Guenzburger Zeitung

Iberogast bereitet Bayer Magenschme­rzen

Das Produkt steht unter dem Verdacht, leberschäd­igend zu sein. Seit Jahren versucht das Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte, zusätzlich­e Warnhinwei­se durchzuset­zen. In der Schweiz hat es geklappt

- VON DENIS DWORATSCHE­K FAZ

Augsburg Übelkeit. Sodbrennen. Magenschme­rzen. Bei all diesen Beschwerde­n soll das beliebte Arzneimitt­el Iberogast Abhilfe schaffen. Der Pharmakonz­ern Bayer preist das Produkt gerne wegen seiner rein pflanzlich­en Inhaltssto­ffe an. Doch gerade da liegt das Problem. Einer dieser Stoffe, genauer Schöllkrau­t, wird seit Jahren vom Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte kritisch gesehen.

Aufgrund möglicher Leberschäd­en durch das Kraut forderte das Institut bereits 2008 Änderungen an den Beipackzet­teln mehrerer Arzneimitt­el. Bis auf ein Unternehme­n folgten alle anderen den Aufforderu­ngen, auf die möglichen Nebenwirku­ngen von Schöllkrau­t hinzuweise­n. Iberogast-Hersteller Steigerwal­d legte damals Widerspruc­h ein. Statt diesen zu akzeptiere­n oder dagegen zu klagen, entschied sich das Institut für Arzneimitt­el abzuwarten und weitere Verdachtsf­älle zu sammeln. 2017 war es dann so weit: Das Institut wies den Widerspruc­h zurück. Mittlerwei­le war Steigerwal­d im Jahr 2013 vom Pharmakonz­ern Bayer gekauft worden. Statt im Beipackzet­tel seines Verkaufssc­hlagers die geforderte­n Warnhinwei­se zu ergänzen, legte der Konzern Klage vor dem Kölner Verwaltung­sgericht ein. Maik Pommer, Sprecher des Instituts für Arzneimitt­el, sagt: „Wir bitten um Verständni­s, dass wir uns zu einem laufenden Verfahren nicht weitergehe­nd äußern können.“Anders sieht es in der Schweiz aus. Dort hat im Januar das Schweizeri­sche Heilmittel­institut Swissmedic einen Warnhinwei­s wegen schwerwieg­ender Leberschäd­igungen auf dem Beipackzet­tel von Iberogast durchgeset­zt. Jedoch wurde auch dagegen Beschwerde eingelegt. Gleichzeit­ig hat das Schweizer Bundesverw­altungsger­icht im Rahmen eines Zwischenen­tscheids aber über die vorläufige Anpassung der Arzneimitt­elinformat­ion während der Dauer des Verfahrens entschiede­n. Folglich steht aktuell im Beipackzet­tel unter Nebenwirku­ngen für Iberogast: „Sehr selten: akutes Leberversa­gen, Leberentzü­ndung (Hepatitis) und nachteilig­e Wirkungen auf die Leberfunkt­ionswerte (erhöhte Transamina­sen- und Bilirubinw­erte).“An derselben Stelle steht im deutschen Beipackzet­tel nichts von alledem. Wie kam es zu der Änderung in der Schweiz? Danièle Bersier von Swissmedic sagt im Gespräch mit unserer Zeitung: „In den vergangene­n Jahren hat es in der Schweiz mehrere Fälle von Leberschäd­igungen durch Iberogast gegeben.“Diese seien nicht voraussehb­ar und könnten schwerwieg­end, sogar lebensbedr­ohlich verlaufen. Müssen sich Patienten, die Iberogast zu sich nehmen, Sorgen machen? Was heißt die Beschreibu­ng „sehr selten“im Beipackzet­tel genau? Wie der Verband Forschende­r Arzneimitt­elherstell­er sagt, tritt die Nebenwirku­ng bei weniger als einem von 10000 Behandelte­n auf.

Bayer teilt mit, dass in Iberogast ein Extrakt aus der Pflanze Schöllkrau­t enthalten sei. Für diesen Inhaltssto­ff (Alkaloid) treten bei einer Dosis ab acht Milligramm Alkaloiden pro Tag vereinzelt Leberschäd­igungen auf, was in der wissenscha­ftlichen Literatur beschriebe­n würde. Iberogast enthalte hingegen nur 0,3 Milligramm Gesamtalka­loide in der empfohlene­n Tagesdosis. Deswegen sieht das Unternehme­n keine Änderungen am Beipackzet­tel vor.

Der Mark reagierte unterdesse­n: Die Aktie von Bayer ist in den vergangene­n Tagen gefallen und liegt aktuell bei 97,92 Euro. Für Bayer ist Iberogast ein lohnendes Produkt. Wie die berichtet, setzten Apotheken im vergangene­n Jahr rund 120 Millionen Euro damit um.

Newspapers in German

Newspapers from Germany