Wieder ein Rekordjahr
Die Gemeinde Jettingen-Scheppach verabschiedet einen noch nie da gewesenen Haushalt. Bürgermeister und Fraktionsvorsitzende treten trotzdem auf die Euphoriebremse
Jettingen Scheppach War das vergangene Jahr bereits ein Rekordjahr, geht 2018 in die Geschichtsbücher der Gemeinde JettingenScheppach ein. Das Haushaltsvolumen und das Investitionsprogramm übersteigen alles bisher Dagewesene, die Gewerbesteuereinnahmen erreichen einen Höchststand, die Schulden sind so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Bei der einstimmigen Verabschiedung des Haushalts in der jüngsten Sitzung herrschte beste Laune. Alle Räte waren sich einig, dass die Marktgemeinde so gut dasteht wie noch nie. „Es sieht sehr, sehr gut aus“, freute sich Bürgermeister Hans Reichhart (CSU).
Seit Matthias Endris seinen Posten als Kämmerer angetreten hatte, kann er Jahr für Jahr noch größere Summen präsentieren. Insbesondere die Steuereinnahmen haben sich, wie Endris es noch zurückhaltend ausdrückte, „positiv entwickelt“. Die Gewerbesteuer erzielte bereits 2016 einen Rekord, 2017 lag sie gar bei 6,8 Millionen Euro, heuer wird der Ansatz erstmals auf fünf Millionen Euro erhöht. Noch höher ist die geplante Investitionssumme, 5,7 Millionen Euro will die Gemeinde in Projekte stecken. Die derzeitige finanzielle und wirtschaftliche Lage erlaube dies, so Endris.
Trotzdem wollte der Kämmerer nicht in Euphorie ausbrechen, er betonte, dass mit den vielen Investitionen auch gewaltige Ausgaben einhergehen. „Es gilt ein gesundes Maß an Investitionstätigkeit und Sparsamkeit an den Tag zu legen“, warnte er. Die bestehenden Schulden, die Tilgungsleistungen und auch ein eventueller Rückgang von Steuereinnahmen dürfte man nicht aus den Augen verlieren. Ein Han- deln mit Maß und Ziel sei in Zukunft gefragt.
Zum tief „Durchatmen“forderte Bürgermeister Hans Reichhart auf. Die Gemeinde habe schon ganz andere Jahre erlebt, es sei kaum zu fassen, wie positiv sich alles entwickelt habe. Inzwischen habe man einen „grundsoliden Haushalt“. 4,1 Millionen Euro auf der Bank liegen zu haben, „das hatten wir noch nie“. Doch auch wenn die Gemeinde so viel Geld für Rathauserweiterung und sonstige Vorhaben lockermachen wird wie nie, will Reichhart den Weg wie bisher gehen: sparsam mit dem umgehen, was zur Verfügung steht. „Es kann immer mal schnell etwas dazwischenkommen“, sagte er. Er sparte an diesem Abend nicht mit Lob, er danke allen, die in der Vergangenheit dazu beigetragen hätten, dass der Markt so gut dastehe. Besonders hervor hob er Kämmerer Endris, dem er Weitblick und noch mehr Leidenschaft attestierte.
In den vergangenen Jahren habe er darauf verzichtet, auf Details einzugehen, betonte CSU-Fraktions- sprecher Josef Seibold. Doch angesichts dieses rekordverdächtigen Haushalts müsse er ein paar Anmerkungen loswerden. Steigende Einwohnerzahlen, steigende Einnahmen, alles wachse und wachse, „aber Wachstum ist eine endliche Größe“. Umso wichtiger ist es in Seibolds Augen, immer wieder Prioritäten zu setzen, um den Spagat zwischen notwendigen Ausgaben, Investitionen für die Zukunft und Rückführung unserer Schulden zu schaffen. Kommunalpolitik funktioniere nur mit geordneten Finanzen. Man dürfe der Nachwelt keine unüberwindbaren Schuldenberge hinterlassen. Auch ein noch so sorgfältig aufgestellter Haushaltsplan sei vor Risiken nicht gefeit. Seibold konnte sich die Frage nicht verkneifen, ob es zu diesem Zeitpunkt wirklich angebracht sei, eine Sporthalle mit einem Kostenvolumen von drei oder mehr Millionen zu planen und neue Schulden aufnehmen zu müssen.
Ähnlich sah es auch Hans Reichhardt (Freie Wähler), der für den im Urlaub weilenden Fraktionssprecher Christoph Böhm in die Bresche sprang. Zeitpunkt und Eile, die bei der Halle an den Tag gelegt werde, hätten viele verunsichert. „Warum werden nicht laufende Projekte zu Ende geführt?“, wunderte sich Reichhardt. Seine größte Sorge sei, dass wie bei der Rathauserweiterung die Kosten davonlaufen könnten. Bei drei Millionen liege die Berechnung für den Rathausumbau inzwischen (siehe eigenen Bericht). „Sind wir mal gespannt, was es letztlich kosten wird“. Doch der Vize-Sprecher der Freien Wähler wollte keineswegs nur schwarzmalen, im Gegenteil, der Rekordhaushalt habe ihn staunen lassen. Die Gewerbesteuer sei mit fünf Millionen Euro noch sehr niedrig kalkuliert, von so einer Zahl hätte er zu Beginn seiner Gemeinderatstätigkeit im Jahr 1996 nur träumen können.
Seine erste Haushaltsrede hielt Holger Löchle für die Jungbürger. Nachdem der bisherige Fraktionssprecher Martin Zirm aus dem Rat ausgeschieden ist (wir berichteten), übernimmt Löchle diese Funktion. In seinen Augen könne die Gemeinde stolz sein und zu Recht sagen: „Wir stehen ziemlich gut da.“Natürlich kämen viele Projekte zu ungünstigen Zeitpunkten, es käme einfach nur darauf an, wie man damit umgeht. Wenn der Rat eine Entscheidung treffe, müssten alle mit voller Kraft dahinterstehen, dann „wird alles lösbar sein“. Sparen um jeden Preis ist in seinen Augen der falsche Weg, „wir müssen auch mal den Mut haben, Geld in die Hand zu nehmen, um Projekte zu realisieren“. Diese Worte nutzte Bürgermeister Hans Reichhart als Steilvorlage: „Bei großen Projekten wird sich immer etwas überschneiden. Wir müssen die Zeit nutzen, sonst läuft uns die Zeit davon.“