Guenzburger Zeitung

Kohlenstof­fspezialis­t SGL macht wieder Gewinn

Nach Jahren der Krise und des Verkaufs großer Firmenteil­e sieht Unternehme­nschef Jürgen Köhler den Konzern mit dem großen Standort in Meitingen wieder auf einem Wachstumsp­fad. Das E-Auto könnte dazu ein Schlüssel sein

- VON MICHAEL KERLER

Frankfurt Blickt Jürgen Köhler auf die Straße, sieht er viel Arbeit für sein Unternehme­n. „In jedem Auto, das Sie sehen, steckt SGL“, sagt der Chef des Kohlenstof­fspezialis­ten, der in Meitingen bei Augsburg seinen größten Standort betreibt. Das gilt zum einen für den Leichtbau mit Karbonfase­rn. Die Karosserie des Elektroaut­os BMW i3 stammt bereits von SGL. Das Unternehme­n liefere zudem zigtausend­e Blattfeder­n aus Glasfaser pro Jahr an Daimler und Volvo, die in Österreich gefertigt werden. In großen Geländewag­en kommen Bremsschei­ben aus Keramik zum Einsatz. Sie stammen vom Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit Brembo und werden auch in Meitingen hergestell­t. „Wir kommen mit der Produktion kaum hinterher“, sagt Köhler. Aber auch in versteckte­n Bauteilen steckt Grafit von SGL, zum Beispiel in Elektroaut­o-Batterien. Und deren prognostiz­ierter Bedarf auf dem Weg zur Elektromob­ilität sei riesig. Doch Köhler macht mit seiner Aufzählung nicht nur deutlich, wo die Aufträge der Zukunft herkommen sollen. Er zeigt auch, wie der Umbau des Unternehme­ns vorangekom­men ist.

SGL hat sich nach Jahren der Krise von seinem Massengesc­häft getrennt. Konzentrie­ren will man sich jetzt auf spezielle, aber lukrative Anwendunge­n. Das Massengesc­häft war für SGL früher die Herstellun­g von Grafitelek­troden, die in Stahlwerke­n zum Einsatz kamen. Der Wiesbadene­r Konzern trat das Geschäft an das japanische Unternehme­n Showa Denko ab, auch über 200 Mitarbeite­r am Standort Meitingen waren betroffen. Auch das Geschäft mit Hochofenau­skleidunge­n, Kathoden und Kohlenstof­felektrode­n ist an einen Investor verkauft worden. Die Erlöse aus den Verkäufen von rund 460 Millionen Euro habe SGL verwendet, um die Verschuldu­ng zu senken, berichtete Finanzchef Michael Majerus bei der Vorstellun­g der Jahreszahl­en am Mittwoch in Frankfurt. Erstmals nach vier hohen Verlustjah­ren könne SGL einen Gewinn ausweisen – fast 140 Millionen Euro.

Für Firmenchef Köhler ist damit die strategisc­he Neuausrich­tung weitgehend abgeschlos­sen. „Die neue SGL steht“, sagte er – und setzt sich gleichzeit­ig neue Ziele. Ohne das Geld aus den Verkäufen der Geschäftsb­ereiche hätte SGL im Jahr 2017 noch Verlust gemacht. Das soll sich im laufenden Jahr ändern. Für 2018 erwartet Finanzchef Majerus eine „schwarze Null“, also einen leichten Gewinn. Und auch neue Mittelfris­tziele gibt es: Der Umsatz stieg 2017 um fast 12 Prozent auf über 860 Millionen Euro. Bis 2022 soll er jetzt auf 1,3 Milliarden Euro anwachsen.

Wo aber kommt das Wachstum her? „Die SGL ist heute bedeutend schlanker aufgestell­t“, betonte Köhler. Auch der Vorstand schrumpfte – auf nur noch zwei Sitze. Chancen für Wachstum sieht Köhler nicht nur im Bereich Auto, sondern auch in der Luftfahrt. „Leichtbau zieht nach dem Airbus A350 und dem Boeing-Dreamliner in die kleineren Flugzeuge ein“, ist er überzeugt. SGL habe eben erst eine Karbonfase­r entwickelt, die sich für den Leichtbau in der Luftfahrt eigne. Aber auch das rasante Wachstum der weltweiten Fertigung an Solarmodul­en oder LEDs zum Beispiel für Scheinwerf­er biete Chancen: Für all diese Produkte sei Grafit nötig.

Bewegung kommt auch in das Verhältnis zu BMW. Bisher hat SGL in einem Gemeinscha­ftsunterne­hmen mit den Münchnern Karbonteil­e für Elektroaut­os hergestell­t. Bekanntlic­h übernimmt SGL das Joint Venture nun ganz. Das Werk im bayerische­n Wackersdor­f wurde bereits übernommen, das Karbonfase­r-Werk in Moses Lake (USA) soll bis Ende 2020 folgen.

Ein Problem in der Auflösung des Joint Ventures mit BMW – immerhin ein wichtiger Kunde – sehen die SGL-Vorstände nicht. Die Übernahme der BMW-Anteile durch SGL sei von jeher als Option geplant gewesen. „Es war die Absicht von BMW, SGL im Autobau zu ertüchtige­n und nicht dauerhaft sein eigener Zulieferer zu werden“, sagte Majerus. Die Kundenbezi­ehung zu BMW bestehe zudem weiter: Man baue weiterhin Karbon-Teile für den 7er-BMW und die E-Autos i3 und i8. BMW bleibe neben BMWGroßakt­ionärin Susanne Klatten außerdem ein Großaktion­är bei SGL. „Nach unserem Kenntnisst­and hat sich an der Rolle von BMW als Aktionär nichts geändert“, sagte Majerus.

Was die Mitarbeite­r betrifft, soll es wohl keinen weiteren Abbau geben. Die Zahl der Beschäftig­ten soll aber in Zukunft weniger stark als Umsatz und Gewinn wachsen, sagte Köhler. „Das gilt natürlich auch für Meitingen.“Dies sei für SGL der größte, aber auch der teuerste Standort. Das Unternehme­n hat sich deshalb dort auf Forschung, Entwicklun­g und High-Tec-Produkte spezialisi­ert.

Eine Dividende erhalten die Aktionäre dieses Jahr nicht. Auch in Zukunft werde man vielleicht überlegen müssen, ob man Gewinne nicht besser in Wachstum stecke, deutete Finanzchef Majerus an. „Und wir werden über die nächsten Jahre ein Wachstum von acht bis neun Prozent pro Jahr haben“, sagte er zuversicht­lich.

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 ?? Foto: SGL ?? Dies ist die Karosserie des neuen 7er BMWs. Nicht die gesamte Karosserie, aber vie le einzelne Teile davon sind aus karbonfase­rverstärkt­en Kunststoff­en.
Foto: SGL Dies ist die Karosserie des neuen 7er BMWs. Nicht die gesamte Karosserie, aber vie le einzelne Teile davon sind aus karbonfase­rverstärkt­en Kunststoff­en.
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Jürgen Köhler

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