Stress in der Beziehung und mit der Zollfahndung
Justiz Warum zwei Strafprozesse am Amtsgericht Günzburg nur mit Auflagen für die Angeklagten enden
Landkreis Manche Verhandlungstage entwickeln ihre eigene Dynamik. Zwei Angeklagten drohten in Günzburg empfindliche Strafen, wäre es nur um die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft gegangen. Die Männer mussten sich wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Sozialbetrugs verantworten – und kamen mit Geldauflagen davon.
Weil er seine Ex-Freundin und wieder neu Verlobte bei einem Streit in deren Wohnung so geschubst habe, dass sie sich beim Sturz das Handgelenk brach, war ein 37-Jähriger aus dem Landkreis Dillingen angeklagt. Der ließ über seinen Rechtsanwalt Georg Zengerle (Dillingen) erklären, dass es aus Eifersucht zum Streit gekommen war. Die Verletzung sei unglücklich und nicht absichtlich gewesen. Das 28-jährige Opfer verwickelte sich bei der Aussage zunehmend in Widersprüche. „Vernebeln nennt man das bei der Bundeswehr“, sagte Amtsgerichtsdirektor Walter Henle, als die Frau eine erstaunliche Bedrohungsstory erzählte, warum sie erst viel später einen Strafantrag stellte.
Sie habe immer noch Gefühle für den Freund, sagte sie kichernd, bis gestern sei noch Schluss gewesen. Aber jetzt sei man wieder zusammen. „Gefühle können Sie schon haben“, las Richter Henle ihr die Leviten, solange Polizei und Justiz damit nicht beschäftigt seien. „Von Leuten, die nicht wissen, ob sie sich lieben oder schlagen, lasse ich mir keine Bedrohung auftischen.“ Ein Polizist bestätigte, dass es wegen der Beziehung häufiger Einsätze gab. Statt vorsätzlicher Körperverletzung könnte eine Art Notwehr in Betracht kommen, meinte der Richter, die Zeugin hatte aus Eifersucht den Angeklagten geschubst, wie sie ausgesagt hatte – und der hatte zurück geschubst. Der 37-Jährige muss 1500 Euro an eine Organisation zahlen, die sich für misshandelte Frauen einsetzt. Im zweiten Verfahren ging es um Sozialbetrug. „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgeld“, heißt das Delikt im Juristendeutsch. Der Betreiber einer Pizzeria im nördlichen Landkreis hatte laut Staatsanwaltschaft gut 37 000 Euro zu wenig Lohn und Sozialabgaben gezahlt. Die Ermittlungen kamen ins Rollen, als ein Ungar seinen Chef beim Finanzamt wegen angeblich zu geringen Lohns anschwärzte. Die Steuerbehörde informierte den Zoll und darauf folgte eine Durchsuchung in der Gaststätte. Vier Zollfahnder und zwei Schreibkräfte überprüften die Beschäftigten und Unterlagen. Heraus kam unter anderem, dass der Ungar, ein gelernter Maschinenschlosser, in der Küche beschäftigt war. Für sechs Tage mit jeweils etwa acht bis zehn Stunden hatte er den größten Teil des Lohns überwiesen bekommen und zusätzlich zwischen 180 und 240 Euro in bar. Weitere Beschäftigte und zwei Neffen des Chefs aus Sardinien bekamen ihr Salär nur in bar. Die Beweisführung erwies sich als schwierig, denn eine Mitarbeiterin und die beiden Neffen hatten als Verwandte das Recht zur Aussageverweigerung. Einer der Neffen bestätigte nur, dass er ohne schriftlichen Vertrag für den Onkel gearbeitet habe. Bei der Anzahl der Wochenstunden und beim Verdienst kam es jedoch zu Ungereimtheiten, wie Richter Henle feststellte. Er habe den Eindruck, dass der Neffe nur etwas sage, um seinen Onkel zu schützen. Laut Verteidigerin Julia Dümmler (Krumbach) hat ihr Mandant die Sozialabgaben an Finanzamt und Krankenkasse bereits zurückgezahlt.
Richter Henle bot die vorläufige Einstellung des Verfahrens gegen die Zahlung einer Geldauflage von 5000 Euro innerhalb eines halben Jahres an drei gemeinnützige Organisationen an.