Richterstühle zu besetzen
Aktuell werden Ehrenamtliche für die Rechtsprechung am Amtsgericht Günzburg und am Landgericht Memmingen gesucht. Was drei Schöffen aus dem Landkreis über ihre Arbeit berichten und wie man selbst Laienrichter wird
Ichenhausen/Günzburg Erst kürzlich entschied Ernst Jäger wieder mit über das Schicksal eines Menschen. Sollte ein wegen Betrugs angeklagter Rechtsanwalt mit Haft und Berufsverbot bestraft oder freigesprochen werden? Das Gericht entschied sich für den Freispruch.
Knapp zwei Wochen später sitzt Ernst Jäger zuhause an seinem Esstisch in Ichenhausen und erzählt von der Verhandlung. „Das war ein ziemlich komplizierter Fall“, sagt der 67-Jährige und nimmt einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. „Viele juristische Details spielten da eine Rolle, es war schwer, zu folgen. Aber dafür ist ja auch ein Berufsrichter dabei.“
Ernst Jäger ist Schöffe am Amtsgericht Günzburg. Bevor er dort als einer von drei Richtern über Angeklagte urteilte, war er bereits zehn Jahre als Laienrichter am Landgericht in Memmingen. Und doch hilft ihm diese Erfahrung wenig, sagt er. „Jeder Fall ist anders. Und wir haben ja keine Möglichkeit, uns einzulesen. Wir erfahren erst zu Beginn der Verhandlung, um was es geht.“Das sei auch so gewünscht, sagt Jäger. Als Laie soll der Schöffe einen anderen Blick auf die Dinge einbringen, als ihn die Volljuristen haben.
In Günzburg ist Franziska Braun zuständig für die Schöffen. Die Richterin führt den Vorsitz bei Verhandlungen vor dem Schöffengericht und leitet auch den Schöffenwahlausschuss, der die Laienrichter ernennt. „Die Schöffen sollen uns Richtern durch ihre eigene Berufsund Lebenserfahrung helfen. Ihnen fallen ganz andere Sachen auf, während die Berufsrichter auf das Juristische fokussiert sind. Ich finde, das ergänzt sich gut.“Braun betont, dass die Zusammenarbeit immer harmonisch sei. Die beiden Schöffen haben die gleichen Rechte und Pflichten wie der Berufsrichter und können diesen bei einem Urteil auch überstimmen. „Die Urteilsfindung geschieht auf Augenhöhe. Die Schöffen folgen meinen juristischen Argumenten und ich verlasse mich auf ihre Sachkenntnis.“Denn häufig, sagt Braun, könne ein Laie sein berufliches Wissen einbringen.
Ernst Jäger kam sein Wissen als Elektromeister und langjähriger Leiter des Ichenhauser Bauhofs nach seiner Aussage bisher zwar noch nicht zugute. Viel wichtiger sei aber ohnehin der Kontakt zu Menschen. Den hat er als Vorsitzender des SC Ichenhausen reichlich. „Was die Menschen bewegt, was ihnen wichtig ist. Das zu wissen, hat mir schon oft geholfen.“Seine Meinung sei bisher von allen Richtern geschätzt worden. „Ich hatte nie das Gefühl, als Amateur behandelt zu werden. Wir sind nicht bei Verhandlungen dabei, um Entscheidungen nur abzunicken.“Auch die Möglichkeit, Einblicke in die Justiz zu bekommen, die der Bevölkerung verwehrt bleiben, reizt Jäger nach 15 Jahren immer noch. Dass das – allem bei Kapitalverbrechen, die am Landgericht verhandelt werden – nicht immer schöne Einblicke sind, damit komme er zurecht. „Ich bin niemand, der so etwas mit sich rumträgt. Wichtig ist mir, dass ich immer mit gutem Gewissen entschieden habe.“
Dass auch Berufsrichter an belastenden Verfahren zu knabbern haben, gibt Franziska Braun offen zu. „Es sind nicht immer schöne Dinge, die wir da erfahren. Aber es lässt einen auch den Blick auf Leute werfen, denen es nicht so gut geht.“
Derzeit stellen Städte, Gemeinden und Landkreise in ganz Deutschland wieder Vorschlagslisten für die Schöffenamtszeit von 2019 bis 2023 zusammen. Laut Richterin Braun tun sich manche Gemeinden im Landkreis Günzburg schwer damit, Kandidaten zu finden. Denn der Wahlausschuss soll aus doppelt so vielen Kandidaten auswählen können, wie Ämter offen sind.
Im Landkreis Günzburg sind das 44. Jeweils acht Hauptschöffen für Erwachsene und für Jugendliche kommen ans Amtsgericht Günzburg, hinzukommen je sechs Hilfsschöffen, die als Ersatz bereitstehen, sollte ein Hauptschöffe ausfallen. Weitere 16 Schöffen werden ans Landgericht Memmingen beordert.
Als Hilfsschöffe war in der ablaufenden Amtsperiode auch Max Schubert tätig. Zum Einsatz kam er zwar nie, erzählt der 64-Jährige. Trotzdem habe er sich für die neue Amtsperiode – ebenso wie Ernst Jäger – wieder zur Verfügung gestellt. „Ich denke, dass unsere Rechtsprechung so gut ist wie in kaum einem anderen Land. Dass wir vernünftige Leute dort sitzen haben. Deshalb beteilige ich mich gerne.“
Ob Dr. Schubert in der neuen Periode nun als Hauptschöffe regelmäßig an Verhandlungen teilnehmen kann, entscheidet der zehnköpfige Wahlausschuss. Dem gehören neben Franziska Braun und sieben
„Es sind nicht immer schöne Dinge, die wir im Gericht erfahren.“Franziska Braun, Richterin am Amtsgericht
Kreistag gewählten Vertrauenspersonen auch Richter Daniel Theurer und ein Vertreter des Landratsamtes an. Letztere beschäftigen sich vor allem mit den Jugendschöffen. Die werden vom Jugendhilfeausschuss des Landkreises vorgeschlagen. Denn am Jugendgericht läuft einiges anders.
Das weiß auch Gesine Schuler. Die Jettingerin ist seit neun Jahren Jugendschöffin. „Für mich liegt der besondere Reiz darin, die Jugendlivor
chen wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Das Jugendstrafrecht ist vor allem auf Erziehung ausgelegt. Leider funktioniert das nicht immer, einige Gesichter habe ich immer wieder vor Gericht gesehen.“Oft steckten traurige Geschichten hinter solchen Fällen, sagt sie. Falsche Freunde oder ein kaputtes Elternhaus. Das mache die zweifache Mutter oft nachdenklich. Dass sie durch ihre Tätigkeit in der beruflichen Fortbildung viel mit Jugendlivom
chen zu tun hat, komme ihr aber enorm zugute. „Als Jugendschöffe sollte man schon wissen, wie die drauf sind und einen Bezug zu Jugendlichen haben.“Auch Gesine Schuler stellt sich für eine weitere Amtszeit zur Verfügung. Weil es immer wieder etwas Neues gebe, sagt sie. Und weil keine Verhandlung wie die andere sei. Informationen zum Schöffenamt www.schoeffenwahl.de