Die Erinnerungen an alte Schultage leben wieder auf
Das leer geräumte Bayerische Schulmuseum in Ichenhausen öffnet seine Türen. Was ehemaligen Schülern im Gedächtnis geblieben ist
Ichenhausen Der Andrang am Sonntagnachmittag ist groß. Menschen jeglichen Alters strömen ins Bayerische Schulmuseum Ichenhausen. Senioren, ehemalige Schüler, aber auch junge Familien mit ihren Kindern haben sich eingefunden. „Ich glaube, die Stühle reichen gar nicht“, fürchtet Museumspädagogin Johanna Haug. Sie soll recht behalten. Aufgestuhlt ist für 50 Personen, weit über 100 Gäste sind nach Haugs Schätzungen gekommen, es müssen kurzerhand weitere Stühle hineingetragen werden. Trotzdem stehen einige Besucher am Rand. Da das Schulmuseum Ichenhausen für die neukonzipierte Ausstellung hergerichtet wird (wir berichteten), haben Interessierte die einmalige Gelegenheit, sich die leer stehenden Räume genauer anzusehen.
Begrüßt werden die Gäste von Johanna Haug in dem Raum, in dem eigentlich die Ausstellung „Schule und Nationalsozialismus“zu sehen war. „Sie machen das leere Schloss zum vollen Schloss“, heißt sie die Besucher willkommen. Diese können dann eigenständig die Räume im ersten und zweiten Stock des Unteren Schlosses erkunden und ihre Erinnerungen an vergangene Schultage neu aufleben lassen. Begleitet werden sie von Ursula Seitz, Schulrätin im Ruhestand, und Mittelschuldirektor Otto Imminger, die den Gästen und ehemaligen Schülern gerne Rede und Antwort stehen, oder sich gemeinsam an die Schulzeit erinnern.
Nach der Begrüßung zieht der Besucherstrom langsam in die oberen Etagen. Im ersten Stock beugt sich Ilse Beer über ein Bild mit alten Klassenfotos aus dem Jahr 1926 und einem Foto, das wohl um 1900 entstand. Sie war von 1948 bis 1956 im Unteren Schloss in der Schule. Zu dem besonderen Anlass am Sonntag hat sie ihre alte Einladung zur Schulentlassungsfeier aus dem Schuljahr 1955/56 dabei. „Zur Schulabschlussfeier haben wir ein Theaterstück aufgeführt. ‚Der kleine Mozart ist krank’ hieß es“, erzählt die 75-jährige Ichenhauserin. Außerdem hat sie noch zwei Bilder von den damaligen Schauspielern mit dabei. „Ich war Nannerl“, erinnert sie sich. Die ehemalige Klassenlehrerin Gertrud Pframmer ist ebenfalls auf einem der Bilder zu sehen. „Sie hatte eine sehr schöne Schrift, sie hat uns schließlich auch die Schönschrift beigebracht“, erzählt die 75-Jährige.
Ein Gitarrenduo sorgt für eine angenehme Atmosphäre
Michael Kaiser, 42, und seine Frau Alexandra, 34, aus Ichenhausen, sind am Sonntag mit ihren Kindern Christoph, 11, und Nadine, 9, ins Schulmuseum gekommen. Zwar seien die beiden nicht in den ehemaligen Schulräumen unterrichtet worden. Aber: Das Museum in leerem Zustand hätten sie noch nie gesehen, erklärt Alexandra Kaiser. Zwischen dem Stimmengewirr sind beim Schlendern durch den ersten Stock auch leise Gitarrenklänge zu vernehmen. Das Gitarrenduo Rachel und Peter Merz sorgt mit ruhigen Melodien für eine angenehme Atmosphäre beim Rundgang.
Weiter geht es in den zweiten Stock. Dort lässt Margot Mayr, 65, ihre Gedanken schweifen. Sie wurde vor 52 Jahren in diesen Räumen unterrichtet. „Den Stenokurs hatte ich bei Herrn Sauter und den Schreibmaschinenkurs bei Oberlehrer Otto Fuchs“, weiß sie noch ganz genau. Oberlehrer Fuchs habe auch in der Schule gewohnt, sagt sie nachdenklich. An ihre Lehrerin aus der ersten Klasse könne sie sich auch noch ganz genau erinnern: „Frau Hahn war eine sehr schöne Frau, sie hatte dunkle Haare, die sie immer hochgesteckt hat. Aber sie war sehr streng“, erzählt Margot Mayr.
Als sie von Oberlehrerin Gertrud Pfrommer erzählt, wird ein Mann hellhörig und bleibt stehen. „Kennen sie die Fahrradgarage?“, will er lachend wissen. Margot Mayr schüttelt den Kopf. Der 68-jährige Werner Kaiser klärt sie auf: Unten beim Haupteingang, sei gleich rechts ein Gang, in dem die ersten Klassen waren, dort habe er immer Frau Pfrommers Fahrrad hinstellen müssen. „Ich bin scheinbar einmal dumm rum gestanden und seitdem hatte ich diese Aufgabe“, weiß er noch genau.
Von 1956 bis 1962 ist der 68-jährige Ichenhauser im Unteren Schloss in der Schule gewesen. Nicht alle Erinnerungen sind erfreulicher Natur. So kann sich Werner Kaiser noch an den Rektor erinnern, der ihn und seine Freunde so lange an die Garderobenhaken geschlagen hat, bis die Haken abfielen. „Und das nur, weil wir eine Freistunde hatten und im Pausenhof zu laut waren“, erzählt Werner Kaiser. Während der 68-Jährige aus seinen Schultagen berichtet, gesellt sich auch Franz Siegl, 78, aus Ichenhausen, dazu. Er weiß noch, dass die Schüler damals immer ihre Badehosen dabei hatten und dass Rektor Weiß mit ihnen in der Günz schwimmen gegangen ist. „Der Mann hat uns Buben das Schwimmen beigebracht“, schwelgt Franz Siegl in Erinnerungen.
Kurz danach stimmt das Ichenhauser Frauenvokalensemble mit den Besuchern alte Volkslieder an. Die Gäste singen bei „Das Wandern ist des Müllers Lust“und „Kein schöner Land in dieser Zeit“kräftig und mit viel Freude mit.
Nicht nur den Besuchern hat es gefallen. Ichenhausens Bürgermeister Robert Strobel war fasziniert von der Idee, den Leuten die Möglichkeit zu geben, die leeren Räume des Schlosses zu betrachten. „Wer weiß, wann man dazu wieder die Gelegenheit bekommt“, sagt er. Und auch Johanna Haug ist glücklich. „Ich bin sehr zufrieden. Es freut mich, dass die Leute mitgezogen sind.“