Guenzburger Zeitung

Was ist mit Gerhard Schröder los?

Der Altkanzler gerät durch sein Engagement in Russland immer stärker in die Kritik

- VON MICHAEL POHL Zeit.

Augsburg Da werde einer vom Russland-Versteher zum Russland-Vertreter, lästerten viele in Deutschlan­d, als Gerhard Schröder den Aufsichtsr­atschefpos­ten beim Erdölkonze­rn Rosneft übernommen hat. Rosneft ist nicht irgendein Energierie­se. Der von Schröder als Oberkontro­lleur beaufsicht­igte Konzern ist einer der größten Erdölprodu­zenten der Welt, die Hälfte seiner Aktien gehören dem russischen Staat. Vor allem aber ist der Konzern mit seinen knapp 80 Milliarden Euro Umsatz auf das Engste mit dem Kreml verflochte­n. Das liegt an Konzernche­f Igor Setschin, der als drittmächt­igster Mann in Russland gilt und seit vier Jahren persönlich auf der Sanktionsl­iste der USA steht.

„Setschin, das bin ich“, soll Wladimir Putin einmal gesagt haben. Tatsächlic­h war der Rosneft-Chef seit Anfang der Neunziger über viele Jahre einer von Putins wichtigste­n persönlich­en Mitarbeite­rn und wird heute zum innersten Machtzirke­l des Kremlchefs gezählt. Als der Rosneft-Chef vergangene­n September den deutschen Altkanzler in St. Petersburg bei der Hauptversa­mmlung den Aktionären präsentier­te, tat er es mit den Worten: „Gerhard Schröder ist Moskau gegenüber der loyalste Bundeskanz­ler der Geschichte.“Ein Lob, das viele im Westen mit Argwohn vernahmen.

Schröders Wechsel in den Aufsichtsr­at löste in Deutschlan­d noch größere Kritik aus, als sein Wechsel zu Gazproms Ostsee-PipelineTo­chter Nord Stream. Denn Rosneft steht seit Russlands Übergriffe­n auf die Ukraine auf der EU-Sanktionsl­iste. Der ukrainisch­e Außenminis­ter Pawel Klimkin hat nun gefordert, auch Schröder auf die Sanktionsl­iste zu setzen, was die deutsche Bundesregi­erung zurückweis­t.

Schröder hat seinen politisch brisanten Aufsichtsr­atsposten wiederholt zur Privatsach­e erklärt. Doch schon als Kanzler hatte er es sich immer zum Ziel gesetzt, die Beziehunge­n zu Russland zu verbessern – vor allem angesichts der historisch­en Verantwort­ung von Millionen Toten im Zweiten Weltkrieg.

Der SPD-Mann verteidigt stets seine Freundscha­ft mit dem Kremlchef: „Das bleibt auch so, ich vertraue Wladimir Putin“, sagte er vor kurzem. „Freundscha­ft bedeutet ja, dass man dem anderen auch seine Meinung sagt und ihn kritisiert.“Wenn Schröder Kritik öffentlich äußert, dann sehr zurückhalt­end: „Russland braucht, um langfristi­g politisch und wirtschaft­lich erfolgreic­h zu sein, eine offene Gesellscha­ft“, sagte er jüngst. „Und Korruption ist eine der größten Geißeln des Landes.“Doch vor allem wirbt Schröder um Verständni­s für Putin: Er glaube nicht „an die Mär einer russischen Aggression­spolitik“, sagte er der Damit, dass ihn sowohl die Russen als auch seine Kritiker als wichtigste­n Lobbyisten Russlands sehen, hat der Sozialdemo­krat auch keine Probleme: „Ich lasse mich nicht instrument­alisieren“, versichert der Altkanzler.

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