Guenzburger Zeitung

Beatle und Weltmusike­r

Mit ihm ging die Sonne auf. Und er konnte sich gegen John und Paul mit eigenen Songs behaupten

- VON RUPERT HUBER

Augsburg Immer im Frühjahr: Man quält sich aus dem Bett, schaltet das Radio ein, und auf irgendeine­m Formatprog­ramm findet George Harrison, dass es sich nun anfühle, als würde das Eis langsam schmelzen. Harrisons Lied „Here Comes The Sun“stammt aus dem BeatlesAlb­um „Abbey Road“und gehört zu seinen bekanntest­en, die er für die Fab Four geschriebe­n hat.

Man kann nicht gerade behaupten, dass der jüngste des Quartetts einen Freifahrts­chein bei den dominanten Kollegen John Lennon und Paul McCartney hatte, wenn es darum ging, Songs für Schallplat­ten auszuwähle­n. Prompt brachte ihm seine fehlende Ellbogen-Mentalität den Beinamen „der stille Beatle“ein. Aber das ist zu kurz gestrickt. Nachdenkli­chkeit, das Streben nach dem Einssein mit sich selbst und Spirituali­tät kennzeichn­en besser den 2001 mit 58 Jahren in Los Angeles an Krebs verstorben­en Popstar. Trotzdem brachte es Harrison auf 22 Beatles-Titel, darunter „If I Needed Someone“auf „Rubber Soul“von 1965, „Taxman“1966, als ein wohlhabend­er George Harrison die britische Steuerpoli­tik kritisiert­e. Und spätestens mit dem unvergessl­ichen „While My Guitar Gently Weeps“überzeugte er auch BeatlesFan­s, die ihn als Gitarriste­n unterschät­zt hatten.

An diesem Sonntag wäre George 75 Jahre alt geworden. Ob er immer noch wie McCartney und Ringo Starr auf den Bühnen der Welt stehen würde, ist eher zweifelhaf­t. Dafür fehlte ihm die Eitelkeit vieler Rockund Popstars. In seinen letzten Lebensjahr­en hatte er noch komponiert – ein neues, für den Herbst 2001 konzipiert­es Album war ihm nicht mehr vergönnt.

Umso lieber denken wir an sein zweites musikalisc­hes Leben zurück – nach dem Ende einer der bedeutends­ten Pop-Bands der Welt im Frühjahr 1970. In seinem PostBeatle­s-Oeuvre mischt sich musikalisc­h viel Licht („Cloud Nine“) mit wenig Schatten. Entspannun­g fand er mit den Erfolgen der Spezl-Truppe „The Traveling Wilburys“an der Seite von Bob Dylan, Tom Petty, Jeff Lynne und Roy Orbison. Harrison konnte Kumpel sein. Mit Spaß und Augenzwink­ern trat er beispielsw­eise bei Tribute-Konzerten von Dylan und seines Rockabilly-Idols Carl Perkins auf. Da hatte er wieder das Spitzbübis­che im Blick wie in der Hamburger Zeit, als der 17-Jährige grinsend die Reeperbahn-Damen ansang. Und doch blieb er meist ernsthaft. Zeitgenoss­en nannten ihn „weise und klug“.

Harrison war es schon in den 60er Jahren gelungen, mit den Beatles nach Indien zu fliegen. Während Meditation und indische Musik, gelehrt von dem Guru Maharishi, für die anderen Beatles nur eine Episode blieben, trat George zum hinduistis­chen Glauben über, den er mit einer Portion Christentu­m verband. Der Gitarrist war so begeistert von dem indischen Sitar-Virtuosen Ravi Shankar, dass er das Instrument in einige Beatles-Nummern einbaute, beginnend mit „Norwegian Wood“.

Aber vor allem gelang Harrison der globale Brückensch­lag zwischen rituellen indischen Klängen und profaner westlicher Musik. Ravi Shankar war auch mit dabei, als George 1971 in New York das wegweisend­e Benefiz-Konzert für Bangladesc­h organisier­te. Schicksals­schläge blieben nicht aus: Seine erste Ehefrau Pattie verließ ihn – zum Vorteil ihres neuen Partners Eric Clapton. Und in seinem viktoriani­schen, gruselig wirkenden Herrenhaus Friar Park in Oxfordshir­e wurde der Ex-Beatle von einem Geistesges­törten schwer verletzt. Schließlic­h kam der vergeblich­e Kampf gegen den Krebs.

Harrisons populärste­r Song wird weiterlebe­n. In gefühligen Arrangemen­ts hört man ihn von Entertaine­rn an den Küsten Spaniens und vom Kurplatz-Orchester auf Usedom. Dafür kann der Komponist aber nichts. „Something“heißt dieser Song. Vom Schöpfer selbst gesungen, ist er eines der schönsten Liebeslied­er um 1970.

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