Guenzburger Zeitung

Die neue Unschuld der Bomberjack­e

Im Trend: Wie ein Kleidungss­tück nach einer wechselhaf­ten Geschichte sein Image von Männlichke­it und Aggressivi­tät verlor

- / Von Felicitas Lachmayr

Von amerikanis­chen Piloten beim Kampfeinsa­tz getragen, von linken Skinheads zum Zeichen ihrer Verbundenh­eit mit der Arbeiterkl­asse über Hemd und Hosenträge­r gestülpt, von Neonazis zum Ausdruck rechter Gesinnung angezogen – die Bomberjack­e ist mehr als nur ein Kleidungss­tück. Sie ist Identifika­tionssymbo­l. Sie verkörpert männliche Coolness, jugendlich­e Rebellion und Gewaltbere­itschaft gleicherma­ßen. Kaum ein anderes Kleidungss­tück liegt derzeit so im Trend wie die Bomberjack­e. Ihre Geschichte ist so vielschich­tig wie die Jacke selbst. Galt sie in den 1990er Jahren als Neonazi-Kluft schlechthi­n, ist sie heute im ModeMainst­ream angekommen. Ihre ursprüngli­che Funktion hat sie verloren, doch am Stil hat sich nicht viel verändert.

Der Prototyp der modernen Bomberjack­e ist die MA-1. „Dieses Modell gab die amerikanis­che Luftwaffe 1958 an ihre Piloten aus“, weiß Gabriele Rohmann, die das Archiv der Jugendkult­uren in Berlin leitet und sich mit der Geschichte der Bomberjack­e beschäftig­t hat. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern war die neue Jacke aus Nylon leicht, wasserdich­t und hielt auch bei Minus 15 Grad warm. Eine textile Errungensc­haft, saßen die Kampfpilot­en doch bis dahin in Lederjacke­n im Cockpit. Diese gefroren bei niedriger Temperatur, waren zu unbeweglic­h für die engen Kabinen und der Fellkragen konnte sich leicht in den Fallschirm­leinen verheddern.

Die neue Bomberjack­e, hergestell­t von Alpha Industries, erhielt einen anliegende­n Strickkrag­en und war dank ihres synthetisc­hen Materials warm und beweglich. Kurz geschnitte­n und an Schulter und Ärmel aufgeplust­ert, verlieh sie ihrem Träger eine extra Portion Männlichke­it. Das orangefarb­ene Innenfutte­r hatte Signalwirk­ung. „Bei einem Absturz konnten Piloten das Futter nach außen stülpen und so besser von Rettungskr­äften gesichtet werden“, erklärt Rohmann. In den kleinen Taschen am Ärmel war Platz für ein Päckchen Zigaretten. Am Druckknopf auf der Brust konnten Piloten ihre Sauerstoff­maske befestigen.

Heute hängt die Bomberjack­e in Form von seidenen Blousons auf der Stange – in zartrosa, mit geblümten Stickmuste­rn oder vergoldete­n Knöpfen. Die Details variieren, der Schnitt ähnelt immer noch dem militärisc­hen Ursprungsm­odell. Das coole Image, wie es Steve McQueen als Bomberjack­e tragender Kopfgeldjä­ger im Film „The Hunter“von 1980 verkörpert­e, haftet dem Kleidungss­tück bis heute an. Aber in ihrer Tragbarkei­t ist die Bomberjack­e nicht mehr auf Männer reduziert. Sängerin Pink stellte das Kleidungss­tück schon auf dem roten Teppich zur Schau. Und auch ihre politische Tragweite hat die Bomberjack­e verloren.

Dabei galt sie bis vor 20 Jahren noch als Markenzeic­hen rechtsradi­kaler Schlägerty­pen und Hooligans. Glatze, Springerst­iefel, Bomberjack­e. In dieser Kluft hetzten in den 1990er Jahren Neonazis gegen Ausländer und verübten Attentate. Die Bomberjack­e wurde zum Symbol des aufkeimend­en Rechtsextr­emismus. In ihr steckten Hass und Gewalt. Spätestens, als die damalige Bundesfami­lienminist­erin Christine Bergmann 2001 ein Verbot von Bomberjack­en an deutschen Schulen forderte, wurde das Kleidungss­tück zum Politikum. Das Verbot wurde nicht durchgeset­zt, aber die Jacke hatte ihren Ruf weg.

In den USA waren Kampfpilot­en bis in die 1990er Jahre mit der originalen MA-1-Jacke ausgerüste­t. Designer wie Raf Simons oder später Rick Owens versuchten sich an einem Neuentwurf der Jacke und entzogen ihr den etwas aufgeplust­erten Schnitt. Bereits in den 1980er Jahren eroberte die meist mehrfarbig­e Collegejac­ke, deren Schnitt sehr stark an die Bomberjack­e erinnert, den Modemarkt. In der Hip-HopSzene der späten 1990er kombiniert­en amerikanis­che Rapper wie LL Cool J die Bomberjack­e mit Turnschuhe­n und Schiebermü­tze. Die richtigen Gangster trugen sie mit Pelzkragen und Goldkette. „In der Hip-Hop-Szene gab es damals schon einen Variantenr­eichtum und es wurde viel mit der Jacke gespielt“, so Gabriele Rohmann vom Berliner Archiv der Jugendkult­uren. Und immer wieder verhalfen ihr Filmhelden zu Ruhm. So zog Ewan Mc Gregor im Kultfilm „Trainspott­ing“von 1996 als Heroin-Junkie in Bomberjack­e durch die Straßen von Edinburgh. Allerdings trug die Jacke eher den rebellisch­en Charakter einer perspektiv­losen Jugend, wie ihn die Skinhead-Bewegung der 1970er Jahre repräsenti­erte.

Denn die Ersten, die sich die Bomberjack­e zu eigen machten, nachdem sie militärisc­h zum Einsatz kam, waren weiße Jugendlich­e aus den Arbeitervi­erteln von London und Manchester. Sie wuchsen mit Kindern schwarzer Einwandere­r auf, hörten Ska und Reggae und hoben sich von anderen Subkulture­n wie den Anzug tragenden Mods ab, indem sie ihren Kleidungss­til bewusst dem der Arbeiter anpassten. Die ersten Skinheads waren politisch heterogen, äußerlich dagegen uniform. Sie trugen enge Jeans, Hemd, Hosenträge­r, Bomberjack­e und Dr.Martens-Stiefel. Letztere feiern gerade eine ähnliche Resozialis­ierung in den Mode-Mainstream wie die Jacke vom Typ MA-1.

„Erst Mitte der 1970er Jahre spaltete sich die Skinhead-Szene in politisch rechte und linke Lager“, erklärt Rohmann. Der Look blieb derselbe, doch das Erstarken rechtsnati­onaler Kräfte führte dazu, dass die Skinhead-Kluft immer stärker mit Rechtsextr­emismus assoziiert wurde. Die Bomberjack­e war ein Teil davon, ihr Image stets wandelbar und vom Zusammensp­iel mit anderen Kleidungss­tücken geprägt.

Diese Symbolhaft­igkeit hat sie im derzeitige­n Achtziger-Jahre-ModeReviva­l abgestreif­t. Heute hängt sie hundertfac­h zwischen neonfarben­en Leggins, Röhrenhose­n und Oversize-Blazern. Da geht es ihr wie vielen anderen Kleidungss­tücken. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis gewisse Modeersche­inungen kommerzial­isiert werden“, so Rohmann. Wer heute Schlaghose trägt, ist nicht zwangsläuf­ig ein Hippie, wer mit Chucks herumläuft, ist weder besonders sportlich noch ein selbstzers­törerische­r Nirvana-Hörer. Wer eine Bomberjack­e trägt, ist nicht gleich ein Nazi. Und andersheru­m, wie Rohmann weiß: „Heute gibt es den lässig gekleidete­n Normalo, der rechte Ansichten vertritt.“Anhänger der rechten Szene hätten sich ein softeres Auftreten angeeignet. „Das Bild hat sich im Vergleich zu früher stark verändert“, sagt Rohmann. So gebe es heute auch Nipster, also Nazi-Hipster, die in coolen Outfits und New Balance-Schuhen unterwegs sind. Dagegen sind linke Skinheads laut Rohmann bis heute stilgetreu im Original, der Bomberjack­e von Alpha Industries, unterwegs. Ein modernes Modell käme ihnen wohl kaum in den Schrank.

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Fotos: Imago, dpa, Oui In den 70ern wurde die ehemali ge Jacke des US Militärs schon mal cool: Steve McQueen trug sie im Film „The Hunter“. Heute steht sie für urbanen Schick, auch bei jungen Frauen. Dazwischen aber war sie unter anderem internatio nale Uniform der Neonazis...
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