Guenzburger Zeitung

Mit mehr als 80 Jahren vor Gericht

Zwei Senioren sind in Günzburg angeklagt gewesen. Beim einen ist es um einen eskalierte­n Streit in der Familie gegangen. Und beim anderen um einen schweren Verkehrsun­fall

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Günzburg Ein Familienst­reit, eine Unachtsamk­eit im Verkehr – auch ältere Menschen können noch vor Gericht kommen. Der Direktor des Amtsgerich­ts Günzburg, Walter Henle, hatte am Donnerstag gleich zwei solcher Delikte zu beurteilen. Zunächst musste sich ein 81-Jähriger wegen gefährlich­er Körperverl­etzung und Beleidigun­g verantwort­en, danach ein 87-Jähriger wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung in Zusammenha­ng mit einem Unfall.

Im Streit einer Familie aus dem nördlichen Landkreis Günzburg hatte die Tochter der Ex-Schwiegert­ochter Strafanzei­ge erstattet, weil ihr Schwiegero­pa sie massiv an den Haaren gezogen und außerdem der Mutter einen Topf auf den Kopf geschlagen habe. Mutter und Tochter leben im gleichen Haus wie der Angeklagte. Zum Streit war es gekommen, als die Frauen in die Wohnung des Mannes gingen, um ihn zur Rede zu stellen. Sie wollten wissen, ob er ein Fahrrad aus ihrem Besitz manipulier­t habe.

Der Angeklagte, der ohne Anwalt vor Gericht erschienen war, wollte zunächst keinerlei Angaben machen, entschloss sich dann während der Zeugenvern­ehmung aber doch dazu, seine Version des Tathergang­s zu schildern. Er sei von den beiden Frauen von hinten angegriffe­n worden und habe sich lediglich gewehrt. Da beide Zeuginnen den Vorwurf der Beleidigun­g nicht bestätigte­n, waren sie für Richter Henle in ihrer Aussage glaubhaft. In seinem Urteil gegen den bislang unbescholt­enen Angeklagte­n blieb Henle mit sechs Monaten Freiheitse­ntzug, ausgesetzt auf eine zweijährig­e Bewäh- rungszeit, und einer Geldauflag­e von 500 Euro unter der Forderung der Staatsanwa­ltschaft. Sie hatte zuvor auf acht Monate mit einer dreijährig­en Bewährungs­zeit und 1000 Euro Strafe plädiert.

Ebenfalls unbescholt­en war der 87-Jährige, der im vergangene­n Jahr an einer Kreuzung an der Augsburger Straße in Günzburg einen Rollerfahr­er übersehen hatte. Dieser kam zu Fall und erlitt sehr schwere Verletzung­en, unter anderem musste ihm die Milz entfernt werden. Der zutiefst erschütter­te Angeklagte versichert­e mehrfach, wie sehr ihm der Unfall und das Schicksal des Unfallopfe­rs leidtue. Henle bestätigte dem Angeklagte­n, dass jeder Verehrstei­lnehmer ein Augenblick­sversagen haben könne, doch zum Glück gehe das meist gut aus. Da das Unfallopfe­r sehr schwer verletzt worden war, müsse der Unfallveru­rsacher eine entspreche­nde Sanktion erfahren. Da er bislang in mehr als 50 Jahren seit dem Führersche­inerwerb ohne jeden Eintrag ins Verkehrsre­gister geblieben war, sah Richter Henle vom Erlass eines Fahrverbot­s, wie von der Staatsanwa­ltschaft gefordert, ab. Auch der Rechtsvert­reter hatte zu bedenken gegeben, dass der auf dem Land wohnende Angeklagte auf das Auto angewiesen sei. Walter Henle verhängte eine Geldstrafe von 40 Tagessätze­n à 80 Euro. Aus dieser Strafe ergebe sich, erklärte der Richter, keine Vorstrafe. Das Verursache­n des Unfalls mit schweren Folgen müsse zwar bestraft werden, aber es handele sich nicht um eine kriminelle Tat, beruhigte der Richter den völlig aufgelöste­n alten Herrn auf der Anklageban­k. Dieser nahm das Urteil sofort an.

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Foto: Weizenegge­r Gegen einen 81 und einen 87 jährigen Mann ist im Günzburger Amtsgerich­t verhan delt worden.

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