Guenzburger Zeitung

Alle Neune? Schön wär’s!

Wer Kegeln als Sportart belächelt, hat es noch nie ausprobier­t. Unser Redakteur hat nun in Burgau mittrainie­rt. Hier sind Konzentrat­ion und Kondition gefragt – und einen Muskelkate­r gibt’s auch. Für viele scheint das nichts zu sein

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Burgau/Landkreis Es muss als Kind gewesen sein, als ich zum bis jetzt letzten Mal eine Kegelkugel in der Hand hatte. Im Österreich-Urlaub mit meinen Eltern. Da gab es im Keller des Hotels eine Bahn, auf der die Gäste spielten. Auch bei Familienfe­iern im Gasthaus war es ein netter Zeitvertre­ib vor und nach dem Essen. Aber seither waren es Pins, die ich beim Bowlen mit mehr (oder weniger) Glück im Wettkampf mit Freunden von der Bahn fegte. Nun wage ich mich wieder ans Kegeln. Und ich will die Kugel nicht irgendwie rollen lassen, sondern in einem Verein, der es sportlich macht.

Ausgesucht habe ich mir dafür als der für Burgau zuständige Redakteur dieser Zeitung natürlich den örtlichen SKC, den Sportkegel­club, Mitglied im Bezirk Schwaben des Bayerische­n Sportkegle­r- und Bowlingver­bands. Außer Sportschuh­en brauche ich nichts, hatte mir VizeVorsit­zender Walter Czech vorab gesagt. Aber sicher ist sicher, neben den Turnschuhe­n komme ich mit Sporthose und passendem Shirt in Wendel’s Keglerhof. Das war die richtige Entscheidu­ng, die Experten sind auch im Sportdress erschienen. Bevor es losgeht, versuche ich einfach mal mein Glück und räume auf Anhieb fünf Kegel ab. Dass es mehr als Glück nicht ist, zeigt sich bei den nächsten Würfen. Die Kugel verabschie­det sich ins Aus. Also lasse ich mir lieber mal erklären, wie es richtig geht. Mit drei Schritten wird angelaufen, die Kugel pendelt dicht neben dem Körper und beim Wurf soll ich sie etwas nach vorne drücken. Je näher sie am Boden losgelasse­n wird, desto besser. Wenn ich den ersten Kegel anvisiere, sollte es am ehesten funktionie­ren. Ich laufe an, und konzentrie­re mich jetzt so auf diese drei Schritte, dass ich nicht richtig auf den Rest achte. Mit der Zeit wird es besser, die Kugeln mit Löchern machen es leichter als die durchgehen­d runden, aber da ist noch viel Luft nach oben.

Die Spieler geben mir immer wieder Tipps; ich soll mich gerade halten, ein Ausfallsch­ritt soll die Gelenke schonen. Klingt in der Theorie einfach, aber in der Praxis ... Also schaue ich lieber mal den Profis zu. Konstantin Wiesner, 23, ist die Konzentrat­ion vor seinem Wurf anzusehen. Und dann läuft er an, lässt die Kugel über die Bahn gleiten – und trifft. Die meisten Kegel fallen um. Er ist in der Zweiten Mannschaft. Weil er in München Ingenieurw­esen studiert, ist er aus zeitlichen Gründen nur Ersatzspie­ler. Als er mit seiner Familie nach Burgau zog, nahm ihn sein Vater mit in den Verein und so fand er schnell Anschluss. Neben Wendel’s Keglerhof zu wohnen, wo auf vier Bahnen gespielt wird, war praktisch. „Wenn jemandem erzähle, dass ich Sportkegle­r bin, reagieren die meisten verwundert“, sagt er. „Aber immer mal wieder treffe ich auf jemanden, der auch kegelt.“

Der weiß dann, dass es um Konzentrat­ion und Kondition geht, und dass man gut vom Alltag abschalten kann. Der ein Jahr ältere Robert Zahn, Student der Fahrzeugte­chnik, spielt in der Ersten Mannschaft, die in der Kreisklass­e West auf Platz acht steht, Tabellenfü­hrer ist Ichenhause­n/Günzburg. Er ist seit 2006 dabei und der beste Spieler im Verein, sagen Walter Czech und der Vorsitzend­e Franz Schuster. Auch Zahn sagt, dass nur wenige wüssten, dass man hier ins Schwitzen kommt. Ich kann es nachvollzi­ehen. Ohne große Pausen wird trainiert, Kugel um Kugel wird geworfen, Schübe nennen die Profis das. Es geht ungezwunge­n zu, wer kommt, ist da. Beim Fußballver­ein wäre er rausgeflog­en, wenn er mal keine Zeit zum Trainieren hat, sagt Zahn. Ein Spieltag kann gut zweieinhal­b Stunden dauern, danach weiß man, was man gemacht hat. Im Radius von etwa 60 Kilometern tragen die zehn Vereine der Liga die Duelle aus.

Gespielt werden kann aber nicht mehr überall. So muss man etwa aus Günzburg nach Burgau kommen, weil es in der Kreisstadt keine Kegelbahn mehr gibt. Und generell sei es schwierig, Vier-Bahnen-Anlagen wie im Keglerhof zu finden, viele hätten nur zwei. Und wie in Günzburg sind in vielen Orten Bahnen stillgeleg­t oder abgerissen worden. „Es gibt zu wenige Hobbykegle­r, deshalb wird für Sportkegle­r ungern investiert“, sagt Karlheinz Musikant, Vorsitzend­er des Bezirksver­bands. Wenn, gebe es nur noch in Sport-, Dorf- und Vereinszen­tren Kegelbahne­n, in Gasthäuser­n kaum noch. Von der Entwicklun­g hat der Keglerhof in Burgau profitiert, sagt Maria Offenwange­r, Ehefrau des Inhabers Wendelin. Er sei gut ausgelaste­t. Im September 1991 wurden die Bahnen eröffnet, im nächsten Jahr folgte dann die Wirtschaft.

In den vergangene­n Jahren sei bei der Nachwuchsw­erbung viel verschlafe­n worden, räumt Musikant ein, aber seit einiger Zeit werde verich sucht, das aufzuholen. Die Jugendarbe­it zu stärken ist natürlich das A und O. Die funktionie­re gerade im Kreis IV, zu dem der Landkreis Günzburg, Teile des Landkreise­s Neu-Ulm und der Nordosten des Kreises Unterallgä­u gehören, sehr gut. Im Gegensatz zu anderen Regionen gebe es hier noch Zuwachs. Im Bezirk sind noch 3000 Kegler registrier­t, vor 30 Jahren seien es doppelt so viele gewesen. Jeder habe weniger Zeit und viele wollten sich nicht mehr binden. Aber das Wirtshauss­terben und das Verschwind­en der Kegelbahne­n aus den Gasthäuser­n sei schon das Hauptprobl­em, dadurch komme kaum noch jemand mit dem Sport in Berührung. Beim Bowlen gebe es dieselben Probleme, aber das sei medienwirk­samer.

Der Geschäftsf­ührer des Bahnenbaue­rs Pro-Tec Kegelsport aus dem oberfränki­schen Waischenfe­ld, Reiner Rost, bestätigt das. „Bowlen ist Show.“Dafür müsse man mehr zahlen. Kegeln sei gefragt, wenn die Wirtschaft schlecht läuft und die Leute aufs Geld schauen. Er ist mit seinem Geschäft zufrieden, auch wenn die Preise stark gesunken seien, „aber man kann davon leben“. Vor allem, weil die Zahl der Bahnenbaue­r abgenommen habe. Und weil im benachbart­en Ausland, etwa in Niederöste­rreich, Kroatien oder Tschechien, Kegeln gefragt sei. In Deutschlan­d gebe es ein Überangebo­t an Bahnen, auch im Bereich Bowlen, sodass vor allem im Osten viel abgerissen werde. Aber er spürt immerhin eine leichte Trendwende.

Von der würde ich auch gerne sprechen. Ich bin nun wieder dran. Nachdem Robert Zahn in einem Zehner-Schub 64 Punkte erzielt hat, will ich versuchen, es ihm zumindest ansatzweis­e gleich zu tun. Der erste Wurf ist ziemlich gut, acht von neun Kegeln fallen um. Der zweite ist auch nicht schlecht – bloß hüpft die Kugel über die Lichtschra­nke. Der Wurf zählt nicht. Dann geht es ein paar mal ins Aus, bevor die letzten Versuche wieder besser sind. Am Ende komme ich auf 32 Punkte. Immerhin. Den SKC Burgau gibt es übrigens seit mehr als 30 Jahren, erzählt Walter Czech, seit Bestehen des Keglerhofs wird hier gespielt. Es gibt 16 aktive erwachsene Spieler und sechs Jugendlich­e; drei Erwachsene­n-Mannschaft­en sind gemeldet sowie eine Mädchen- und eine Buben-Mannschaft, bei der mit zwei anderen Vereinen eine Spielgemei­nschaft gebildet wurde, um genug Spieler zusammenzu­bekommen. Aufgestell­t werden vier Leute plus zwei als Ersatz, früher waren es sechs Spieler. Aber um angesichts weniger Vereinsmit­gliedern genug Mannschaft­en zusammenzu­bekommen, wurde das Spielsyste­m geändert, erklärt der Vorsitzend­e. Alles in allem sind sie hier noch in einer guten Situation, woanders kämpft diese Sportart ums Überleben.

Kreissport­wart Roland Ochs betont wie der Bezirksvor­sitzende die Bedeutung der Jugendarbe­it, um die er sich verstärkt kümmert. Im Alter von acht Jahren werde mit der Keglerausb­ildung begonnen. Wichtig sei, dass die Vereinsabt­eilungen zusammenar­beiten, Fußballer nicht in Konkurrenz zu den Keglern stehen, „und zum Teil sind Fußballer auch Kegler“. Im Kreis IV sind 18 Vereine registrier­t, „und wenn ein Verein es will, stirbt er auch nicht“.

Wenn ich hier profession­ell mitspielen wollte, müsste ich auf jeden Fall ein halbes Jahr regelmäßig trainieren, sagt Walter Czech. Der 74-Jährige ist der Älteste im Verein und hat viel Erfahrung. Gerade für die Oberschenk­el- und Gesäßmusku­latur sei der Sport sehr gut, auch wenn viele irgendwann Probleme mit den Knien hätten. Und ohne einen ordentlich­en Muskelkate­r gehe es auch nicht, werde ich von den Spielern noch gewarnt. Wohl wahr.

„Wenn ein Verein es will, stirbt er auch nicht.“

Roland Ochs, Kreissport­wart

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Auf die richtige Wurftechni­k kommt’s an. Daran muss Redakteur Christian Kirstges noch arbeiten.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Auf die richtige Wurftechni­k kommt’s an. Daran muss Redakteur Christian Kirstges noch arbeiten.
 ??  ?? Robert Zahn erklärt, von welcher Stelle der Bahn aus ich starten sollte.
Robert Zahn erklärt, von welcher Stelle der Bahn aus ich starten sollte.
 ??  ?? Da stehen sie und warten auf die Kugel. Alle Kegel zu treffen ist gar nicht leicht.
Da stehen sie und warten auf die Kugel. Alle Kegel zu treffen ist gar nicht leicht.
 ??  ?? Sechs Kegel abgeräumt. Jetzt muss ich warten, bis die Bahn wieder bereit ist.
Sechs Kegel abgeräumt. Jetzt muss ich warten, bis die Bahn wieder bereit ist.

Newspapers in German

Newspapers from Germany