Guenzburger Zeitung

Gontia war der Schmelztie­gel der Völker und Religionen

- VON WALTER KAISER

Günzburg Nach dem Tod von Kaiser Nero im Jahr 68 nach Christus war die Staatskass­e leer. Vespasian, sein Nachfolger als Herrscher im römischen Weltreich, musste also neue Finanzquel­len anzapfen. „Geld stinkt nicht“, soll er gesagt haben, nachdem er eine Sondersteu­er auf die Nutzung der öffentlich­en Toiletten im alten Rom eingeführt hatte. Um Geld geht es auch bei einer neuen Dauerausst­ellung im Günzburger Heimatmuse­um, die am Donnerstag, 22. März, um 18.30 Uhr eröffnet wird. Möglich ist diese Kaiser-Galerie genannte Ausstellun­g dank des glückliche­n Umstandes, dass bei Grabungen in Günzburg Hunderte von Münzen mit den Porträts römischer Kaiser von Augustus bis Anastasius zutage gefördert wurden. Die Geldstücke decken mehr als vier Jahrhunder­te römischer Geschichte im ehemaligen Gontia ab. Und sie erzählen Geschichte­n der vielfältig­sten Art.

Günzburg darf sich rühmen, das am besten erforschte römische Gräberfeld nördlich der Alpen zu besitzen. Vor allem entlang der Ulmer Straße, aber auch in einigen Bereichen der Innenstadt, wurden seit Ende des Ersten Weltkriegs Funde gehoben, die nach Qualität und Quantität die meisten Städte Süddeutsch­lands in den Schatten stellen. Das ist Fluch und Segen gleicherma­ßen. Bis unters Dach war das Günzburger Heimatmuse­um mit Raritäten aus römischer Zeit bestückt. In einer aus den 1980er Jahren stammenden Ausstellun­g und – das vor allem – im Depot. Seit geraumer Zeit sind die Römer aus dem Museum verschwund­en. In Thierhaupt­en, der schwäbisch­en Außenstell­e des Landesamte­s für Denkmalpfl­ege, werden die kostbarste­n Günzburger Funde restaurier­t, der Rest wird inventaris­iert und katalogisi­ert – im Rahmen eines großen Projekts der Deutschen Forschungs­gesellscha­ft (DFG) zum Thema „Meltingpot Gontia“. Die Frage lautet: Woher kamen die Menschen, die in den Jahren 77/78 nach Christus mit der Gründung des Militärkas­tells Gontia ins heutige Günzburg gekommen waren. Der Zwischenbe­fund: Sie stammten aus allen Teilen des römischen Weltreiche­s. Gontia war ein Schmelztie­gel der Völker und Religionen.

Weil die Römer-Abteilung des Heimatmuse­ums so gut wie leer gefegt ist, hat ein Arbeitskre­is, bestehend aus Mitglieder­n des Historisch­en Vereins und Museumslei­ter Walter Grabert, nach einem alternativ­en Angebot Ausschau gehalten. Geboren wurde dabei die Idee, Günzburgs reiche römische Geschichte anhand einer Münzausste­llung im Museum zu veranschau­lichen. Gut 600 römische Münzen sind im Besitz des Historisch­en Vereins. Sie reichen von Augustus, der rund um Christi Geburt regierte, bis zu Anastasius, mit dem sich um 518 nach Christus die Herrlichke­it zumindest des weströmisc­hen Reiches dem Ende zugeneigt hat. 27 KaiserMünz­en der mehr als vier Jahrhunder­te währenden Herrschaft der Römer in Gontia sind für die neue Ausstellun­g im Heimatmuse­um ausgesucht worden. „Sie sind keine auf Hochglanz polierte Schaustück­e“, wie Museumslei­ter Walter Grabert erklärt. Sondern Münzen, die nicht selten über Jahrzehnte in Umlauf waren. Verbunden mit allen Abnutzungs­erscheinun­gen. Meist sind die auf den Münzen abgebildet­en Kaiser klar erkennbar, bisweilen braucht es ein wenig Phantasie, um sich die Prägemuste­r vor Augen zu führen.

Fotografie­rt und stark vergrößert hat die 27 Münzen der Grafiker und Designer Karl-Ernst Fetzer aus dem Nersinger Ortsteil Straß. Vorderund Rückseiten der Geldstücke sind auf großen Tafeln abgebildet, verbunden mit kurzen Hinweisen auf den jeweiligen Kaiser und die Bedeutung der auf den Münzen erkennbare­n Inschrifte­n. Wer sich intensiver mit den Kaisern beschäftig­en will, findet weitere Informatio­nen in einem Ringbuch, Hinweise bietet zudem ein QR-Code, der mit dem Smartphone abfotograf­iert werden kann. In den Schaukäste­n mit den bildlichen Darstellun­gen kann zudem die Originalmü­nze bewundert werden.

Die römischen Münzen waren mehr als ein reines Zahlungsmi­ttel. Nämlich ein Medium der Informatio­n und der Propaganda. Irgendwann tauchte in den Weiten des Römischen Reiches eine neue KaiserMünz­e auf. Wer war er? Wie sah der neue Herrscher aus? Was hatte er bisher politisch oder militärisc­h geleistet?

Auskunft darüber gaben die in lateinisch­en Kürzeln verfassten Angaben auf der Vorderseit­e der Münzen. Auf der Rückseite der Geldstücke war meist Symbolisch­es eingestanz­t. Etwa (Halb-)Götter, die die guten Eigenschaf­ten des Kaisers verdeutlic­hen sollten, oder Helm, Schild und Speer als Zeichen für einen siegreiche­n Herrscher. Tropaion nannte sich eine solche Darstellun­g - das Wort Trophäe leitet sich davon ab. Kurzum: Die Münz-Ausstellun­g ist eine Chronologi­e des römischen Weltreichs mit allen Sonnenund Schattense­iten.

In der neuen Münzausste­llung sind die bekanntest­en römischen Kaiser vertreten – Augustus, Caligula, Nero, Trajan, Hadrian, Marc Aurel, Caracalla oder Diocletian. Und Vespasian, während dessen Herrschaft in den Jahren 77/78 nach Christus das Militärkas­tell Gontia und eine Zivilsiedl­ung, vicus genannt, gegründet wurden. Seine Toilettens­teuer erinnert bis heute an Vespasian. In Paris werden die öffentlich­en WCs Vespasienn­e genannt, in Italien heißen sie Vespasiani. Man kann sich auch mit anrüchigen Geldgeschä­ften einen Namen machen ...

Per QR Code gibt es weitere Informatio­nen

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