Ist er nur Konsument oder Dealer?
Ein 41-Jähriger steht wegen eines Drogenvorrats vor dem Günzburger Amtsgericht
Günzburg Ein 41-Jähriger muss sich vor dem Günzburger Amtsgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Drogen besessen und mit ihnen gehandelt zu haben. Es geht um 69 Ecstasy-Tabletten, knapp 37 Gramm Cannabis und zwei Gramm Amphetamin, die bei einer Hausdurchsuchung im März vergangenen Jahres gefunden wurden. Außerdem hatte der Günzburger einen Schlagring und zwei Schuss scharfe Munition deponiert. Was den Drogenhandel angeht, stützt sich die Staatsanwaltschaft auf eine Zeugin – doch die ist nicht vor Gericht erschienen.
Richterin Franziska Braun sucht in den Akten nach ihrer Telefonnummer. Zwischendurch klingelt zweimal das Handy eines Zuschauers, bis die Richterin mit einem Ordnungsgeld droht. Dann findet sie die Kontaktdaten der Zeugin. Sie nimmt den Telefonhörer, wählt, die Zeugin geht ran. Was sie sagt ist nicht zu hören, doch vermutlich, dass sie krank sei. Denn die Richterin antwortet, „dann brauchen sie ein Attest“. Schließlich entschließt sie sich doch zu kommen. In einer halben Stunde möchte sie da sein.
In der Zwischenzeit wird ein Neu-Ulmer Kriminalpolizist, der bei der Wohnungsdurchsuchung beteiligt war, als Zeuge aufgerufen. Die Richterin erkundigt sich, ob er den Angeklagten bei der damaligen Vernehmung gefragt hatte, ob dieser mit den Drogen gehandelt hat. Er könne sich nicht erinnern, antwortet er, „aber wenn es nicht in der Akte steht, habe ich ihn auch nicht gefragt“. Richterin Braun hört mit hochgezogenen Augenbrauen zu. Sie weist darauf hin, dass der Angeklagte in andere Verfahren verwickelt sei, in denen er den Kontakt zwischen zwei Personen hergestellt haben soll, damit sie Drogen beschaffen können. Ob der Polizist in Anbetracht der Umstände und der Menge der Drogen einen Handel nicht für naheliegend gehalten habe, fragt die Richterin. „Das habe ich wohl vergessen“, sagt er.
Es klopft an der Tür, die 49-jährige Zeugin erscheint. Auch ihre Wohnung in Kötz hat die Polizei im August vergangenen Jahres durchsucht. Damals soll sie ausgesagt haben, sie hätte etwa 25 Mal Cannabis vom Angeklagten gekauft, insgesamt 50 bis 100 Gramm, verliest die Richterin. Das bestreitet die Zeugin und spricht von ein bis zwei Käufen von je einem Gramm.
Dadurch sieht auch die Staatsanwältin schließlich nur diese zwei Fälle des Handels als erwiesen an. Sie hält dem Angeklagten zugute, dass er nicht vorbestraft ist. Doch weil er neben dem Marihuana auch harte Drogen besessen hat, fordert sie ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung. Der Verteidiger fordert hingegen nur eine Geldstrafe von 90 Sätzen zu je 30 Euro.
Richterin Franziska Braun sagt, die gefundenen Plastiktütchen seien ein Indiz dafür, dass der Angeklagte neben den zwei erwiesenen Fällen noch häufiger mit Drogen gehandelt haben könnte, doch dafür könne er nicht verurteilt werden. „Das war wohl nur die Spitze des Eisbergs“, sagt sie. Sie verhängt eine Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung. Diese Strafe sei am unteren Ende des möglichen Strafmaßes. Außerdem muss der Angeklagte 800 Euro an die Johanniter zahlen. Er kann in Berufung oder Revision gehen.