Amigos statt Rock ’n’ Roll
In der Schlagerszene sind sie die großen Stars. Bei ihrer Gold-Tour 2018 treffen sie im Günzburger Forum am Hofgarten das Publikum mitten ins Herz
Günzburg Wie ergeht es einem alten Rock ’n’ Roller, wenn er sich plötzlich auf einem Konzert der Amigos wiederfindet? Nun ja, etwas ungewohnt mag das für einen solchen schon sein. Die andere Seite ist aber auch die: Seit 1970 stehen KarlHeinz und Bernd Ulrich als „Die Amigos“auf der Bühne. Zwischenzeitlich zählen die beiden Brüder aus dem mittelhessischen Villingen zu den ganz großen Stars der internationalen Schlagerszene.
Das Forum am Hofgarten ist am vergangenen Freitag bis auf einige wenige freie Plätze ausverkauft. Das Publikum, erwartungsvolle Gesichter und im Schnitt ab 50, 60 Jahre aufwärts, klatscht – bereits bevor die beiden Herren die Bühne betreten. „Vergesst die Alltagssorgen“, wendet sich Bernd Ulrich, 67, an die Gäste. Aber solche gebe es in Günzburg ja sowieso nicht. Und schon trifft „Wie ein Feuerwerk“das Publikum mitten ins Herz.
Die Amigos singen vom „Sommer 65“und von „Weißen Rosen, die in Athen blühen“– die Welt ist in Ordnung, während sich an der Leinwand im Hintergrund Sterne, Herzen, aber auch schon einmal das Feuer aus einem Vulkan entlangbewegen.
Was in den hochwertigen Zeitschriften beim Frisör oder beim Zahnarzt stehe, nämlich dass sich die Amigos angeblich aus der Szene zurückziehen würden, davon wüssten diese rein gar nichts. „In dem Alter, wie wir es sind, da hört man nicht mehr auf“, versichert Bernd Ulrich. Dafür zeigt er sich, bevor er mit seinem Bruder zu „Lass uns leben“einstimmt, durchaus nachdenklich und kritisch in Sachen Flüchtlingsproblematik: Denen, die gekommen sind und Hilfe brauchen, müsse man helfen. „Aber die, die gekommen sind, um unser Land zu zerstören, die müssen raus.“Klare, Beifall findende Worte über eine doch nicht ganz so heile Welt.
Nach der Pause sind die „Leuchtis“, die Leuchtwedel zum hin- und herschwenken, deutlich mehr ge- und neben wogenden Amigos-Schals werden noch mehr Handys für Fotos gezückt. Bei Daniel Gérards „Butterfly“lassen die Amigo-Brüder Erinnerungen an die Hitparade mit Dieter Thomas Heck aufkommen, es wird mitgesungen. Und beim „Boot, das Liebe heißt“wird fleißig mitgeklatscht.
Ein trauriges „Ooooh“kommt aus dem Publikum, als sich die Amigos nach über zwei Stunden so langsam verabschieden möchten. Dafür gibt es zwei Zugaben: ein Medley aus Songs der neuen CD „Zauberland“, darunter „Baby Blue“, „Du bist die Sonne in der Nacht“und „Schneeweißer Adler“.
Die „Hey, hey“-Rufe des Publikums verwirren jetzt sogar den alten Rock ’n’ Roller etwas. Bei der zwei- ten Zugabe dürfen Karl-Heinz – der hat inzwischen seine Gitarre abgelegt – und Bernd Ulrich endlich auf zwei Hockern vor einer blühenden Wiese im Hintergrund sitzen. „Danke für die schönen Jahre, Ihr habt uns dahin gebracht und Ihr seid ein Teil von uns“, verabschieden sich die Amigos nun endgültig.
Und was sagt das Publikum? „Die Lieder lassen den Alltag vergessen, man findet sich in ihnen wieder“, bemerkt einer 53 Jahre alte Besucherin aus dem Landkreis NeuUlm. Die 64-jährige Anneliese aus Biberbach (Landkreis Augsburg) freut sich ebenfalls. Die Karte für das Konzert war ein Geburtstagsgeschenk. Gekommen ist sie samt ihren beiden Schwiegersöhnen und Enkel Jan, 14. „Halt einmal was anworden deres, dafür aber eine Riesengaudi“, sagen diese. Die Besucherin aus Gundelfingen, ebenfalls über 60, meint: „Die beiden harmonieren einfach miteinander.“„Schön war’s“, sagen Helmut, 50, und Rowitha, 51, aus Babenhausen. Es sei zwar nicht immer ganz so ihre Musik, aber: „Du kannst runterfahren“, fügt Helmut hinzu.
Ach ja, den alten Rock ’n’ Roller gibt es auch noch, was sagt denn der dazu? „Respekt“, meint dieser. Tatsache ist: Die Amigos haben es, wie bereits im September 2014, auch diesmal problemlos geschafft, das komplette Forum zu begeistern. Auf der Heimfahrt hat er sich allerdings eine Joe-Cocker-CD eingelegt. Der fährt eben ein bisschen anders runter.