Artikel mit gehackten Daten bestellt
Ein Angeklagter wird verurteilt. Doch ein Burgauer wird nun gesucht
Augsburg/Burgau Es ist ein einträgliches und fast risikoarmes Manöver der Cyberkriminalität gewesen: Mit gehackten persönlichen Daten bestellte ein 23-Jähriger aus dem Kreis Biberach für seinen Auftraggeber aus Burgau mehrere Monate lang hochwertige Elektronikartikel bei Onlinehändlern. Die Masche flog erst auf, als betroffene Firmen misstrauisch wurden und die Kripo einschalteten. Wegen Betrugs stand der Metzger-Azubi nun vor dem Augsburger Amtsgericht, sein Auftraggeber kam nicht und wird per Haftbefehl gesucht.
Erst nach längeren verdeckten Ermittlungen kamen ihnen die Spezialisten der Dillinger Kriminalpolizei auf die Schliche, wie Staatsanwalt Benjamin Junghans am Rande des Prozesses gegenüber unserer Zeitung sagte. Die Falle schnappte bereits im Dezember 2015 zu: Der 23-Jährige wurde an einer Packstation in Günzburg festgenommen. Nur durch die Kooperation des Angeklagten konnte der Hintermann, ein 37-Jähriger, ermittelt werden.
Mehrfach wurde der Prozessbeginn verschoben, weil der Burgauer trotz mehrfacher Versuche nicht erreicht wurde und auch sein Anwalt keinen Kontakt zu ihm hatte. Jetzt wird der Mann nächste Woche beim Fortsetzungstermin per Haftbefehl vorgeführt, sofern er denn auffindbar ist. In 54 Fällen, so die Anklage, habe der Biberacher mit gehackten Personendaten aus der ganzen Bun- desrepublik, die ihm der Auftraggeber über das verschlüsselte Darknet schickte, diverse hochwertige Smartphones, Tablets, Spielekonsolen sowie Marken-Handtaschen und -Kleidung bestellt. Die Artikel wurden in der Regel an Packstationen überwiegend in den Landkreisen Augsburg, Dillingen und Günzburg sowie im baden-württembergischen Alb-Donau-Kreis geliefert, dort mit ebenfalls falschen Personalien abgeholt und dann über Verkaufsbörsen im Darknet wieder zu Geld gemacht. Der Gesamtschaden wurde mit knapp 23 000 Euro beziffert. Rechtsanwalt Philipp Mohrschulz (Biberach) räumte namens seines Mandanten die Vorwürfe zu den Elektronik-Artikeln ein, während die Kleidung und die Handtaschen „nicht von ihm bestellt wurden“. Diese Anklagepunkte wurden dann auch fallengelassen.
Die betrügerischen Aktivitäten begannen, als der junge Mann in akuter Finanznot ohne Hauptschulabschluss und wegen Arbeitsplatzverlust im Darknet surfte. Vom Burgauer kam das verlockende Angebot, „ob er Geld verdienen will“, und dann gab es immer wieder Aufträge zur Bestellung bei OnlineHändlern. Die Lieferung der Waren erfolgte in aller Regel prompt, die Bezahlung der kriminellen Dienstleistung zunächst in der Cyberwäh- rung Bitcoin. Später bekam der Angeklagte seiner Aussage nach auch selber eine Spielekonsole als Lohn. Den Auftraggeber hat er „persönlich nie kennengelernt“, die Kontakte fanden nie telefonisch, sondern nur per Chats statt. Auf vorgelegten Schwarzweiß-Ausdrucken in den Ermittlungsakten konnte der 23-Jährige keinen identifizieren.
Bei einer Hausdurchsuchung wurden keine der bestellten Elektronikartikel entdeckt. Die Verhandlung lieferte einen kleinen Diskurs zwischen der Vorsitzenden Richterin Elke Worthmann und dem Angeklagten über Operationen im Darknet, dem Tummelplatz für Cyberkriminelle. Da war unter anderem die Frage nach „selbst zerstörenden Nachrichten“, um deren Nachverfolgung unmöglich zu machen. Dazu konnte oder wollte der Angeklagte keine Angaben machen.
Ein Cyber-Fahnder der Dillinger Kripo berichtete als Zeuge, dass auf den sichergestellten Rechnern und Smartphones des Biberachers keinerlei verschlüsselte Daten gefunden wurden: „Der Datenverkehr im Darknet ist nicht nachvollziehbar.“Die Ermittlungen gegen den Auftraggeber erwiesen sich als höchst aufwendig und zogen sich über eineinhalb Jahre hin, so der Ermittler gegenüber unserer Zeitung. Der zunächst festgenommene Burgauer – er befand sich unter Auflagen wieder auf freiem Fuß – habe bei einer Vernehmung behauptet, er sei „nur ein kleines Rädchen im Netzwerk“.
Wegen 41 Betrugsfällen forderte Staatsanwalt Junghans für den Biberacher eine Haftstrafe von zwei Jahren, einen Warnschuss-Arrest von einer Woche und eine Geldauflage von 2000 Euro. Der Mann hatte erst im Januar 2016 eine einjährige Jugendstrafe vom Biberacher Amtsgericht kassiert, weil er mehrfach Elektronikartikel bestellt, aber nie bezahlt hatte. Eine Bewährung sei jetzt möglich, weil der junge Mann ein umfassendes Geständnis abgelegt habe, eine Ausbildung zum Metzgereiverkäufer mache und in einer festen Beziehung lebe.
Die Bewährungsstrafe sei in Ordnung, meinte Verteidiger Mohrschulz, plädierte aber auf eine niedrige Geldauflage. Die Einziehung von mehr als 13000 Euro Wertersatz durch die ergaunerten Waren sei zu hoch, ein Warnschuss fehl am Platz. Das Schöffengericht verhängte dann zwei Jahre Haft mit Bewährung und lediglich 400 Euro Geldauflage. Der Verzicht auf den Wertersatz sei nicht möglich, sagte Richterin Worthmann, weil der Gesetzgeber diese harte Regelung vorschreibe. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die nächste Woche angesetzte Verhandlung gegen den Burgauer Auftraggeber kann nach Ansicht von Prozessbeteiligten schon deshalb interessant werden, weil der verurteilte Biberacher dann als Zeuge aussagen muss.
Bezahlt wurde erst mal mit Bitcoins
Die Ermittlungen waren sehr aufwendig