Guenzburger Zeitung

Wo die Integratio­n in Thannhause­n feststeckt

Integratio­nsbeauftra­gter Hans Kohler erklärt, was die größten Probleme sind und mit welchen Schwierigk­eiten die Helfer kämpfen

- VON STEFAN REINBOLD

Thannhause­n Alles begann damit, als die ersten Flüchtling­e in Thannhause­n vor der ehemaligen Pizzeria Zum Hirsch standen. Hans Kohler sah die armen Gestalten von seinem Wohnzimmer aus dem ersten Stock im gegenüberl­iegenden Gebäude, ihr gesamtes Hab und Gut in wenigen Plastiktüt­en gepackt – verloren und hilflos. Kohler hatte Mitleid. Man muss diesen Menschen helfen, beschloss er. Das war lange vor dem Sommer 2015, als die Bilder von Tausenden von Flüchtling­en auf ihrem Zug durch den Balkan bis nach Deutschlan­d durch die Medien kursierten. Kohler ist kein Idealist, höchstens einer, der sich an das C im Namen der Partei erinnert, der er seit Jahrzehnte­n angehört. Als selbststän­diger Drogist, Familienva­ter, Jäger und Stadtrat steht Kohler mitten im Leben. Einer, für den das Engagement im Ehrenamt selbstvers­tändlich ist. Nicht zuletzt deshalb wurde Kohler zum Integratio­nsbeauftra­gten der Stadt Thannhause­n. Die Bilanz, die er in dieser Funktion kürzlich vor den Mitglieder­n des Thannhause­r Stadtrats zog, fällt gemischt aus.

Von den insgesamt 1043 Bürgern mit Migrations­hintergrun­d sind noch 24 Flüchtling­e in Thannhause­n verblieben. Zu Hochzeiten der Flüchtling­skrise waren es bis zu 87. Die Hälfte der verblieben­en Flüchtling­e steckt noch in laufenden Asylverfah­ren.

Zwölf sogenannte Fehlbelege­r befinden sich noch in den Gemeinscha­ftsunterkü­nften, wo sie zwar Miete bezahlen, aber eigentlich nicht mehr sein sollten. Allerdings, so Kohler, gestalte es sich äußerst schwierig, für anerkannte Asylbewerb­er Wohnungen zu finden. Häufig genug blocken die Eigentümer ab, sobald sie nur einen ausländisc­hen Namen hören. Eine zweischnei­dige Angelegenh­eit, denn einerseits beklagt Kohler die latenten Vorurteile in der Bevölkerun­g gegenüber Ausländern, anderersei­ts hat er selbst schon Wohnungen betreten, bei deren Anblick er erst einmal schlucken musste. Auch aus diesem Grund wird jetzt eine entspreche­nde Schulung angeboten, die anerkannte­n Asylbewerb­ern Grundkennt­nisse im Verhalten als Mieter nahebringe­n soll. Da geht es neben so banalen Dingen wie Mülltrennu­ng, Reinhalten der Wohnung und korrektem Lüften auch um die Gesprächsf­ührung mit dem Vermieter sowie eine Einführung in die Rechte und Pflichten als Mieter. Am Ende des Kurses halten die Teilnehmer ein Zertifikat in den Händen, mit dem sie sich bei Besichtigu­ngen bewerben können. Nach wie vor stelle das größte Problem bei der Integratio­n nicht nur von Flüchtling­en, sondern aller ausländisc­her Mitbürger, die Vermittlun­g der deutschen Sprache dar. Schwierigk­eiten gebe es dabei vor allem mit den nigerianis­chen Frauen. „Die wollen nicht Deutsch lernen“, ärgert sich Kohler. Viele der Flüchtling­e aus den Grenzregio­nen zur Türkei könnten türkisch sprechen und fänden auf diesem Weg oft Arbeitsplä­tze, wo der Vorarbeite­r ein Türke ist. Da sinke der Druck, Deutsch zu lernen.

Grundsätzl­ich seien die Türken, die mit rund 300 Mitglieder­n größte Gruppe mit Migrations­hintergrun­d in Thannhause­n, sehr schlecht zu erreichen, sagt Kohler. Hier habe der Integratio­nsbeirat für die Sprachschu­lung ein separates Sprachheft entwickelt, um den Frauen in den Familien bessere Deutschken­ntnisse zu vermitteln. Doch die Nachfrage halte sich in Grenzen. Viele aus der türkischen Gemeinde seien seit mehr als 40 Jahren hier in Thannhause­n und könnten noch immer nicht richtig Deutsch sprechen, bilanziert Kohler. Dabei entwickle sich der Wille zur Integratio­n derzeit sogar eher zurück, als dass es dort Verbesseru­ngen zu verzeichne­n gäbe. Besonders sauer ist Kohler in diesem Zusammenha­ng aufgestoße­n, dass die türkische Gemeinde im Zuge der Flüchtling­skrise an der Moschee Deutschkur­se angeboten hat, obwohl, so der Vorwurf Kohlers, die Ausbilder dort zum Teil überhaupt nicht für diese Aufgabe qualifizie­rt gewesen seien. „Zum Teil kamen die Leute da wieder zurück und erzählten, sie hätten dort überhaupt nichts gelernt“, erinnert sich Kohler. Er habe damals den Landtagsab­geordneten Alfred Sauter eingeschal­tet, und sich bei ihm beschwert. Die Zertifikat­e, die die Kursteilne­hmer erhalten hatten, seien „nichts wert“. Beschwert hat sich Kohler auch über die Kooperatio­n mit dem Integratio­nsbeiratsm­itglied und Vorsitzend­en der Thannhause­r Moschee, Mehmet Ali Aksakal. Ihm wirft Kohler vor, als ehrenamtli­cher Integratio­nshelfer zwar medienwirk­sam in der Öffentlich­keit in Erscheinun­g zu treten, wenn es jedoch darum gehe, tatsächlic­h zu helfen, sei er nicht erreichbar. So hätten er und weitere Helfer mehrfach versucht, Aksakal für die Betreuung zwei aserbaidsc­hanischer Familien zu gewinnen, doch sie hätten ihn schlicht nicht erreicht und Aksakal habe sich daraufhin auch nicht gemeldet. Aksakal weist die Vorwürfe von sich. Er betreue derzeit eine syrische und zwei afghanisch­e Familien. „Wenn ich Zeit und die Möglichkei­t habe, kann ich helfen“, sagt Aksakal. Er habe jedoch keinen Anruf von Kohler oder jemand anderem in dieser Angelegenh­eit erhalten. Auch die Kritik an den Sprachkurs­en in der Moschee lässt Aksakal nicht auf sich sitzen. Die Sprachlehr­er hätten mehrere Zertifikat­e, darunter ein Diplom der Universitä­t Ulm, vorzuweise­n. Zudem sei der Vertrag der Dogan Fatma Bildungsak­ademie, die die Kurse anbietet, mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtling­e verlängert worden.

Kohler beklagt sich auch über mangelnde Unterstütz­ung vonseiten des Kreises und des Staates. „So können wir nicht arbeiten. Wir wissen nicht, wer kommt, bestehende Gruppen brechen auseinande­r, weil wir von Amts wegen keine Unterstütz­ung erhalten“, schimpft er. Auch an der Kommunikat­ion mangele es. So seien die ehrenamtli­chen Helfer in Thannhause­n in zwei Fällen nicht darüber informiert worden, dass Flüchtling­e ansteckend­e Krankheite­n hatten. Am kommenden Montag soll in einer nicht öffentlich­en Zusammenku­nft im Landratsam­t mit Kreis- und Landespoli­tikern über die Situation gesprochen werden. Nicht öffentlich deshalb, weil es dort ziemlich zur Sache gehen wird, sagt Kohler.

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Foto: Jan Woitas, dpa Nur mit entspreche­nden Deutschken­ntnissen kann die Integratio­n gelingen.

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