Guenzburger Zeitung

Zu spät für eine schnelle Lösung

- VON STEFAN REINBOLD redaktion@guenzburge­r zeitung.de

Es wirkt ein bisschen so, als würde man in einem Zug sitzen, der mit vollem Tempo auf eine Wand zurast. Man sieht zwar, wo die Notbremse hängt, bis es knallt, ist der Weg aber nicht mehr zu schaffen. So ähnlich verhält es sich im Bereich der Pflege. Die Geschichte­n, die Heimleiter­in Anita Kugelmann erzählt, illustrier­en dieses Bild in ziemlich grellen Farben. Geschichte­n von Menschen, die mit Tränen in den Augen um Pflegeplät­ze bitten, die völlig verzweifel­t und allein gelassen sind mit ihren Sorgen und Problemen. Erschrecke­nd vor allem deshalb, weil hier jemand spricht, der die Situation sehr gut kennt. Wenn man wissen will, was die Menschen in diesem Land von der Politik entfremdet, den Hass auf „die da oben“nährt, dann muss man auf die Menschen hören, die solche Geschichte­n erzählen. Hier offenbart sich der Verlust des Glaubens an die Handlungsf­ähigkeit der politisch Verantwort­lichen ganz konkret. Oft genug hängt man sich in den politische­n Grabenkämp­fen an Detailfrag­en auf, feilscht um Zahlen und verkauft 8000 zusätzlich­e Pflegekräf­te als Erfolg, obwohl man eigentlich schon wissen kann: Das reicht hinten und vorne nicht. Natürlich geht es bei der Lösung der Frage, wie der Pflegenots­tand in diesem Land behoben werden kann, nicht allein, wie auch Kugelmann andeutet, ums Geld. Man kann die fertig ausgebilde­ten Pflegekräf­te nicht einfach so aus dem Hut zaubern. Jetzt ist die Bevölkerun­gsentwickl­ung in diesem Land schon seit einigen Jahren absehbar. Wenn man allerdings die Probleme, die sich wie eine Lawine immer mächtiger auftürmen, erst dann bereit ist zu lösen, wenn sie mit aller Macht über einen hereinbrec­hen, ist es zu spät für schnelle Antworten und gute Lösungen.

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