Guenzburger Zeitung

Zwischen Gesinnungs­diktatur und Nazi-Propaganda?

Mit der Präsenz rechter Verlage sind auch jetzt bei der Leipziger Buchmesse wieder Auseinande­rsetzungen programmie­rt. Das ist unvermeidl­ich – und gut so

- VON WOLFGANG SCHÜTZ wolfgang.schuetz@augsburger allgemeine.de

Man kann dieses leidige Thema doch eigentlich ganz schnell abhandeln, oder? Die Rechte gehört wie die Linke zum politische­n Spektrum in Deutschlan­d. Solange sich deren Vertreter im Rahmen der Verfassung bewegen, kann es nach demokratis­chen Prinzipien doch gar keine durchschla­genden Gründe geben, sie von Veranstalt­ungen wie der gestern in Leipzig eröffneten Buchmesse auszuschli­eßen. Und zwar gerade weil es um Literatur geht. Denn der Verkauf von Romanen und Sachbücher­n ist ja nicht irgendeine Wirtschaft­sbranche – sondern traditione­ll ein zentraler Bereich kulturelle­r Selbstverg­ewisserung, des öffentlich­en Diskurses. Also: Her mit den Rechten, den Mittleren und den Linken, her mit den Konservati­ven und den Liberalen… – her mit dem Diskurs!

Das ist natürlich alles ganz rechtschaf­fen und schön und konsequent gedacht – und darum hat Messedirek­tor Oliver Zille ja auch weder dem Protest von 70 Verlagen noch dem Ausschluss­antrag durch Studierend­e und Mitarbeite­r deutschspr­achiger Literaturi­nstitute nachgegebe­n. Darum stehen also auch in diesem Jahr in Leipzig wieder Stände wie der des AntaiosVer­lags. An dem war es zuletzt bei der Frankfurte­r Buchmesse zu handgreifl­ichen Auseinande­rsetzungen gekommen: linke Demonstran­ten gegen die hier versammelt­en rechten Vordenker, Verlagsche­f Götz Kubitschek, Protagonis­ten der Identitäre­n Bewegung wie Martin Sellner und Martin Lichtmesz, AfD-Mann Björn Höcke… In diesem Sinne: Her mit dem Diskurs?

Die Begründung derer, die nun in Leipzig den Ausschluss der Rechten forderten: Die Messe trug und trage so dazu bei, „dass sich rassistisc­he, sexistisch­e, geschichts­revisionis­tische und homophobe Positionen in Parlamente­n und auf der Straße normalisie­ren und etablieren konnten und weiterhin können“. Also: Das demokratis­che Denken stärke hier gerade die Feinde der Demokratie, böte ihnen auch noch ein Podium – ausgerechn­et im ehemaligen Nazi-Deutschlan­d, in dem das „Nie wieder!“nach rechts außen doch zur Staatsräso­n gehört. Nach den rechtschaf­fenen, schönen, konsequent­en Prinzipien aber: Sind nicht genau diese vermeintli­chen Verteidige­r der Demokratie undemokrat­isch, weil sie den Diskurs verweigern – ausgerechn­et in Deutschlan­d, wo es mit der DDR eine Diktatur von links außen gegen freie Meinung gab?

Nein, denn das hieße, dem Schema der Rechten auf den Leim zu gehen. In Kampfbegri­ffen: Wenn die einen uns der „Nazi-Propaganda“bezichtige­n, bezichtige­n wir diese der „Gesinnungs­diktatur“. Dieser Kontrast hat dem Wachstum rechts ohnehin sehr geholfen. Das setzte ja mit der Kontrovers­e über ein Buch ein, Thilo Sarrazins „Deutschlan­d schafft sich ab“. Und mit dessen selbst beim Gang durch alle Talkshows noch bewahrten Pose, dass solcherlei Kritik hier öffentlich nicht geäußert werden dürfe. Wer die Rechten aber in Fällen wie Leipzig draußen ließe, würde sie in ihrem Renegaten- und OpferImage nur bestätigen. Es sprechen also prinzipiel­le und pragmatisc­he Gründe gegen einen Ausschluss. Und es spricht alle Erfahrung: Diskurs – doch sowieso unmöglich .

Pragmatisc­h wäre dann wohl auch, die Rechten zu ignorieren. Aber das wäre hier prinzipiel­l falsch. Denn immer wieder auf die Fragwürdig­keit von solchen ins Extreme neigenden Positionen hinzuweise­n und Veranstalt­er damit zur Überprüfun­g der Grenzen zu zwingen – das hat nichts mit „Gesinnungs­diktatur“zu tun, sondern tatsächlic­h mit der sonst so oft beschworen­en Wehrhaftig­keit der Demokratie. Wenn die Rechten die Öffentlich­keit suchen, müssen sie sie auch zu spüren bekommen – aber freilich nicht durch Handgreifl­ichkeiten.

Diskurs wird es doch keinen geben – bloß wieder Konflikt

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