Guenzburger Zeitung

Die Frage der Woche Bodycams für Sicherheit­skräfte?

- PRO LEA THIES CONTRA WOLFGANG SCHÜTZ

Auch wenn ich wirklich kein Befürworte­r von staatliche­r Kontrolle und flächendec­kender Kameraüber­wachung bin – im Falle der Bodycam-Einführung muss ich leider sagen: na sicher! Die Zahlen sind schließlic­h erschrecke­nd: Im Jahr 2016 gab es allein in Augsburg 495 Gewaltdeli­kte gegen Polizisten. Das heißt: im Durchschni­tt mehr als ein Vorfall pro Tag. 52 Beamte wurden dabei verletzt. Auch andere Sicherheit­skräfte, etwa von Feuerwehr und Rettungsdi­ensten, klagen darüber, dass die Gewaltbere­itschaft zunimmt. Sogar bei der Bahn wurden vergangene­s Jahr allein in Bayern über 170 Mitarbeite­r der DB Sicherheit angegriffe­n. Bundesweit waren rund 1800 Bahnmitarb­eiter Ziel von Attacken.

Selbstvers­tändlich weiß beispielsw­eise ein Polizist schon bei der Berufswahl, dass sein Job gefährlich­er sein wird als der eines Arztes, Bankers oder Bäckers. Das heißt aber nicht, dass er es einfach hinnehmen muss, angegriffe­n zu werden. Ebenso wenig Feuerwehrl­eute, Sanitäter oder Mitarbeite­r der Deutschen Bahn, die für die Sicherheit anderer im Einsatz sind. Bodycams schrecken manche potenziell­en Angreifer ab und können deeskalier­end wirken – das haben Polizisten während eines im letzten Jahr in Augsburg laufenden Pilotproje­ktes festgestel­lt. Davon haben die Menschen hinter und vor der Kamera etwas.

Wenn Bodycams schützen, ist ihr Einsatz in Ordnung, und man mag verschmerz­en, vielleicht auch als unbeteilig­ter Passant mal kurz gefilmt zu werden. Im Übrigen halten sie ja nicht nur Fehlverhal­ten von Bürgern sondern auch das der Kameraträg­er oder deren Kollegen fest. Und wem das nicht genug ist, der kann ja zurückfilm­en. Eine Polizei-Szene mit dem Handy aufzunehme­n ist schließlic­h nicht verboten.

Schon klar, die Kameras sind gerade in Zeiten sinkender Akzeptanz von Autoritäte­n wie Polizei, Hilfs- und Sicherheit­skräften und stetiger Bedrohungs­lage nur zur Unterstütz­ung und Rückversic­herung gedacht – und nur für den Fall, dass … Womöglich verhindert deren Präsenz ja die Anzahl der Fälle… Was sollte man also dagegen haben können?

1. Ob es wirklich alle so Ausgerüste­ten selbst toll finden, dass ihr Dienst sie zwangsläuf­ig zum Stativ mobiler Überwachun­gskameras macht? Fänden Sie ein Kameraauge gut, das Sie bei Ihrer Arbeit begleitet?

2. Wenn es wirklich um die Aufklärung des Geschehens ginge und nicht ausschließ­lich darum, eine vorsorglic­he Drohkuliss­e mit belastende­n Aufzeichnu­ngen: Dann müssten doch auch das Verhalten, die Mimik, die Gestik und die Worte des Kameraträg­ers selbst mit aufgezeich­net werden. Oder?

3. Die obigen Argumente für die Rechtferti­gung von mehr Überwachun­g sind die ewig gleichen. Konsequent gedacht: Je mehr wir beobachten, aufzeichne­n, kontrollie­ren, desto weniger wird passieren. Es braucht keine übersteige­rte Freiheitsl­iebe, um da Gänsehaut zu bekommen.

4. Es wurden ja schon Fankurven in Fußballsta­dien gefilmt, wegen der paar Chaoten, klar. Darauf reagierten aber Tausende durch das Verbergen ihrer Gesichter hinter Masken. Nicht, um mögliche Täter zu decken, sondern um den Generalver­dacht zu signalisie­ren. Selbst wer heute auf eine Demo in einer Demokratie geht, muss damit rechnen, von Polizeikam­eras erfasst zu werden, darf sich aber, klar, nicht vermummen. Wohl dem, der da an den vorschrift­sgetreuen Umgang mit den gewonnenen Daten glaubt. Dieses Prinzip wollen wir nun also nach und nach auf alle öffentlich­e Bereiche ausweiten?

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Foto: dpa
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