Alle Neune? Schön wär’s!
Wer Kegeln als Sportart belächelt, hat es noch nie ausprobiert. Unser Redakteur hat nun in Burgau mittrainiert. Hier sind Konzentration und Kondition gefragt – und einen Muskelkater gibt’s auch. Für viele scheint das nichts zu sein
Burgau/Landkreis Es muss als Kind gewesen sein, als ich zum bis jetzt letzten Mal eine Kegelkugel in der Hand hatte. Im Österreich-Urlaub mit meinen Eltern. Da gab es im Keller des Hotels eine Bahn, auf der die Gäste spielten. Auch bei Familienfeiern im Gasthaus war es ein netter Zeitvertreib vor und nach dem Essen. Aber seither waren es Pins, die ich beim Bowlen mit mehr (oder weniger) Glück im Wettkampf mit Freunden von der Bahn fegte. Nun wage ich mich wieder ans Kegeln. Und ich will die Kugel nicht irgendwie rollen lassen, sondern in einem Verein, der es sportlich macht.
Ausgesucht habe ich mir dafür als der für Burgau zuständige Redakteur dieser Zeitung natürlich den örtlichen SKC, den Sportkegelclub, Mitglied im Bezirk Schwaben des Bayerischen Sportkegler- und Bowlingverbands. Außer Sportschuhen brauche ich nichts, hatte mir VizeVorsitzender Walter Czech vorab gesagt. Aber sicher ist sicher, neben den Turnschuhen komme ich mit Sporthose und passendem Shirt in Wendel’s Keglerhof. Das war die richtige Entscheidung, die Experten sind auch im Sportdress erschienen. Bevor es losgeht, versuche ich einfach mal mein Glück und räume auf Anhieb fünf Kegel ab. Dass es mehr als Glück nicht ist, zeigt sich bei den nächsten Würfen. Die Kugel verabschiedet sich ins Aus. Also lasse ich mir lieber mal erklären, wie es richtig geht. Mit drei Schritten wird angelaufen, die Kugel pendelt dicht neben dem Körper und beim Wurf soll ich sie etwas nach vorne drücken. Je näher sie am Boden losgelassen wird, desto besser. Wenn ich den ersten Kegel anvisiere, sollte es am ehesten funktionieren. Ich laufe an, und konzentriere mich jetzt so auf diese drei Schritte, dass ich nicht richtig auf den Rest achte. Mit der Zeit wird es besser, die Kugeln mit Löchern machen es leichter als die durchgehend runden, aber da ist noch viel Luft nach oben.
Die Spieler geben mir immer wieder Tipps; ich soll mich gerade halten, ein Ausfallschritt soll die Gelenke schonen. Klingt in der Theorie einfach, aber in der Praxis ... Also schaue ich lieber mal den Profis zu. Konstantin Wiesner, 23, ist die Konzentration vor seinem Wurf anzusehen. Und dann läuft er an, lässt die Kugel über die Bahn gleiten – und trifft. Die meisten Kegel fallen um. Er ist in der Zweiten Mannschaft. Weil er in München Ingenieurwesen studiert, ist er aus zeitlichen Gründen nur Ersatzspieler. Als er mit seiner Familie nach Burgau zog, nahm ihn sein Vater mit in den Verein und so fand er schnell Anschluss. Neben Wendel’s Keglerhof zu wohnen, wo auf vier Bahnen gespielt wird, war praktisch. „Wenn jemandem erzähle, dass ich Sportkegler bin, reagieren die meisten verwundert“, sagt er. „Aber immer mal wieder treffe ich auf jemanden, der auch kegelt.“
Der weiß dann, dass es um Konzentration und Kondition geht, und dass man gut vom Alltag abschalten kann. Der ein Jahr ältere Robert Zahn, Student der Fahrzeugtechnik, spielt in der Ersten Mannschaft, die in der Kreisklasse West auf Platz acht steht, Tabellenführer ist Ichenhausen/Günzburg. Er ist seit 2006 dabei und der beste Spieler im Verein, sagen Walter Czech und der Vorsitzende Franz Schuster. Auch Zahn sagt, dass nur wenige wüssten, dass man hier ins Schwitzen kommt. Ich kann es nachvollziehen. Ohne große Pausen wird trainiert, Kugel um Kugel wird geworfen, Schübe nennen die Profis das. Es geht ungezwungen zu, wer kommt, ist da. Beim Fußballverein wäre er rausgeflogen, wenn er mal keine Zeit zum Trainieren hat, sagt Zahn. Ein Spieltag kann gut zweieinhalb Stunden dauern, danach weiß man, was man gemacht hat. Im Radius von etwa 60 Kilometern tragen die zehn Vereine der Liga die Duelle aus.
Gespielt werden kann aber nicht mehr überall. So muss man etwa aus Günzburg nach Burgau kommen, weil es in der Kreisstadt keine Kegelbahn mehr gibt. Und generell sei es schwierig, Vier-Bahnen-Anlagen wie im Keglerhof zu finden, viele hätten nur zwei. Und wie in Günzburg sind in vielen Orten Bahnen stillgelegt oder abgerissen worden. „Es gibt zu wenige Hobbykegler, deshalb wird für Sportkegler ungern investiert“, sagt Karlheinz Musikant, Vorsitzender des Bezirksverbands. Wenn, gebe es nur noch in Sport-, Dorf- und Vereinszentren Kegelbahnen, in Gasthäusern kaum noch. Von der Entwicklung hat der Keglerhof in Burgau profitiert, sagt Maria Offenwanger, Ehefrau des Inhabers Wendelin. Er sei gut ausgelastet. Im September 1991 wurden die Bahnen eröffnet, im nächsten Jahr folgte dann die Wirtschaft.
In den vergangenen Jahren sei bei der Nachwuchswerbung viel verschlafen worden, räumt Musikant ein, aber seit einiger Zeit werde verich sucht, das aufzuholen. Die Jugendarbeit zu stärken ist natürlich das A und O. Die funktioniere gerade im Kreis IV, zu dem der Landkreis Günzburg, Teile des Landkreises Neu-Ulm und der Nordosten des Kreises Unterallgäu gehören, sehr gut. Im Gegensatz zu anderen Regionen gebe es hier noch Zuwachs. Im Bezirk sind noch 3000 Kegler registriert, vor 30 Jahren seien es doppelt so viele gewesen. Jeder habe weniger Zeit und viele wollten sich nicht mehr binden. Aber das Wirtshaussterben und das Verschwinden der Kegelbahnen aus den Gasthäusern sei schon das Hauptproblem, dadurch komme kaum noch jemand mit dem Sport in Berührung. Beim Bowlen gebe es dieselben Probleme, aber das sei medienwirksamer.
Der Geschäftsführer des Bahnenbauers Pro-Tec Kegelsport aus dem oberfränkischen Waischenfeld, Reiner Rost, bestätigt das. „Bowlen ist Show.“Dafür müsse man mehr zahlen. Kegeln sei gefragt, wenn die Wirtschaft schlecht läuft und die Leute aufs Geld schauen. Er ist mit seinem Geschäft zufrieden, auch wenn die Preise stark gesunken seien, „aber man kann davon leben“. Vor allem, weil die Zahl der Bahnenbauer abgenommen habe. Und weil im benachbarten Ausland, etwa in Niederösterreich, Kroatien oder Tschechien, Kegeln gefragt sei. In Deutschland gebe es ein Überangebot an Bahnen, auch im Bereich Bowlen, sodass vor allem im Osten viel abgerissen werde. Aber er spürt immerhin eine leichte Trendwende.
Von der würde ich auch gerne sprechen. Ich bin nun wieder dran. Nachdem Robert Zahn in einem Zehner-Schub 64 Punkte erzielt hat, will ich versuchen, es ihm zumindest ansatzweise gleich zu tun. Der erste Wurf ist ziemlich gut, acht von neun Kegeln fallen um. Der zweite ist auch nicht schlecht – bloß hüpft die Kugel über die Lichtschranke. Der Wurf zählt nicht. Dann geht es ein paar mal ins Aus, bevor die letzten Versuche wieder besser sind. Am Ende komme ich auf 32 Punkte. Immerhin. Den SKC Burgau gibt es übrigens seit mehr als 30 Jahren, erzählt Walter Czech, seit Bestehen des Keglerhofs wird hier gespielt. Es gibt 16 aktive erwachsene Spieler und sechs Jugendliche; drei Erwachsenen-Mannschaften sind gemeldet sowie eine Mädchen- und eine Buben-Mannschaft, bei der mit zwei anderen Vereinen eine Spielgemeinschaft gebildet wurde, um genug Spieler zusammenzubekommen. Aufgestellt werden vier Leute plus zwei als Ersatz, früher waren es sechs Spieler. Aber um angesichts weniger Vereinsmitgliedern genug Mannschaften zusammenzubekommen, wurde das Spielsystem geändert, erklärt der Vorsitzende. Alles in allem sind sie hier noch in einer guten Situation, woanders kämpft diese Sportart ums Überleben.
Kreissportwart Roland Ochs betont wie der Bezirksvorsitzende die Bedeutung der Jugendarbeit, um die er sich verstärkt kümmert. Im Alter von acht Jahren werde mit der Keglerausbildung begonnen. Wichtig sei, dass die Vereinsabteilungen zusammenarbeiten, Fußballer nicht in Konkurrenz zu den Keglern stehen, „und zum Teil sind Fußballer auch Kegler“. Im Kreis IV sind 18 Vereine registriert, „und wenn ein Verein es will, stirbt er auch nicht“.
Wenn ich hier professionell mitspielen wollte, müsste ich auf jeden Fall ein halbes Jahr regelmäßig trainieren, sagt Walter Czech. Der 74-Jährige ist der Älteste im Verein und hat viel Erfahrung. Gerade für die Oberschenkel- und Gesäßmuskulatur sei der Sport sehr gut, auch wenn viele irgendwann Probleme mit den Knien hätten. Und ohne einen ordentlichen Muskelkater gehe es auch nicht, werde ich von den Spielern noch gewarnt. Wohl wahr.
„Wenn ein Verein es will, stirbt er auch nicht.“
Roland Ochs, Kreissportwart