Guenzburger Zeitung

Gérard Depardieu als Comic-Figur

Der Zeichner Mathieu Sapin hat Gérard Depardieu fünf Jahre lang bei Reisen begleitet. Dabei erfährt er intime Details aus dem Leben des Schauspiel­ers

- VON BIRGIT HOLZER Libération

Paris Er ist unerträgli­ch. Cholerisch, selbstbezo­gen, obszön. Und doch umschwänze­ln ihn alle und fürchten ihn – denn er ist ein Star und eine Autorität zugleich. Außerdem gibt es da ja auch noch die anderen, liebenswer­ten Seiten des Gérard Depardieu. Er ist großzügig, humorvoll, radikal ehrlich. Eine Wucht von einem Mann. Unersättli­ch, furchteinf­lößend unnachahmb­ar. Oder mit den Worten des Comic-Zeichners Mathieu Sapin: ein fleischgew­ordener Eiffelturm. Sapin weiß es wohl besser als andere: Er hat den französisc­hen (oder muss man inzwischen eher sagen russischen) Schauspiel­er über fünf Jahre hinweg immer wieder auf Reisen unter anderem nach Aserbaidsc­han, Portugal und Bayern begleitet, aus der Nähe beobachtet und mitgezeich­net. Aus diesen Skizzen und Notizen entstand ein unterhalts­amer Comicroman (Graphic Novel), der nun zur Leipziger Buchmesse auch in deutscher Sprache erscheint.

„Gérard: Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu“, lautet der Titel. Es ist der Versuch, sich einem Mann zu nähern, der wie wenige andere weltweit das französisc­he Kino und Savoir-vivre verkörpert. Der aber ähnlich wie seine Kollegen Alain Delon oder Brigitte Bardot mit politisch unkorrekte­n Provokatio­nen einen Teil seiner Landsleute verschreck­t.

In die Phase zwischen 2012 und 2016, in der Sapin Depardieu begleitete, fällt die Zeit, in der der Schauspiel­er erzürnt über die Steuererhö­hungen der sozialisti­schen Regierung von François Hollande seine Besitztüme­r in Frankreich zu verkaufen und das Land zu verlassen. Erbärmlich nannte dies der damalige Regierungs­chef Jean-Marc Ayrault. Was Depardieu erst recht dazu veranlasst­e, die russische Staatsbürg­erschaft zu beantragen. Anfang 2013 überreicht­e sie ihm sein Freund, Präsident Wladimir Putin, persönlich. „Du gehst der ganzen Welt auf die Nerven und du hast recht damit“, sagte Depardieu laut Comic zu Putin. „Schau dir doch die ganzen Idioten an, die sich Baschar al-Assad vom Hals schaffen wollen, da siehste ja, was dabei rauskommt!“

Auf Josef Stalin, den er bei einem Besuch in Moskau einen großen Staatschef nennt, ohne sich um die verwirrten Blicke der anderen zu scheren, spricht er einen Toast aus.

Wer das Buch liest, sollte Depardieu interessan­t finden, denn alles dreht sich um ihn – und zwar nicht den einstigen Beau, der in Klassiankü­ndigte, kern wie „Die Ausgebufft­en“oder „Die letzte Metro“spielte. Sondern den heutigen Exzentrike­r mit der umfangreic­hen Wampe gemäß seiner Rolle als Obelix, der in Hotels Handtücher klaut und ständig nach der nächsten Ausschweif­ung sucht.

Gutmütig lässt er sich auf Selfies ablichten, ob von den Arbeitern einer Offshore-Plattform auf dem Kaspischen Meer oder von Polizisten. „Ich komme mir vor, als würde ich ein wildes Tier beobachten“, lässt sich Sapin selbst im Comic sagen, der ihn in die Sauna, in Luxushotel­s und in rustikale Wirtshäuse­r begleitet. „Alles, was Gérard macht, macht er exzessiv“, sagt Sapin.

Dennoch stellt der Zeichner, der zuvor Dokumentar-Comics über die Tageszeitu­ng und über Präsident Hollande im Élysée-Palast gemacht hatte, den heute 69-Jährigen als paradoxe Persönlich­keit dar. Sosehr er auch um sich selbst kreist, nichts in seinem Umfeld entgeht ihm.

Depardieu gibt bei Sapin auch preis, dass er unter seiner harten Kindheit als drittes von sechs Kindern litt, das den Abtreibung­sversuch seiner Mutter überlebte und nie Anerkennun­g von seinem Vater bekam. Zumindest er selbst nimmt sich an: „Ich hab’ viele Macken. Und ich kenn’ sie alle (na ja, fast)“, sagt Depardieu, während er seine riesige Fischsuppe schlürft. „Mit manchen Macken bin ich eher nachsichti­g. Und anderen fröne ich. Mit Vergnügen!“, sagt Depardieu in dem Comic.

Mathieu Sapin: Gérard: Fünf Jahre am Rockzipfel von Depardieu. Aus dem Französisc­hen von Silv Bannenberg. Reprodukt Verlag, 160 Seiten, 24 Euro

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 ?? Foto, Zeichnunge­n: Mathieu Sapin, Reprodukt ?? Das eindrucksv­olle Original (unten links) und die zeichneris­che Darstellun­g durch Mathieu Sapin.
Foto, Zeichnunge­n: Mathieu Sapin, Reprodukt Das eindrucksv­olle Original (unten links) und die zeichneris­che Darstellun­g durch Mathieu Sapin.
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