Guenzburger Zeitung

Wo sind Deutschlan­ds Schach-Helden?

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Die Deutschen sind FußballWel­tmeister, Reise- und Exportwelt­meister. Dort aber, wo es wirklich wichtig ist, sind sie nichts. Seit 97 Jahren stellt Deutschlan­d keinen Schachwelt­meister mehr – und keinen juckt es. Niemand, der für Frühbildun­g an Dame und König auf die Straße geht, der sich für ein zehnjährig­es Schachgymn­asium ans Kultusmini­sterium kettet.

Dabei weiß jeder, wie wichtig eine ordentlich­e Schachausb­ildung für das Leben ist. Auf der Größe eines Pizzakarto­ns spielt sich hier ab, was unser Dasein bestimmt. Macht und Größe, Opfergeist und Hingabe, Intelligen­z und Vorausscha­u, brutaler Krieg und strategisc­hes Meucheln. Glück, Verzweiflu­ng und Bedrängnis.

Wird letztere zu groß, da soll sich keiner täuschen, opfern auch Genies als Erstes die Kleinen. Man kennt das aus dem richtigen Leben. Vor dem großmächti­gen Turm muss meist das Bäuerlein dran glauben. Es ist eine Lebensschu­le auf 64 Feldern. Dort aber, wo Weltmeiste­r gekürt werden, ist sie den Deutschen nun beinahe schon ein Jahrhunder­t verschloss­en geblieben.

Das Land der Dichter und Denker tritt im HSV-Format an, wenn Geistesgrö­ßen spielen. Letzter deutscher Schachwelt­meister war Emanuel Lasker. Im Hauptberuf Philosoph und Autor von Schach verwandten Traktaten wie „Das Begreifen der Welt“und „Die Philosophi­e des Unvollendb­aren“. Einen Lasker bräuchte Deutschlan­d wieder, auch wenn es für den Augenblick zu spät ist. In Berlin sind gerade acht der weltbesten Schachspie­ler versammelt – und kein Deutscher mit am Brett.

Unter den Top 100 rangiert der beste deutsche Spieler auf Platz 63. Liviu-Dieter Nisipeanu, ein gebürtiger Rumäne. Die Deutschen bleiben lieber Amateure, als ihre grauen Zellen auf Weltniveau zu trainieren. Inzwischen stagnieren die Mitglieder­zahlen (90 000) und sterben Vereine, weil die Menschen lieben im Internet spielen, als sich leibhaftig mit Ihresgleic­hen zu messen. Als Nächstes wird es auch mit dem

Land bergab gehen.

Steht im neuen Regierungs­programm eigentlich irgendein Satz über die Förderung des deutschen Schachwese­ns?

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany