Heimat Bauernhof
In dem Örtchen Remshart gibt es nur eine Vollerwerbslandwirtschaft. Die betreiben die Hörmanns. Über eine kleine Welt und große Träume. Und darüber, dass man sich hinter dem Mond pudelwohl fühlen kann
Der Landfrauentag am Freitag beschäftigt sich mit „Heimat“. Die Hörmanns haben schon vorher darüber nachgedacht.
Remshart Vier Generationen wohnen unter dem Dach des HörmannHofes in Remshart. Es ist die einzige Vollerwerbs-Landwirtschaft in dem 300-Einwohner-Dorf. Mit Bäuerin Rosi, 59, und ihrer Schwiegertochter Corinna, 35, hatten wir eigentlich einen Termin vereinbart. Sie sollten uns aus Anlass des Landfrauentages an diesem Freitag erzählen, was sie unter Heimat verstehen. Doch die Männer der beiden, Alfred, 64, und Martin, 37, nahmen zeitweise ebenfalls Platz an dem nahezu quadratischen Tisch in der Essküche und beteiligten sich am Familiengespräch.
Hat Heimat etwas mit Tradition zu tun?
Rosi Hörmann: Auch. Ich nenne mal ein Beispiel: Am Mittag versammelt sich die Großfamilie um den Tisch, wenn es irgendwie geht. Acht Personen sind das dann. Inzwischen beginnen wir mit dem Essen gegen 12.30 Uhr, weil dann die drei Enkelkinder, die auf dem Hof leben, aus der Schule zurückgekehrt sind. Früher war es um zwölf Uhr.
Alfred Hörmann: Bei manchen im Dorf ist es immer noch Punkt zwölf. Wer viel später kommt, der bekommt dann nur noch den inzwischen wieder abgeräumten Mittagstisch mit.
Gehen Sie regelmäßig in den Gottesdienst?
Rosi Hörmann: Ja, das tun wir – jeden Sonntag um 8.45 Uhr. Bei uns im Ort läuft das noch ziemlich klassisch ab: Auf der Empore sitzen die Männer, unten die Frauen, ein bisschen durchmischt es sich auch schon.
Corinna Hörmann: Die Unterhaltung geht nach dem Gottesdienst erst richtig los. Vor der Kirche stellt sich eine Frauengruppe zusammen und eine Männergruppe – und das auf jeweils einer Seite der Straße.
Ich sehe in dieser strengen Aufteilung nicht unbedingt einen Vorteil.
Alfred Hörmann: Ich aber auch keinen Nachteil. Meine Frau sehe ich die ganze Woche. Das meine ich in keiner Weise abwertend. Es ist dann doch auch schön, sich mal mit den Männern im Dorf zu unterhalten.
Frau Hörmann, wann waren Sie das letzte Mal im Urlaub? Rosi Hörmann: Da muss ich nachdenken. So 15 Jahre werden das schon her sein.
Martin Hörmann: Ihr wart doch erst vor zwei Jahren in einem Feuerwehrerholungsheim in Bayerisch Gmain an der Grenze zu Österreich. Rosi Hörmann: Stimmt. Für eine Woche. Ansonsten waren wir einige Male in Frankreich und in Italien. Das Lebensgefühl der Italiener gefällt mir. Die nehmen alles etwas leichter. Das ist schön.
Alfred Hörmann: Aber ein Urlaub, der länger als ein paar Tage geht, ist dann letztlich doch nichts für meine Frau. Denn dann wird’s anstrengend – und sie will wieder nach Hause.
Rosi Hörmann: Hier ist ja auch ständig etwas los. Zurzeit muss ich mich um meine 97-jährige Mutter und um eine Tante kümmern, die 95 Jahre alt ist. Beiden geht es gesundheitlich im Moment nicht so gut. Da muss man für sie einfach da sein. Außerdem sind wir ein Systemabferkelbetrieb. Rosi Hörmann: Alle sechs Wochen kommen gedeckte Sauen – 48 Stück sind das normalerweise – zu uns auf den Hof. Dort bringen die Tiere ihre Ferkel zur Welt. Und es ist dann mein Job, dass das alles glatt läuft. Die Termine habe ich alle schon in mein Handy eingetragen. Wo soll da noch Zeit für Urlaub bleiben? Corinna Hörmann: Bei mir und Martin ist es so, dass ich gerne öfter und länger in den Urlaub gehen würde. Aber mein Mann bekommt schon nach zwei Tagen Heimweh. Deshalb bleiben wir lieber auf dem Hof.
Corinna Hörmanns Ehemann zieht sein Smartphone aus der Hosentasche und zeigt auf einem Foto einen grandiosen Sonnenuntergang. Dann darf ich raten. „Was glauben Sie, wo das aufgenommen worden ist?“Die Antwort liegt auf der Hand, wird aber doch vorsichtig in Frageform gegeben. „Knapp außerhalb von Remshart?“Der 37-jährige Landwirt, der wie seine Eltern den ganzen Tag über damit beschäf- tigt ist, den Betrieb umzutreiben, lächelt und nickt gleichzeitig und sagt dann: „Was muss ich Tausende Kilometer fahren, wenn sich so etwas vor meinen Augen abspielt?“Auch die Mutter ist mit der kleinen Welt zufrieden – und von der großen „wird man ja noch träumen dürfen“. Als wichtiges Plus sieht sie den „Gemeinschaftsgeist“im Dorf, der sehr ausgeprägt sei. Die drei Vereine und Organisationen (Feuerwehr, Obst- und Gartenbauverein, Faschingsfreunde) sähen sich nicht als Konkurrenten. „Man hilft sich gegenseitig, wo man kann“, sagt Rosi Hörmann. Und ihr Mann ergänzt: „Wenn Zugezogene sich einbringen wollen, dann können sie das auch. Hier werden alle in die Dorfgemeinschaft integriert, wenn es ihr Wunsch ist. Vorbehalte haben die Einheimischen nicht.“
Was bedeutet denn nun Heimat für Sie?
Rosi Hörmann: Heimat ist dort, wo man sich wohlfühlt. Und ich fühle mich hier pudelwohl. Zu mir hat mal jemand gesagt, in Remshart lebe man hinter dem Mond. Das empfinde ich ganz und gar nicht so. Und selbst, wenn es so wäre: Dann wäre es hinter dem Mond wunderschön. Konkret halte ich mich sehr gerne im kaum einsehbaren Garten auf. Corinna Hörmann: Bei mir ist es ähnlich. Ich bin auch gerne im Garten. Für unsere drei Kinder sind der Bauernhof und das Dorf ein großer Abenteuerspielplatz. Freiheit pur. Das passt alles. Ich mag Bayern und die Berge, weil meine Eltern aus Sonthofen kommen. Sie wohnen mittlerweile schon lange in Dürrlauingen. Wenn ich sie besuche, ist das Heimat für mich. Dieser Hof ist es auch – Heimat. Landfrauentag „Das ist Heimat!“ist das Motto des diesjährigen Landfrau entages. Er beginnt am Freitag um 10 Uhr in der Burggrafenhalle Burtenbach. Hauptrednerin ist die auf einem Bauern hof in Baden Württemberg aufge wachsene Autorin Ulrike Siegel.