Was Heimat ausmacht
Ulrike Siegel kommt aus der Nähe von Heilbronn und hat als Hauptrednerin in Burtenbach dennoch ein Heimspiel. Denn die Autorin ist als Bauerstochter eine von ihnen
Burtenbach „Das ist Heimat“, so lautete das Motto des Landfrauentags am Freitag in der Burtenbacher Burggrafenhalle. Seit 70 Jahren übrigens gestalten die Landfrauen das Leben auf dem Land mit. Aber was ist diese ländlich geprägte Heimat wirklich?
Beim diesjährigen Landfrauentag scheint es, dass in die Burggrafenhallen mit ihrer Dekoration aus Osterglocken und Primeln nicht nur der Frühling eingekehrt ist, sondern auch ein Stück Heimat. Da liegt ein Sack Kartoffeln neben dem Regal mit dem Butterglas und allerlei Eingemachtem, vorne ein Korb voller Krautköpfe. Neben dem Spinnrad steht eine Schnitzbank. Und in der Ecke lehnt ein altes „Staiger-JuniorFahrrad“.
Heimat ist auch Tradition. Der Landfrauenchor singt das „Lied der Mittelschwaben“, auch bekannt als Landkreislied, und Burtenbachs evangelischer Pfarrer Norbert Riemer gibt dem Landfrauentag mit einer kurzen Andacht einen geistlichen Impuls. Er definiert den Begriff Heimat so: „Wo Gott ist, da finden wir Heimat – dort wo der Himmel auf Erden ist.“
Heimat ist vor allem der Ort, wo man seine Kindheit verbracht hat und aufgewachsen ist. Wie ist das, wenn man aus einem bäuerlichen Betrieb stammt? Ulrike Siegel, die bei der Veranstaltung den Hauptvortrag hält, ist als älteste von vier Bauerntöchtern auf einem Hof in Brackenheim bei Heilbronn aufgewachsen. „Ein ganz besonderer Ort – schöne Momente gegenüber harter Arbeit, abhängig vom Wetter und von der Natur“, sagt sie. Ulrike Siegel hat rund 200 Lebensgeschichten zusammengetragen und diese in zehn Büchern veröffentlicht. Im Gegensatz zur heilen Welt des häufig dargestellten idyllischen Bauern- hofs in einer immer komplexer werdenden Welt können die Erinnerungen jedoch ganz andere sein.
Auf dem Aussiedlerhof ihrer Eltern sei Helfen anstatt Freibad oder gar Urlaub angesagt gewesen. Sie sei die Intelligenteste von allen gewesen – denn bereits frühzeitig habe sie sich so dumm angestellt, dass man sie von vielen Arbeiten befreit habe, erzählt sie schmunzelnd. In ihren Geschichten bedeutet das Aufwachsen auf einem Bauernhof dennoch das harte Erleben des Mithelfens – auf dem Rübenacker, der Heuwiese oder auf dem Kartoffelfeld. Die Erinnerungen reichen von honigfarbenen Fliegenfängerstreifen in der Küche bis hin zu den altmodischen Wandfliesen, dekoriert mit den Blumen von der Prilflasche.
Dafür hätten die Frauen vieles aus ihrer bäuerlichen Heimat mitgenommen: „Man lernt, das zu tun, was dran ist, aber auch Anstand und Respekt zu empfinden“, betont Ulrike Siegel.
Wenn die Oma jeden Nachmittag stundenlang Bohnen schneide, dann sei dies eine Arbeit, die getan werden müsse – nicht klagen, sondern darin Befriedigung finden. Die Referentin drückt diese Erfahrungen in kurzen Worten aus: „Anpacken, Verantwortung übernehmen und selbstständig arbeiten.“Gerade dies sei das, was das Gestalten der Heimat ausmache.
Zwei ihrer Geschichten drücken es so aus: Allein schon der Geruch von frischer Erde, gemischt mit einem Hauch Diesel könne Heimatgefühle auslösen. Aber auch: Die aktuelle Gesellschaft sei inzwischen so mobil, dass sich bei den Kindern keine Wurzeln mehr bildeten. „Wohl dem, der eine Heimat habe, nach der er weh haben kann“, betont Ulrike Siegel abschließend.
Auch der Nachmittag des Landfrauentags gestaltet sich heimatlich: German Schwehr erzählt heitere Geschichten und die Rucksackmusikanten unterhalten das Publikum. Das ist ebenfalls Heimat.
Aber kann man diese auch leben? Natürlich sei das möglich: „Mit der Familie, mit Traditionen, dem Ehrenamt und in der Gemeinschaft“, bringt es Hildegard Berchtold auf den Punkt.
Vorne steht ein Korb voller Krautköpfe
Was Erde und ein Hauch Diesel auslösen können