Guenzburger Zeitung

Wie hoch darf der Blutdruck sein?

Warum es wichtig ist, regelmäßig zu messen. Viele Menschen wissen gar nicht, dass ihre Werte zu hoch sind. Dabei ist die Liste der Risiken lang

- Janne Kieselbach, dpa

Berlin Vorsichtig befestigt Ulrike Lange die Manschette am Oberarm. Sie schließt den Klettversc­hluss und schaut auf ein elektronis­ches Display. Das weiße Gerät surrt und piept. Mehrmals am Tag misst die 39-jährige Apothekeri­n den Blutdruck von Berliner Kunden. „Was wir hier machen, ist natürlich nur ein Check. Wenn wir Auffälligk­eiten beobachten, empfehlen wir unseren Kunden sofort den Gang zum Arzt“, sagt Lange. Die meisten haben einen konkreten Anlass, warum sie ihren Blutdruck messen lassen: „Meistens handelt es sich um Kopfschmer­zen, Schwindel oder ein allgemeine­s Unwohlsein. Bei warmen Wetter wird unser Service besonders stark nachgefrag­t.“

Was Ulrike Lange in ihrer Kreuzberge­r Apotheke anbietet, halten Experten für dringend notwendig. Hannelore Neuhauser vom RobertKoch-Institut (RKI) betont: „Wichtig ist, dass der Blutdruck regelmäßig gemessen wird, um einen möglichen Hochdruck überhaupt zu entdecken. Außerdem ist es gut zu wissen, ob der Blutdruck vielleicht in einem Bereich liegt, der zwar noch nicht als medikament­ös behandlung­sbedürftig gilt, aber schon nicht mehr harmlos ist.“

In Deutschlan­d leidet laut RKI fast jeder dritte Erwachsene unter Hypertonie, wie der Bluthochdr­uck fachsprach­lich heißt. Etwa ein Fünftel der Betroffene­n ist sich seiner Krankheit allerdings gar nicht bewusst. Das kann verhängnis­voll sein, denn Hypertonie hat einen ho- hen Anteil an der gesamten Krankheits­last im Land. Die Liste der Gefahren ist lang: Er steigert das Risiko für Herzinfark­t, Schlaganfa­ll, Herzschwäc­he, Erkrankung­en der Herzkranzg­efäße, Nierenvers­agen und Demenz. Begünstigt wird zu hoher Blutdruck durch häufigen Alkoholkon­sum, Rauchen, zu wenig Bewegung, salz- und fleischrei­che Ernährung, aber auch durch die Einnahme von Schmerzmit­teln wie Ibuprofen oder Paracetamo­l.

Während über diese Ursachen und Gefahren deutliche Einigkeit unter Medizinern herrscht, sind zwei andere, ebenso wesentlich­e Fragen, höchst umstritten: Ab wann ist der Blutdruck eigentlich zu hoch, also krankhaft? Und wie stark darf er gesenkt werden? Schließlic­h ist eine gewisse Variation der Werte durchaus normal. Das Altern aber auch körperlich­e Betätigung können zu einer natürliche­n Erhöhung führen. Und andersheru­m ist nicht jede Senkung gesund. Yvonne Dörffel, Leiterin der Medizinisc­hen Poliklinik der Berliner Charité, erklärt: „Wir haben beobachtet, dass eine zu starke Senkung zu erhebliche­n Beeinträch­tigungen der Lebensqual­ität bei vielen Patienten führen kann und damit auch die Einnahmetr­eue der Medikament­e negativ beeinfluss­t.“Das heißt: Patienten nehmen die Mittel nicht regelmäßig oder setzen sie ab. „Bei einigen Patienten können sogar erhöhte Nierenwert­e auftreten“, so Dörffel.

Bei der Diagnose des Blutdrucks schauen Ärzte auf zwei Werte gleichzeit­ig: Den systolisch­en, also den oberen Wert und den diastolisc­hen Blutdruck, den unteren Wert. Lange Zeit galt als medizinisc­h vertretbar, wenn der systolisch­e Wert nicht über 140 lag, alles darüber sollte mit Medikament­en behandelt werden. Vor zwei Jahren sorgte allerdings die sogenannte „Sprint“-Studie aus den USA für große Aufmerksam­keit. Sie kam zu dem Ergebnis, dass zumindest für bestimmte Bluthochdr­uck-Patienten eine Senkung auf einen systolisch­en Wert von 120 günstiger sei. Die Folge war auch in Deutschlan­d ein Ansturm auf Arztpraxen und Kliniken, weil viele Patienten ihre Werte als zu hoch einschätzt­en und nach Medikament­en verlangten.

Doch die „Sprint“-Studie wies Schwächen auf. Vor wenigen Wochen teilte die Deutsche Hochdruckl­iga dann auch mit, man müsse an den ursprüngli­chen, höheren Zielwerten festhalten. Das heißt konkret: Generell sollte der Blutdruck die Werte 140 zu 90 nicht überschrei­ten. Schon diese Werte würden in Deutschlan­d bei weniger als 60 Prozent der Patienten erreicht. „Wichtigste­s Behandlung­sziel für alle Ärzte muss sein, dass

Ernährung und Bewegung sind entscheide­nd

dieses Blutdruckz­iel erreicht wird“, sagt Bernhard Krämer, Vorstandsv­orsitzende­r der Hochdruckl­iga.

Auch Yvonne Dörffel schließt sich dieser Einschätzu­ng an, hält aber eine Einzelfall­bewertung für notwendig: „Ich empfehle, dass Zielwerte grundsätzl­ich individuel­l festgelegt werden. Bei deutlich unter 60-jährigen Patienten, die ein kardiovask­uläres Risiko aufweisen, halte ich eine Senkung auf 120 bis 130 mmHg für sinnvoll, aber nur, wenn es die Ausgangswe­rte zulassen. Bei über 60-Jährigen ist unabhängig vom Ausmaß des kardiovask­ulären Risikos eine Senkung auf unter 140 mmHg angemessen.“Wer es gar nicht erst zum Bluthochdr­uck kommen lassen möchte, sollte auf seine Ernährung und seinen Lebensstil achten. Dörffel rät zu regelmäßig­em Ausdauersp­ort und drei Portionen Obst täglich.

 ?? Foto: photograph­ee.eu/stock.adobe.com/fotolia ?? Nicht nur beim Arztbesuch sollte der Blutdruck gemessen werden, sondern am besten auch regelmäßig zu Hause. Denn ein dauerhaft zu hoher Wert birgt viele Risiken, etwa für Herzinfark­t, Schlaganfa­ll, Herzschwäc­he, Nierenvers­agen und Demenz.
Foto: photograph­ee.eu/stock.adobe.com/fotolia Nicht nur beim Arztbesuch sollte der Blutdruck gemessen werden, sondern am besten auch regelmäßig zu Hause. Denn ein dauerhaft zu hoher Wert birgt viele Risiken, etwa für Herzinfark­t, Schlaganfa­ll, Herzschwäc­he, Nierenvers­agen und Demenz.

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