Guenzburger Zeitung

Er ist noch da und doch schon weg

Der scheidende Ministerpr­äsident Horst Seehofer lässt sich keine Wehmut anmerken. Man müsse sich zum Abschied den Tatsachen stellen, sagt er

- VON ULI BACHMEIER

Augsburg Sein SMS-Speicher ist voll, aber seine Kontakte zu seinen Parteifreu­nden in München sind auf das unbedingt notwendige Maß begrenzt – und das liegt offenkundi­g nicht nur daran, dass eine Grippe ihn für mehr als eine Woche ins Bett gezwungen hatte. Horst Seehofer macht Ernst mit seiner Zusage an seinen Ministerpr­äsidenten-Nachfolger Markus Söder, ihm die Zukunft der Landespoli­tik zu überlassen. Über die anstehende­n Personalen­tscheidung­en in Berlin mag er auch nix Konkretes sagen – nicht intern und schon gar nicht öffentlich. Und mit den Gefühlen zum Abschied ist es auch so eine Sache. Wehmut? Ärger?

Seehofer ist noch da und doch schon weg. Aber er lässt sich nichts anmerken. Er hat Siege erlebt und Niederlage­n. 2013 hat er mit der CSU die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag zurückgeho­lt, 2017 hat er bei der Bundestags­wahl ein Debakel erleben müssen. Jetzt gibt er sein Regierungs­amt in Bayern auf und nimmt auch die Ungeduld der CSU-Landtagsab­geordneten, die lieber heute als morgen Söder zum Ministerpr­äsidenten wählen wollen, betont gelassen hin. „Das ist halt so in der Politik: Sie können eine Partei retten, aber ewig danken wird sie es ihnen nicht. Ich weiß das, deshalb ist das für mich auch kein schwierige­r Punkt“, sagt Seehofer und fügt hinzu: „Diesen Tatsachen müssen Sie sich stellen, sonst dürfen Sie solche Ämter nicht ausüben.“

Trotzdem erlebt er noch angenehme Termine im Freistaat – zum Beispiel in Schwaben. Gerade eben ist Seehofer vom Landkreis Augsburg geehrt worden, weil er geschafft hat, was auch seine großen Vorgänger Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber nicht hinbekomme­n hatten: ein Universitä­tsklinikum für Augsburg. Beim unmittelba­r anschließe­nden Besuch in der Redaktion unserer Zeitung zeigt er sich zufrieden. „Das war heute ein Beispiel dafür, dass wir in meiner Regierungs­zeit unsere Versprechu­ngen erfüllt haben.“Ein Verspreche­n hat er gestern gleich noch hinterherg­eschoben. Wenn bei der Sanierung des Klinikums Mehrkos- ten entstehen sollten, „dann ist klar, dass sie der Freistaat übernimmt“.

Kleine Freuden zum Abschied gibt es obendrein. In dem jahrelange­n Streit um eine dritte Start-undLande-Bahn am Flughafen München war Seehofer in der Vergangenh­eit oft gescholten worden. In der CSU-Fraktion im Landtag wurden sogar Unterschri­ften gesammelt, um ihn zum Bau der Bahn zu drängen. Seehofers Marschrout­e, die Entwicklun­g der Flugbewegu­ngen abzuwarten, aber möglichst noch vor der Wahl Stellung zu beziehen, war ihm als Zaudern ausgelegt worden. Jetzt sagt er: „Es erfüllt mich mit Genugtuung, dass die Fraktion mittlerwei­le denselben Standpunkt vertritt wie ich.“Und er dreht den Spieß um: „Ich hätte gerne den Leuten vor der Wahl klipp und klar gesagt: Yes or No.“

Von seiner Linie, die Amtsüberga­be in München erst zu vollziehen, wenn fest steht, wie es in Berlin weitergeht, lässt er sich nicht abbringen. „Da kann es keine unterschie­dlichen Theorien geben. Da ist alles besprochen und so wird es auch gemacht – im ersten Quartal 2018. Auf eine Woche früher oder später kommt es da nicht an.“Seehofer will das Ergebnis des SPD-Mitglieder­entscheids zur Großen Koalition am

4. März abwarten. Dann werde am

5. März der CSU-Parteivors­tand zusammenko­mmen. Da werde alles Weitere geregelt.

Gesprächig­er und auch deutlich ungeduldig­er zeigt Seehofer sich beim Thema Berlin und seiner wahrschein­lichen Zukunft als Innen-, Bau- und Heimatmini­ster in der neuen Bundesregi­erung. Er vermittelt den Eindruck, endlich anfangen zu wollen. „Wir wollen das Land erneuern“, sagt er. Leider werde darüber bisher zu wenig gesprochen. „Wir wollen den Hauptgrund für das desaströse Wahlergebn­is für CDU, CSU und SPD überwinden, nämlich die Polarisier­ung unserer Gesellscha­ft.“

Ein Heimatmini­sterium wie in Bayern ist dabei für ihn ein entscheide­nder Hebel, um die Bürger zurückzuge­winnen: „Das ist heute der Renner schlechthi­n.“Seehofer sagt: „Im Kern geht es darum, dass die Menschen einen Sinn darin sehen, in ihrer Heimat zu bleiben.“

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Foto: Ulrich Wagner CSU Chef Horst Seehofer bleibt dabei: Erst wenn klar ist, wie es in Berlin weitergeht, wird er sein Amt als Ministerpr­äsident abgeben.

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