noch dort zu Besuch. In bester Erin- nerung ist ihm auch ein zweimaliger einstündiger Langlaufkurs mit der Norweger Langlauf-Legende Bjørn Daehlie.
Also könnte man vermuten, dass zwei Herzen in der Brust von Josef Knöpfle schlagen, wenn in Südkorea die Langlaufwettbewerbe über die Bühne gehen. Die verfolgt er, neben anderen Sportarten, mit großem Interesse live am Fernseher. Doch dem ist nicht so. Die Sympathien für Sportler macht er nicht von der Nationalität abhängig, sondern von dem, wie sich die Sportler geben. „Der Bessere soll gewinnen“, bringt es der Krumbacher auf den Punkt.
Beim abschließenden 50-Kilometerlauf der Langläufer am Samstag, der in der klassischen Technik ausgetragen wird, zählt er den Schweizer Dario Cologna, den Kasachen Alexei Jurjewitsch Poltoranin und den Norweger Martin Johnsrud Sundby zu den Favoriten. Und die Deutschen? „Dabeisein ist auch Olympia“, so der schlichte Kommentar des Rentners zu den Chancen seiner Landsleute.
Josef Knöpfle, der sich Ende der 80er-Jahre auch die aufkommende „freie Technik“(Skating) aneignete, die Vorliebe für die klassische Variante aber bis heute behalten hat, weiß was es heißt, solche Strecken auf den schmalen „Latten“zu bewältigen. Fünf Mal den 54 Kilometer langen Birkebeiner („Es ist der Schwerste, weil hier 1200 Höhenmeter zu bewältigen sind“) und einmal den 90 Kilometer langen VasaLauf – und diesen im Alter von 60 Jahren – erfolgreich zu bestehen, da sind Ehrgeiz und eiserner Wille gefordert. „Man muss viel trainieren, sich innerlich auf den Lauf einstellen und überzeugt sein, dass man es schafft“, führt der Krumbacher als Voraussetzung an, um solche Herausforderungen bewältigen zu können und heil ins Ziel zu kommen.
An solche Projekte wagt er sich freilich mit seinen 76 Jahren nicht mehr heran. Aber er denkt noch nicht daran, die Skier für immer abzuschnallen. Unter dem Motto:
Für Knöpfle müssen die Deutschen nicht gewinnen
„Turne bis zur Urne“will er Volksläufe mit Distanzen unter 50 Kilometern auch in den nächsten Jahren noch bestreiten, allerdings nicht mehr mit den gleichen Ambitionen. „Ich halte es nicht für sinnvoll, zu sagen, jetzt mach ich nichts mehr“, so Knöpfle. Schließlich ist er noch gut drauf und fühlt sich dem Alter entsprechend fit. Der kleine Unterschied werde jedoch sein, dass es ihm künftig nicht mehr ganz so wichtig ist, eine entsprechende Platzierung zu erreichen und im Vergleich zum Vorjahr oder zu bekannten Mitstreitern nicht abzufallen.
Die Zeiten, in denen er pro Saison rund 1000 Kilometer im Training und Wettkampf heruntergespult hat, sind jedenfalls vorbei. Jetzt ist es vielleicht noch die Hälfte, abhängig davon, ob man sozusagen vor der Haustür (in Winzer) laufen kann oder ins 100 Kilometer entfernte Allgäu zum Trainieren fahren muss. Dem Langlauf-Besessenen ist natürlich klar, dass er sich bei allem Ehrgeiz in fortschreitendem Alter immer mehr aufs Dabeisein und Ankommen beschränken muss. „Doch“, so der 76-Jährige, „das muss ja nicht schon morgen sein.“