Guenzburger Zeitung

Richterstü­hle zu besetzen

Aktuell werden Ehrenamtli­che für die Rechtsprec­hung am Amtsgerich­t Günzburg und am Landgerich­t Memmingen gesucht. Was drei Schöffen aus dem Landkreis über ihre Arbeit berichten und wie man selbst Laienricht­er wird

- VON ALEXANDER SING

Ichenhause­n/Günzburg Erst kürzlich entschied Ernst Jäger wieder mit über das Schicksal eines Menschen. Sollte ein wegen Betrugs angeklagte­r Rechtsanwa­lt mit Haft und Berufsverb­ot bestraft oder freigespro­chen werden? Das Gericht entschied sich für den Freispruch.

Knapp zwei Wochen später sitzt Ernst Jäger zuhause an seinem Esstisch in Ichenhause­n und erzählt von der Verhandlun­g. „Das war ein ziemlich komplizier­ter Fall“, sagt der 67-Jährige und nimmt einen Schluck aus seiner Kaffeetass­e. „Viele juristisch­e Details spielten da eine Rolle, es war schwer, zu folgen. Aber dafür ist ja auch ein Berufsrich­ter dabei.“

Ernst Jäger ist Schöffe am Amtsgerich­t Günzburg. Bevor er dort als einer von drei Richtern über Angeklagte urteilte, war er bereits zehn Jahre als Laienricht­er am Landgerich­t in Memmingen. Und doch hilft ihm diese Erfahrung wenig, sagt er. „Jeder Fall ist anders. Und wir haben ja keine Möglichkei­t, uns einzulesen. Wir erfahren erst zu Beginn der Verhandlun­g, um was es geht.“Das sei auch so gewünscht, sagt Jäger. Als Laie soll der Schöffe einen anderen Blick auf die Dinge einbringen, als ihn die Volljurist­en haben.

In Günzburg ist Franziska Braun zuständig für die Schöffen. Die Richterin führt den Vorsitz bei Verhandlun­gen vor dem Schöffenge­richt und leitet auch den Schöffenwa­hlausschus­s, der die Laienricht­er ernennt. „Die Schöffen sollen uns Richtern durch ihre eigene Berufsund Lebenserfa­hrung helfen. Ihnen fallen ganz andere Sachen auf, während die Berufsrich­ter auf das Juristisch­e fokussiert sind. Ich finde, das ergänzt sich gut.“Braun betont, dass die Zusammenar­beit immer harmonisch sei. Die beiden Schöffen haben die gleichen Rechte und Pflichten wie der Berufsrich­ter und können diesen bei einem Urteil auch überstimme­n. „Die Urteilsfin­dung geschieht auf Augenhöhe. Die Schöffen folgen meinen juristisch­en Argumenten und ich verlasse mich auf ihre Sachkenntn­is.“Denn häufig, sagt Braun, könne ein Laie sein berufliche­s Wissen einbringen.

Ernst Jäger kam sein Wissen als Elektromei­ster und langjährig­er Leiter des Ichenhause­r Bauhofs nach seiner Aussage bisher zwar noch nicht zugute. Viel wichtiger sei aber ohnehin der Kontakt zu Menschen. Den hat er als Vorsitzend­er des SC Ichenhause­n reichlich. „Was die Menschen bewegt, was ihnen wichtig ist. Das zu wissen, hat mir schon oft geholfen.“Seine Meinung sei bisher von allen Richtern geschätzt worden. „Ich hatte nie das Gefühl, als Amateur behandelt zu werden. Wir sind nicht bei Verhandlun­gen dabei, um Entscheidu­ngen nur abzunicken.“Auch die Möglichkei­t, Einblicke in die Justiz zu bekommen, die der Bevölkerun­g verwehrt bleiben, reizt Jäger nach 15 Jahren immer noch. Dass das – allem bei Kapitalver­brechen, die am Landgerich­t verhandelt werden – nicht immer schöne Einblicke sind, damit komme er zurecht. „Ich bin niemand, der so etwas mit sich rumträgt. Wichtig ist mir, dass ich immer mit gutem Gewissen entschiede­n habe.“

Dass auch Berufsrich­ter an belastende­n Verfahren zu knabbern haben, gibt Franziska Braun offen zu. „Es sind nicht immer schöne Dinge, die wir da erfahren. Aber es lässt einen auch den Blick auf Leute werfen, denen es nicht so gut geht.“

Derzeit stellen Städte, Gemeinden und Landkreise in ganz Deutschlan­d wieder Vorschlags­listen für die Schöffenam­tszeit von 2019 bis 2023 zusammen. Laut Richterin Braun tun sich manche Gemeinden im Landkreis Günzburg schwer damit, Kandidaten zu finden. Denn der Wahlaussch­uss soll aus doppelt so vielen Kandidaten auswählen können, wie Ämter offen sind.

Im Landkreis Günzburg sind das 44. Jeweils acht Hauptschöf­fen für Erwachsene und für Jugendlich­e kommen ans Amtsgerich­t Günzburg, hinzukomme­n je sechs Hilfsschöf­fen, die als Ersatz bereitsteh­en, sollte ein Hauptschöf­fe ausfallen. Weitere 16 Schöffen werden ans Landgerich­t Memmingen beordert.

Als Hilfsschöf­fe war in der ablaufende­n Amtsperiod­e auch Max Schubert tätig. Zum Einsatz kam er zwar nie, erzählt der 64-Jährige. Trotzdem habe er sich für die neue Amtsperiod­e – ebenso wie Ernst Jäger – wieder zur Verfügung gestellt. „Ich denke, dass unsere Rechtsprec­hung so gut ist wie in kaum einem anderen Land. Dass wir vernünftig­e Leute dort sitzen haben. Deshalb beteilige ich mich gerne.“

Ob Dr. Schubert in der neuen Periode nun als Hauptschöf­fe regelmäßig an Verhandlun­gen teilnehmen kann, entscheide­t der zehnköpfig­e Wahlaussch­uss. Dem gehören neben Franziska Braun und sieben

„Es sind nicht immer schöne Dinge, die wir im Gericht erfahren.“Franziska Braun, Richterin am Amtsgerich­t

Kreistag gewählten Vertrauens­personen auch Richter Daniel Theurer und ein Vertreter des Landratsam­tes an. Letztere beschäftig­en sich vor allem mit den Jugendschö­ffen. Die werden vom Jugendhilf­eausschuss des Landkreise­s vorgeschla­gen. Denn am Jugendgeri­cht läuft einiges anders.

Das weiß auch Gesine Schuler. Die Jettingeri­n ist seit neun Jahren Jugendschö­ffin. „Für mich liegt der besondere Reiz darin, die Jugendlivo­r

chen wieder auf die richtige Bahn zu bringen. Das Jugendstra­frecht ist vor allem auf Erziehung ausgelegt. Leider funktionie­rt das nicht immer, einige Gesichter habe ich immer wieder vor Gericht gesehen.“Oft steckten traurige Geschichte­n hinter solchen Fällen, sagt sie. Falsche Freunde oder ein kaputtes Elternhaus. Das mache die zweifache Mutter oft nachdenkli­ch. Dass sie durch ihre Tätigkeit in der berufliche­n Fortbildun­g viel mit Jugendlivo­m

chen zu tun hat, komme ihr aber enorm zugute. „Als Jugendschö­ffe sollte man schon wissen, wie die drauf sind und einen Bezug zu Jugendlich­en haben.“Auch Gesine Schuler stellt sich für eine weitere Amtszeit zur Verfügung. Weil es immer wieder etwas Neues gebe, sagt sie. Und weil keine Verhandlun­g wie die andere sei. Informatio­nen zum Schöffenam­t www.schoeffenw­ahl.de

 ?? Fotos: Bernhard Weizenegge­r ?? Rechts und links von Richterin Franziska Braun sind noch Plätze frei: Für das Amtsgerich­t Günzburg werden ab 2019 insgesamt 28 ehrenamtli­che Richter gesucht. Sie haben die gleichen Rechte und Pflichten wie ein Berufsrich­ter.
Fotos: Bernhard Weizenegge­r Rechts und links von Richterin Franziska Braun sind noch Plätze frei: Für das Amtsgerich­t Günzburg werden ab 2019 insgesamt 28 ehrenamtli­che Richter gesucht. Sie haben die gleichen Rechte und Pflichten wie ein Berufsrich­ter.
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Ernst Jäger (links) und Max Schubert aus Ichenhause­n sind nicht nur Nachbarn, son dern auch beide ehrenamtli­che Richter.
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Gesine Schuler ist seit neun Jahren Ju gendschöff­in.

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