Zu spät für eine schnelle Lösung
Es wirkt ein bisschen so, als würde man in einem Zug sitzen, der mit vollem Tempo auf eine Wand zurast. Man sieht zwar, wo die Notbremse hängt, bis es knallt, ist der Weg aber nicht mehr zu schaffen. So ähnlich verhält es sich im Bereich der Pflege. Die Geschichten, die Heimleiterin Anita Kugelmann erzählt, illustrieren dieses Bild in ziemlich grellen Farben. Geschichten von Menschen, die mit Tränen in den Augen um Pflegeplätze bitten, die völlig verzweifelt und allein gelassen sind mit ihren Sorgen und Problemen. Erschreckend vor allem deshalb, weil hier jemand spricht, der die Situation sehr gut kennt. Wenn man wissen will, was die Menschen in diesem Land von der Politik entfremdet, den Hass auf „die da oben“nährt, dann muss man auf die Menschen hören, die solche Geschichten erzählen. Hier offenbart sich der Verlust des Glaubens an die Handlungsfähigkeit der politisch Verantwortlichen ganz konkret. Oft genug hängt man sich in den politischen Grabenkämpfen an Detailfragen auf, feilscht um Zahlen und verkauft 8000 zusätzliche Pflegekräfte als Erfolg, obwohl man eigentlich schon wissen kann: Das reicht hinten und vorne nicht. Natürlich geht es bei der Lösung der Frage, wie der Pflegenotstand in diesem Land behoben werden kann, nicht allein, wie auch Kugelmann andeutet, ums Geld. Man kann die fertig ausgebildeten Pflegekräfte nicht einfach so aus dem Hut zaubern. Jetzt ist die Bevölkerungsentwicklung in diesem Land schon seit einigen Jahren absehbar. Wenn man allerdings die Probleme, die sich wie eine Lawine immer mächtiger auftürmen, erst dann bereit ist zu lösen, wenn sie mit aller Macht über einen hereinbrechen, ist es zu spät für schnelle Antworten und gute Lösungen.