Wo die Integration in Thannhausen feststeckt
Integrationsbeauftragter Hans Kohler erklärt, was die größten Probleme sind und mit welchen Schwierigkeiten die Helfer kämpfen
Thannhausen Alles begann damit, als die ersten Flüchtlinge in Thannhausen vor der ehemaligen Pizzeria Zum Hirsch standen. Hans Kohler sah die armen Gestalten von seinem Wohnzimmer aus dem ersten Stock im gegenüberliegenden Gebäude, ihr gesamtes Hab und Gut in wenigen Plastiktüten gepackt – verloren und hilflos. Kohler hatte Mitleid. Man muss diesen Menschen helfen, beschloss er. Das war lange vor dem Sommer 2015, als die Bilder von Tausenden von Flüchtlingen auf ihrem Zug durch den Balkan bis nach Deutschland durch die Medien kursierten. Kohler ist kein Idealist, höchstens einer, der sich an das C im Namen der Partei erinnert, der er seit Jahrzehnten angehört. Als selbstständiger Drogist, Familienvater, Jäger und Stadtrat steht Kohler mitten im Leben. Einer, für den das Engagement im Ehrenamt selbstverständlich ist. Nicht zuletzt deshalb wurde Kohler zum Integrationsbeauftragten der Stadt Thannhausen. Die Bilanz, die er in dieser Funktion kürzlich vor den Mitgliedern des Thannhauser Stadtrats zog, fällt gemischt aus.
Von den insgesamt 1043 Bürgern mit Migrationshintergrund sind noch 24 Flüchtlinge in Thannhausen verblieben. Zu Hochzeiten der Flüchtlingskrise waren es bis zu 87. Die Hälfte der verbliebenen Flüchtlinge steckt noch in laufenden Asylverfahren.
Zwölf sogenannte Fehlbeleger befinden sich noch in den Gemeinschaftsunterkünften, wo sie zwar Miete bezahlen, aber eigentlich nicht mehr sein sollten. Allerdings, so Kohler, gestalte es sich äußerst schwierig, für anerkannte Asylbewerber Wohnungen zu finden. Häufig genug blocken die Eigentümer ab, sobald sie nur einen ausländischen Namen hören. Eine zweischneidige Angelegenheit, denn einerseits beklagt Kohler die latenten Vorurteile in der Bevölkerung gegenüber Ausländern, andererseits hat er selbst schon Wohnungen betreten, bei deren Anblick er erst einmal schlucken musste. Auch aus diesem Grund wird jetzt eine entsprechende Schulung angeboten, die anerkannten Asylbewerbern Grundkenntnisse im Verhalten als Mieter nahebringen soll. Da geht es neben so banalen Dingen wie Mülltrennung, Reinhalten der Wohnung und korrektem Lüften auch um die Gesprächsführung mit dem Vermieter sowie eine Einführung in die Rechte und Pflichten als Mieter. Am Ende des Kurses halten die Teilnehmer ein Zertifikat in den Händen, mit dem sie sich bei Besichtigungen bewerben können. Nach wie vor stelle das größte Problem bei der Integration nicht nur von Flüchtlingen, sondern aller ausländischer Mitbürger, die Vermittlung der deutschen Sprache dar. Schwierigkeiten gebe es dabei vor allem mit den nigerianischen Frauen. „Die wollen nicht Deutsch lernen“, ärgert sich Kohler. Viele der Flüchtlinge aus den Grenzregionen zur Türkei könnten türkisch sprechen und fänden auf diesem Weg oft Arbeitsplätze, wo der Vorarbeiter ein Türke ist. Da sinke der Druck, Deutsch zu lernen.
Grundsätzlich seien die Türken, die mit rund 300 Mitgliedern größte Gruppe mit Migrationshintergrund in Thannhausen, sehr schlecht zu erreichen, sagt Kohler. Hier habe der Integrationsbeirat für die Sprachschulung ein separates Sprachheft entwickelt, um den Frauen in den Familien bessere Deutschkenntnisse zu vermitteln. Doch die Nachfrage halte sich in Grenzen. Viele aus der türkischen Gemeinde seien seit mehr als 40 Jahren hier in Thannhausen und könnten noch immer nicht richtig Deutsch sprechen, bilanziert Kohler. Dabei entwickle sich der Wille zur Integration derzeit sogar eher zurück, als dass es dort Verbesserungen zu verzeichnen gäbe. Besonders sauer ist Kohler in diesem Zusammenhang aufgestoßen, dass die türkische Gemeinde im Zuge der Flüchtlingskrise an der Moschee Deutschkurse angeboten hat, obwohl, so der Vorwurf Kohlers, die Ausbilder dort zum Teil überhaupt nicht für diese Aufgabe qualifiziert gewesen seien. „Zum Teil kamen die Leute da wieder zurück und erzählten, sie hätten dort überhaupt nichts gelernt“, erinnert sich Kohler. Er habe damals den Landtagsabgeordneten Alfred Sauter eingeschaltet, und sich bei ihm beschwert. Die Zertifikate, die die Kursteilnehmer erhalten hatten, seien „nichts wert“. Beschwert hat sich Kohler auch über die Kooperation mit dem Integrationsbeiratsmitglied und Vorsitzenden der Thannhauser Moschee, Mehmet Ali Aksakal. Ihm wirft Kohler vor, als ehrenamtlicher Integrationshelfer zwar medienwirksam in der Öffentlichkeit in Erscheinung zu treten, wenn es jedoch darum gehe, tatsächlich zu helfen, sei er nicht erreichbar. So hätten er und weitere Helfer mehrfach versucht, Aksakal für die Betreuung zwei aserbaidschanischer Familien zu gewinnen, doch sie hätten ihn schlicht nicht erreicht und Aksakal habe sich daraufhin auch nicht gemeldet. Aksakal weist die Vorwürfe von sich. Er betreue derzeit eine syrische und zwei afghanische Familien. „Wenn ich Zeit und die Möglichkeit habe, kann ich helfen“, sagt Aksakal. Er habe jedoch keinen Anruf von Kohler oder jemand anderem in dieser Angelegenheit erhalten. Auch die Kritik an den Sprachkursen in der Moschee lässt Aksakal nicht auf sich sitzen. Die Sprachlehrer hätten mehrere Zertifikate, darunter ein Diplom der Universität Ulm, vorzuweisen. Zudem sei der Vertrag der Dogan Fatma Bildungsakademie, die die Kurse anbietet, mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verlängert worden.
Kohler beklagt sich auch über mangelnde Unterstützung vonseiten des Kreises und des Staates. „So können wir nicht arbeiten. Wir wissen nicht, wer kommt, bestehende Gruppen brechen auseinander, weil wir von Amts wegen keine Unterstützung erhalten“, schimpft er. Auch an der Kommunikation mangele es. So seien die ehrenamtlichen Helfer in Thannhausen in zwei Fällen nicht darüber informiert worden, dass Flüchtlinge ansteckende Krankheiten hatten. Am kommenden Montag soll in einer nicht öffentlichen Zusammenkunft im Landratsamt mit Kreis- und Landespolitikern über die Situation gesprochen werden. Nicht öffentlich deshalb, weil es dort ziemlich zur Sache gehen wird, sagt Kohler.