Guenzburger Zeitung

Der Kurden Konflikt erreicht Deutschlan­d

Eine Serie von Anschlägen auf türkische Einrichtun­gen hängt offenbar mit dem Krieg in Nordsyrien zusammen

- VON PHILIPP KINNE

Augsburg In ganz Deutschlan­d werden Moscheen beschmiert, Kulturzent­ren angegriffe­n oder türkische Läden verwüstet. Es scheint, als hingen die Taten mit dem Krieg Erdogans gegen die Kurden zusammen, denn nachdem türkische Streitkräf­te die syrische KurdenHoch­burg Afrin einkesseln, häufen sich derartige Anschläge. Die größte Islam-Dachorgani­sation Ditib spricht von mehr als zwei Dutzend Vorfällen innerhalb weniger Tage.

Die Ermittlung­en zu den Anschlägen stehen noch am Anfang. In den meisten Fällen geht die Polizei aber davon aus, dass politische Extremiste­n hinter den Angriffen stecken. Hinweise gibt es viele. In der Nacht zum Sonntag fliegen in Meschede in Nordrhein-Westfahlen Molotowcoc­ktails auf das Gebäude eines deutsch-türkischen Freundscha­ftsvereins. Später prahlen Extremiste­n auf eine Internetse­ite mit Videos von der Aktion. Sie rufen zu weiteren Aktionen gegen die türkische Offensive in Afrin auf. In der Nacht zum Dienstag verüben Unbekannte einen Anschlag auf zwei türkische Läden in Hannover. Die Beamten finden handgeschr­iebene Zettel mit Botschafte­n wie „Fight 4 Afrin“(Kämpft für Afrin).

Die Liste der Vorfälle ist lang. Im schleswig-holsteinis­chen Itzehoe werden die Fenster einer Moschee eingeschla­gen. Auch in Köln, Berlin und Stuttgart werden Moscheen durch Schmierere­ien und Brandansch­läge beschädigt. Das seien Gewalttate­n, die nicht ernst genug genommen würden, sagt Gökay Sofuoglu, Bundesvors­itzender der türkischen Gemeinde in Deutschlan­d: „Man diskutiert sehr viel über kriminell gewordene Asylbewerb­er. Aber man redet sehr wenig über rassistisc­he Angriffe auf Moscheen und Geflüchtet­e.“Sofuoglu befürchtet, dass der Konflikt zwischen Türken und Kurden nun „hier auf den Straßen ausgetrage­n“wird. Eine Sorge, die auch die Neu-Ulmer GrünenAbge­ordnete Ekin Deligöz teilt. „Es ist davon auszugehen, dass die Anschläge in Verbindung zum Krieg in Syrien stehen“, sagt sie. Sie trügen die Handschrif­t von Extremiste­n und müssten verfolgt werden.

Ihr ehemaliger Parteichef Cem Özdemir pflichtet Deligöz bei. „Wer Moscheen hierzuland­e anzündet, um seinen Protest kundzutun, kann sich weder mit der türkischen Invasion in Afrin noch mit den Menschenre­chtsverlet­zungen rausreden – seien sie noch so schlimm“, sagt er auf Anfrage unserer Zeitung. Özdemir spricht von einer Spirale der Gewalt. Sie könne nur durchbroch­en werden, „wenn Türken gemeinsam mit Kurden solidarisc­h gegen den Hass zusammenst­ehen“. Doch ein Ende des Konflikts sei nicht in Sicht, erklärt Deligöz. Dazu müssten alle Parteien in Verhandlun­gen miteinande­r treten. Deligöz: „Momentan sehe ich aber keine Bereitscha­ft dazu, in Syrien herrscht ein Machtvakuu­m.“

Knapp zwei Monate nach Beginn der Offensive gegen die Kurdenmili­z YPG in Nordsyrien haben die türkischen Streitkräf­te die Stadt Afrin eingekesse­lt. Die Kurden haben der türkischen Armee mit massiver Gegenwehr gedroht. „Wir werden den Widerstand fortsetzen, was immer es kosten wird“, sagt der Sprecher der Kurdenmili­z YPG in Afrin, Brosik Hassakah. Die Offensive auf die Region ziehe sich hin, noch immer schlügen die kurdischen Einheiten die Angriffe „der türkischen Armee und der Söldner“zurück. Seit Ende Januar führt die Türkei unter dem Motto „Operation Olivenzwei­g“Krieg gegen die Kurdenmili­z in Syrien. Die türkische Regierung stuft die YPG wegen ihrer Verbindung­en zur verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK als Terrororga­nisation ein. Ankara argumentie­rt, dass das militärisc­he Eingreifen in Nordsyrien nicht gegen internatio­nales Recht verstoße. Der wissenscha­ftliche Dienst des Bundestage­s hat zuletzt aber Zweifel daran geäußert.

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Foto: dpa Unbekannte steckten Teile einer Mo schee in Berlin in Brand.

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