Guenzburger Zeitung

So teuer wird die Koalition für die Wirtschaft

Erste Berechnung­en zeigen: Höhere Kassenbeit­räge kosten die Betriebe Milliarden

- VON RUDI WAIS

Augsburg/Berlin Peter Altmaier war noch nicht als neuer Wirtschaft­sminister vereidigt, als er bereits ein Verspreche­n abgab: „Ich verstehe mich ausdrückli­ch als Mittelstan­dsminister“, sagte der Saarländer und berief sich dabei, unter anderem, auf Ludwig Erhard, den Vater der Sozialen Marktwirts­chaft. Tatsächlic­h jedoch treffen die geplanten Sozialrefo­rmen der Koalition offenbar vor allem die kleinen und mittleren Unternehme­n, bei denen knapp zwei Drittel der sozialvers­icherungsp­flichtig Beschäftig­ten arbeiten.

Während die Versichert­en bald etwas mehr netto vom Brutto haben, müssen ihre Arbeitgebe­r den gesetzlich­en Krankenkas­sen zusätzlich­e Milliarden überweisen, weil Betrieb und Beschäftig­ter sich die Beiträge wieder zur Hälfte teilen sollen. Nach Berechnung­en der FDP bedeutet das alleine für die kleinen und mittleren Unternehme­n mit weniger als 500 Beschäftig­ten Mehrausgab­en von drei Milliarden Euro im Jahr. Auch wenn man die Entlastung bei der Arbeitslos­enversiche­rung davon abzieht, bliebe der Mittelstan­d danach noch auf zusätzlich­en Kosten von zwei Milliarden Euro sitzen. Alles in allem gefährdet die Rückkehr zur sogenannte­n Parität nach einer Studie des Freiburger Prognos-Instituts aus dem vergangene­n Jahr fast 130000 Arbeitsplä­tze.

„Die GroKo macht den Mittelstan­d zum Zahlmeiste­r ihrer verfehlten Umverteilu­ngspolitik“, kritisiert Michael Theurer, der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Liberalen, gegenüber unserer Zeitung. Auf Parteitage­n der CDU huldige die Kanzlerin Ludwig Erhard, im Regierungs­handeln allerdings würden bei den kleinen und mittleren Betrieben Milliarden draufgesat­telt. Theurer wörtlich: „Will man tatsächlic­h etwas für die Entlastung der Arbeitnehm­er tun, braucht es neben der Soli-Senkung eine kräftigere Entlastung beim Beitrag zur Arbeitslos­enversiche­rung und den Abbau der kalten Progressio­n in der Einkommens­teuer.“

Steffen Kampeter, der Hauptgesch­äftsführer der Arbeitgebe­rverbände, argumentie­rt ähnlich. Die geplante Neuregelun­g bringe dem Gesundheit­swesen nicht mehr Geld, den Arbeitgebe­rn allerdings neue Milliarden­belastunge­n. Wider besseres Wissen spreche die Koalition dabei von Parität, moniert Kampeter gegenüber unserer Zeitung. „Fakt ist: Die Arbeitgebe­r tragen über die Lohnfortza­hlung im Krankheits­fall bereits heute mehr als die Hälfte der Krankheits­kosten.“

„Die GroKo macht den Mittelstan­d zum Zahlmeiste­r ihrer verfehlten Umverteilu­ngspolitik.“Michael Theurer (FDP)

Sie beträgt nach Angaben der Arbeitgebe­rverbände jedes Jahr mehr als 50 Milliarden Euro.

Union und SPD haben vereinbart, dass Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er die Beiträge zur gesetzlich­en Krankenver­sicherung wieder jeweils zur Hälfte übernehmen. Bisher werden die sogenannte­n Zusatzbeit­räge, die jede Kasse über den allgemeine­n Tarif von 14,6 Prozent hinaus erheben kann, ausschließ­lich von den Versichert­en getragen. Außerdem wollen die Koalitionä­re den Beitrag zur Arbeitslos­enversiche­rung um 0,3 Punkte senken, nämlich von 3,0 auf 2,7 Prozent. Die sogenannte­n Wirtschaft­sweisen halten angesichts der anhaltend guten Konjunktur und der Milliarden­überschüss­e bei der Bundesagen­tur für Arbeit dagegen eine Reduzierun­g um 0,5 Prozentpun­kte für möglich. Sie würde Arbeitgebe­r und Beschäftig­te um etwa 2,2 Milliarden Euro zusätzlich entlasten.

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