Guenzburger Zeitung

Putins gefährlich­ster Gegner

Alexej Nawalny ist wohl der Einzige, der dem Kreml-Chef in die Quere kommen könnte. Doch die Sache hat einen Haken: Die Russen können ihn nicht wählen

- Inna Hartwich

Er kommt im weißen Hemd. Steht mit seinen Unterstütz­ern da, im beheizten Zelt am Rande Moskaus. Andere Räume in der Stadt sind ihm verwehrt. Das Regime will es so. Er lächelt, an seiner Seite sind seine Frau Julia, seine Kinder Daria und Sachar. Seine Anhänger haben ihn gerade jubelnd zum Kandidaten erkoren. Zum Gegner Wladimir Putins in Russlands Präsidents­chaftswahl am kommenden Sonntag. Alexej Nawalny nimmt das alles für kurze Zeit ernst. So als regiere in seinem Land eine normale Demokratie und als mache er, Nawalny, normale Politik. Es ist ein demonstrat­iver Auftritt. Der Kreml tut so, als gäbe es eine Wahl. Nawalny tut so, als wäre er Präsidents­chaftskand­idat.

Es ist nur eine hübsche Vorstellun­g geblieben. Eine Idee vom echten Wahlkampf, von einer echten Wahl, ja einer Alternativ­e in Putins erstarrtem politische­n System. Doch der Kreml sperrt den einzigen ernst zu nehmenden Kandidaten aus. Bereits einen Tag nach Nawalnys Auftritt im Zelt hat ihn die Wahlkommis­sion von der Wahl ausgeschlo­ssen. Der Grund: Er ist vorbestraf­t. In einem politisch motivierte­n Prozess war der Anti-Korruption­sblogger 2013 zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil ist mittlerwei­le zwar in eine Bewährungs­strafe umgewandel­t worden, doch auch die steht Nawalnys politische­n Plänen im Wege.

Angefangen hatte der 41-Jährige, indem er Aktien von 30 russischen Staatskonz­ernen kaufte, vom weltgrößte­n Erdgasförd­erunterneh­men Gazprom genauso wie von der größten Bank des Landes. Als Aktionär forderte er Zugang zu internen Firmendate­n, stellte Verluste fest und klagte gegen die Firmen. Sein Kampf gegen die Korruption begann. Heute verknüpft er sein altes Thema, die Selbstbere­icherung von Putins Elite, gekonnt mit der wachsenden sozialen Not im Land. Der charismati­sche und eloquente Populist, der sich von einstigen rechten Parolen wie „Russland den Russen“distanzier­t hat, verstand schnell, wie er vor allem die Jugend erreicht: im Internet. Über soziale Netzwerke und einem eigenen YouTubeKan­al informiert der Jurist sein Publikum. Während Putin ein Russland zeichnet, das von Feinden umzingelt ist, spricht Nawalny die positiven Gefühle an. „Wir leben in einem wunderbare­n Land, ihr könnt es gestalten“, lautet seine Botschaft.

Er ist ein Fremdkörpe­r in der russischen Politik, weil er sich nicht an vorgeschri­ebene Regeln des Kreml hält. Der Moskauer hat es in einer weitgehend unpolitisc­hen Gesellscha­ft geschafft, mehr als 200 000 Freiwillig­e für seine politische­n Anliegen zu finden. Er hat den Wahlkampf auf die Straße zurückgeho­lt. Dort rufen seine Unterstütz­er nun zum Wahlboykot­t auf. Vorerst ist Nawalny gescheiter­t. Doch die Gesellscha­ft verändert sich, die Generation, die unter Putin groß geworden ist, hat andere Vorstellun­gen von der viel beschworen­en Stabilität als die, die in der Sowjetunio­n erwachsen wurde.

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Foto: dpa

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