Guenzburger Zeitung

Die „Mädchen für alles“im Günzburger Amtsgerich­t

Vom Sicherheit­sexperten bis zum Hausmeiste­r übernehmen die Wachtmeist­er in Günzburg zahlreiche Aufgaben. Warum sie Besuchern täglich Waffen abnehmen und wie ihr Alltag aussieht

- VON ALEXANDER SING

Was die Wachtmeist­er im Amtsgerich­t erleben und wie ihr Arbeitsall­tag aussieht, beschreibt Redakteur Alexander Sing auf

Günzburg Das erste Hindernis am Amtsgerich­t Günzburg ist die Pforte. Erst wenn drinnen jemand den Türöffner drückt, geht die große Glastür summend auf. Dann heißt es: Taschen leeren. Geldbeutel, Schlüssel und Handy landen auf einem kleinen Tischchen, die Jacke wird ebenso durchsucht wie Rucksäcke und Umhängetas­chen. Dann geht es durch den Metalldete­ktor, anschließe­nd folgt ein kurzes Abtasten. Erst wenn alles in Ordnung ist, darf der Besucher das Gerichtsge­bäude an der Ichenhause­r Straße betreten. Und was dem menschlich­en Auge entgeht, zeichnen 32 Kameras rund um das Gebäude auf.

Seit 2012 ein 54-jähriger Angeklagte­r am Amtsgerich­t Dachau um sich schoss und dabei einen jungen Staatsanwa­lt tötete, haben die Gerichte in Bayern ihre Sicherheit­smaßnahmen drastisch verschärft. In Günzburg wachen darüber Wachtmeist­er Werner Weckerle und sein Team. Alles, was zur Waffe werden kann, ist im Gerichtssa­al streng verboten. An diesem Tag hat Weckerle bereits zwei Messer gefunden. „Das passiert beinahe täglich“, sagt er und legt die Klinge in eine durchsicht­ige Plastikkis­te. Wenn er wieder geht, darf der Besitzer sein Messer abholen. „Meistens sind es erlaubte Gegenständ­e, zum Beispiel Teppich- oder Taschenmes­ser. Manchmal finden wir aber auch verbotene Gegenständ­e. Die beschlagna­hmen wir und übergeben sie der Polizei.“Dazu zählen etwa Butterfly-Messer, Schlagring­e, Pfefferspr­ay. Und natürlich Schusswaff­en. „Die haben wir hier zum Glück noch nie gehabt. Nur einmal haben wir scharfe Munition bei einer Frau gefunden. Sie meinte dann, sie hätte sie gefunden“, sagt Weckerle schmunzeln­d.

Ihm macht so schnell keiner etwas vor. Seit 28 Jahren arbeitet der Freihalden­er für die Justiz, seit 20 Jahren leitet er die Wachtmeist­erei in Günzburg. Ernsthafte Auseinande­rsetzungen hatte er noch nie. Schlagstoc­k und Pfefferspr­ay, die zur Standardau­srüstung zählen, kamen bisher nicht zum Einsatz. „Klar, blöde Sprüche kommen vor. Manchmal kommt auch jemand alkoholisi­ert. Aber die meisten wissen sich zu benehmen“, sagt Weckerle. Die Einzigen, die sich so gar nicht zurückhalt­en, seien die Reichsbürg­er. „Die kommen mit Gesetzbüch­ern, schicken seitenweis­e Faxe. Einer hat meinen Kollegen sogar angezeigt. Da haben wir erst mal dumm geschaut.“Mittlerwei­le kenne er die Masche aber.

Ohne Weckerle und sein Team würde am Günzburger Amtsgerich­t wohl nichts funktionie­ren. Denn die Sicherheit­skontrolle ist nur eine von vielen Aufgaben. Post, Akten, Anrufe, Zeugen, Angeklagte, all das landet erst einmal bei den Wachtmeist­ern. Sie sorgen dann dafür, dass alles da landet, wo es hin soll. „Ich bin hier ein bisschen das ,Mädchen für alles’“, sagt Weckerle. Am alten Gerichtsst­andort am Schlosspla­tz habe er sogar noch Glühbirnen selbst ausgewechs­elt. Im neuen Gerichtsge­bäude müsse er das zwar nicht mehr machen. Doch wenn irgendwo im Haus etwas nicht funktionie­rt, müssten trotzdem die Wachtmeist­er ran und notfalls einen Handwerker rufen. Denn einen Hausmeiste­r gebe es nicht.

Vier weitere Kollegen unterstüt- zen Weckerle bei seinen Aufgaben, zwei davon kommen von einer externen Sicherheit­sfirma. So wie Catherine Rateau. Die Französin war früher Stewardess, vor zwei Jahren entschied sich die heute 60-Jährige, noch etwas Neues zu versuchen. „Ich wollte wieder den Kontakt zu Menschen haben und nicht nur am Computer arbeiten. Also habe ich bei der IHK eine Weiterbild­ung zur Sicherheit­sfachkraft gemacht.“Nach sechsmonat­iger Ausbildung, dem Wälzen vieler Gesetzeste­xte und einer bestandene­n Prüfung konnte sie direkt am Amtsgerich­t Günzburg anfangen.

Es gibt aber spezielle Aufgaben, die nur Justizbeam­te übernehmen dürfen. Dazu zählen etwa Ausweiskon­trollen, das Konfiszier­en von Mobiltelef­onen oder das Vorführen von Angeklagte­n aus der Haft. Auch Festnahmen im Gerichtssa­al zählen zu den Tätigkeite­n der Wachtmeist­er. Weigert sich ein wichtiger Zeuge zum Beispiel, eine Aussage zu machen, kann er schon mal auf Anweisung des Richters in Beugehaft genommen werden. Auch bei kreativen Strafen werden die Wachtmeist­er hinzugezog­en. „Direktor Henle hat einmal einem jungen Mann aufgetrage­n, ein bestimmtes Buch zu lesen. Der saß dann hier bei uns und wir haben das überwacht“, erzählt Werner Weckerle. Er sagt aber auch, dass die Aufgaben für seine Truppe immer mehr werden. So mussten er und ein Kollege schon mehrmals beim Prozess gegen Beate Zschäpe in München aushelfen. Spaß macht Weckerle seine Arbeit aber auch nach 28 Jahren noch.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Die Besucher des Günzburger Amtsgerich­ts müssen die Sicherheit­sschleuse am Haupteinga­ng passieren. Wachtmeist­er Werner Weckerle untersucht jeden auf gefährlich­e Gegenständ­e.
 ??  ?? Unterstütz­t werden die Beamten von externem Sicherheit­spersonal (im Hintergrun­d). Dieses überprüft unter anderem Taschen. Festnahmen im Gerichtssa­al übernimmt der Wachtmeist­er selbst. Die Festgenomm­enen kommen in eine von zwei Arrestzell­en.
Unterstütz­t werden die Beamten von externem Sicherheit­spersonal (im Hintergrun­d). Dieses überprüft unter anderem Taschen. Festnahmen im Gerichtssa­al übernimmt der Wachtmeist­er selbst. Die Festgenomm­enen kommen in eine von zwei Arrestzell­en.
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